# taz.de -- Umzug im Rentenalter: Auf die Parkbank nach Altötting
       
       > Im Alter dahin, wo es billiger ist? Rentner:innen in Deutschland
       > riskieren eher Altersarmut, anstatt umzuziehen. Anders in den USA.
       
 (IMG) Bild: In den USA sind Renter:innen flexibler – auch was einen Umzug angeht. Sun City, Florida
       
       Im Alter umziehen in eine mietgünstige Region, am besten im Osten oder
       irgendwo in eine abgelegene Kleinstadt? Zu diesem Schluss kann kommen, wer
       sich diverse Studien zu Wohnkosten, Kaufkraft und Lebensqualität im Alter
       vornimmt. Gera, Chemnitz oder auch der Landkreis Hof sind Gegenden, wo das
       Verhältnis zu Wohnkosten und Renten komfortabel ist, ergab unlängst eine
       Erhebung der [1][Prognos AG.] Die Kleinstädte Bad Windsheim oder Altötting
       sind „Seniorenparadiese“, ermittelte wiederum das
       Wirtschaftsforschungsunternehmen Contor.
       
       Also auf in die Kleinstädte, in den Osten oder irgendwo aufs Land? So
       einfach ist es nicht, denn Rentner:innen sind sensibel und bodenständig.
       „Insgesamt nimmt die Umzugsbereitschaft im Laufe des Lebens immer mehr ab“,
       erklärt der Heidelberger Altersforscher Hans-Werner Wahl im Gespräch mit
       der taz.
       
       „Ältere ziehen etwa fünfmal seltener um als Menschen unter 30 Jahre. Aber
       es tut sich auch etwas und immer mehr Ältere, vor allem Babyboomer zwischen
       65 und 75 Jahren, fassen nochmals konkret einen Umzug ins Auge. Zu den
       wichtigsten Gründen gehören die sogenannten Netzwerkwanderungen, also näher
       zu Kindern und Enkelkindern.“
       
       ## Besonders Witwen sind betroffen
       
       Die Enkel, das Klima, günstige Hauspreise und Kindheitserinnerungen an die
       alte Heimat sind Gründe, warum Leute mit Beginn des Ruhestands umziehen
       oder sich gar einen zweiten Wohnsitz im Ausland zulegen.
       
       Wer sich im Bekanntenkreis umschaut, stellt verschiedene Muster fest: D.
       zog mit Rentenbeginn von Berlin nach Oldenburg, weil da ihre Tochter und
       zwei Enkel leben. F. verkaufte die Wohnung in Berlin und erwarb mit Ehemann
       ein Haus in der günstigen Pfalz, die ihre alte Heimat ist. K. zog mit
       Ehefrau in deren Heimat Thailand in eine Kleinstadt. Er behält aber die
       günstige Mietwohnung in Berlin und verbringt dort die Sommermonate.
       
       Das klingt alles gut, aber wer diese Wahlfreiheit nicht hat, kann in große
       Probleme geraten. Jeder Fünfte der über 65-Jährigen gibt mehr als 40
       Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnen aus, ermittelte das
       [2][Deutsche Zentrum für Altersfragen.] Stirbt der Partner und fällt damit
       ein Einkommen weg, steigt das Risiko der Verarmung – oft für die
       zurückbleibende Witwe – dramatisch an, fanden die Forscher:innen heraus.
       
       Im Bekanntenkreis sorgt sich zum Beispiel C., 67, um die Zukunft im hohen
       Alter. Sie wohnt mit ihrem Freund in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung und
       bezieht nur eine kleine Rente. Was passiert, wenn der Partner vor ihr
       stirbt und die Miete zu teuer wird für ihr Alterseinkommen?
       
       ## Umzug kann verunsichern
       
       „Wir werden sicher auch eine Gruppe von vor allem älteren Frauen sehen, die
       durch Armutsgefährdung in eine günstigere Wohnung abzuwandern versuchen,
       auch um den Preis, soziale Netzwerke und hilfreiche
       Nachbarschaftsstrukturen hinter sich zu lassen. Keine gute Entwicklung“,
       sagt Wahl.
       
       Eine naheliegende Lösung läge darin, dass Verwitwete oder überhaupt alte
       Menschen eine oft zu große Mietwohnung aufgeben und in eine kleinere Bleibe
       umziehen, also tauschen. Wohnungsbaugesellschaften können von diesen
       Tauschprogrammen ein Liedchen singen: Es klappt eher selten. David
       Eberhardt, Sprecher des BBU, des Verbandes Berlin-Brandenburgischer
       Wohnungsunternehmen, hat festgestellt: „Gerade ältere Leute wollen nicht
       umziehen, sich von Erinnerungsstücken und der vertrauten Umgebung trennen.“
       
       Die BBU ist für die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin
       zuständig, ein Bestand von 360.000 Wohnungen. Wer in einer solchen
       landeseigenen Wohnung lebt, kann seine Wohnung gegen eine größere oder
       kleinere Wohnung tauschen, auch ohne dass die Quadratmeterpreise erhöht
       werden. Wer sich also verkleinert, würde dann in der Regel weniger Miete
       zahlen. Seit dem Jahre 2018 kam es aber nur in rund 600 Fällen zum
       Wohnungstausch mit dann 1.200 neuen Mietverträgen.
       
       Das Problem ist das Missverhältnis: Auf fünf Mietparteien, die eine zu
       kleine gegen eine große Wohnung tauschen wollen, kommt nur ein
       entsprechendes Angebot einer großen Wohnung von dann meist älteren
       Mieter:innen. Als die Wohnungsgesellschaft vor Jahren im Märkischen Viertel
       ältere Mieter:innen gezielt anschrieb und vorsichtig fragte, ob sie
       nicht vielleicht in eine kleinere Wohnung umziehen wollten, „war die
       Verunsicherung groß“, sagt Eberhardt. Die alten Leute befürchteten, aus
       ihren Wohnungen vertrieben zu werden.
       
       ## Psychologisch mit dem Wohnort verwachsen
       
       „Mit Sicherheit ist ein Umzug im höheren Lebensalter kein erwünschtes
       Szenario für geschätzt 90 Prozent der Älteren“, sagt Wahl. „Die Wohn- und
       Nachbarschaftsbindung ist hoch, nicht selten hat man 20 und mehr Jahre an
       diesem Ort verbracht. Man ist gewissermaßen psychologisch mit dem Wohnort
       verwachsen.“ Auch deswegen ist ein erzwungener Umzug, etwa durch eine
       Eigenbedarfskündigung, für Ältere eine Katastrophe. Ein notwendiger Umzug
       in ein Pflegeheim im hohen Alter gilt ohnehin als Schreckensszenario.
       
       Sich einfach eine Region auszusuchen, in die man mit Beginn des
       Rentenalters zieht, weil dort Wohnen und Lebenshaltungskosten günstig sind,
       entspricht nicht der Mentalität der meisten Ruheständler:innen in
       Deutschland. In den USA ist man flexibler, auch notgedrungen. In der
       Facebook-Gruppe „Retiring on a shoestring“ tauschen sich
       Ruheständler:innen, deren Geld knapp ist, darüber aus, wo und wie man in
       den späteren Jahren am besten leben könnte.
       
       „Moved from Michigan to Southeast Missouri. Cost of living is way better
       than in Michigan“, schreibt Cyndee. „Texas is marvelous. The roads, the
       weather, the people“, meint Gail. „You want to see high taxes, go to
       California, New Jersey, New York“, warnt Alexandra. „Alaska is starting to
       look good“, behauptet Jody.
       
       Ein riesiges Flächenland mit großen Klimaunterschieden wie die USA bietet
       mehr Ausweichmöglichkeiten. In Deutschland werden die Konflikte lokaler
       ausgetragen. „Der Ruhestand kann die existierende Ungleichheit bei den
       Wohnkosten zwischen Mietern und Eigentümern verstärken“, resümiert die
       Studie des DZA, publiziert über die [3][Universität Cambridge.]
       
       Denn während das Eigenheim im Alter oft abbezahlt ist, können steigende
       Wohn- und Heizkosten bei gleichbleibenden Renten die Altersarmut von
       Mieter:innen überhaupt erst hervorrufen. Und das macht Angst.
       
       14 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.prognos.com/de/projekt/regionale-rentenkaufkraft
 (DIR) [2] https://www.dza.de/detailansicht/der-uebergang-in-den-ruhestand-verstaerkt-die-belastung-durch-wohnkosten-miethaushalte-sind-besonders-davon-betroffen
 (DIR) [3] https://www.cambridge.org/core/journals/ageing-and-society/article/retirement-impact-on-housing-cost-burden-are-homeowners-better-off-than-tenants-after-retirement/C69CEFB478637AE1C5E88CA8CC951472
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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