# taz.de -- Zerschlagung von Wintershall Dea: 850 Mitarbeiter müssen gehen
       
       > BASF will nicht mehr: Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea wird
       > zerschlagen. 850 Mitarbeiter in Hamburg und Kassel verlieren dabei ihre
       > Jobs.
       
 (IMG) Bild: Das sieht man da bald nicht mehr: das Firmenlogo am Gebäude der Wintershall Dea GmbH in Hamburg
       
       Berlin taz/rtr | Wegen der Zerschlagung des [1][Öl- und Gaskonzerns
       Wintershall Dea] verlieren 850 Beschäftigte an den Unternehmenssitzen in
       Kassel und Hamburg ihre Jobs. Sie sind offenbar die Benachteiligten eines
       Deals zwischen dem Chemiekonzern BASF und dem britischen Ölkonzern Harbour
       Energy, der am Donnerstagabend bekannt wurde. Danach übernimmt Harbour die
       Produktions- und Entwicklungsaktivitäten sowie die Explorationsrechte von
       Wintershall Dea in Norwegen, Argentinien, Deutschland, Mexiko, Algerien,
       Libyen, Ägypten und Dänemark sowie Lizenzen zur Abscheidung und Speicherung
       von Kohlendioxid für insgesamt 11,2 Milliarden Dollar.
       
       BASF erhält für seinen Anteil von 72,7 Prozent an Wintershall Dea 1,56
       Milliarden Dollar sowie neue, von Harbour ausgegebene Aktien. Dadurch – und
       das ist wohl für BASF der Clou des Deals – wird der Ludwigshafener
       Dax-Konzern mit 39,6 Prozent Großaktionär des vergrößerten
       Harbour-Konzerns. Harbour Energy mit Sitz in London ist der größte
       britische Öl- und Gasproduzent. Er entstand 2021 aus einer Fusion zwischen
       Chrysaor und Premier Oil.
       
       Die ehemalige Dea-Eignerin Letter One, die 27,3 Prozent an Wintershall Dea
       hält, soll rund 590 Millionen Euro sowie neue Aktien im Volumen von 14,9
       Prozent an Harbour erhalten. Die Investorengruppe Letter One gehört dem
       russischen Milliardär Michail Fridman, der im Zuge des Kriegs in der
       Ukraine auf die EU-Sanktionsliste gesetzt worden war.
       
       Die Unternehmenssitze von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg sollen
       geschlossen werden. Harbour wolle einige Mitarbeitende übernehmen, hieß es
       in einer Mitteilung. Die Wintershall-Mitarbeiter sollten am Freitag in
       einer internen Veranstaltung vom Aufsichtsratsvorsitzenden von BASF,
       Hans-Ulrich Engel, und dem Vorstandsvorsitzenden der Wintershall Dea, Mario
       Mehren, informiert werden. „Für das Team von Wintershall Dea in Kassel und
       Hamburg und mich persönlich ist diese Nachricht, gerade so kurz vor
       Weihnachten, eine große Enttäuschung“, sagte Mehren laut der
       Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen.
       
       ## Kleine Belegschaft in Kassel könnte bleiben
       
       Wintershall könnte nach der Übernahme mit einer kleinen Belegschaft in
       Kassel weiterexistieren, schreibt die HNA. „Dass den Hauptverwaltungssitzen
       von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg die Schließung droht, ist für die
       Beschäftigten ein harter Schlag“, sagte Wintershall-Betriebsbetreuer
       Michael Winkler von der Gewerkschaft IG BCE der taz. „Für die IGBCE ist
       klar, dass BASF und Letter One in der sozialen Verantwortung für die von
       der Schließung betroffenen Menschen stehen. Gerade BASF ist das den
       Beschäftigten nach mehr als 50 Jahren als Wintershall-Eigentümer schuldig.“
       
       Für die Mitarbeiter von Wintershall Dea ist es ein weiterer Tiefschlag: Das
       Unternehmen hatte erst im September den Abbau von rund 500 seiner weltweit
       mehr als 2000 Stellen angekündigt, davon etwa 300 in Deutschland.
       
       BASF will sich schon seit Jahren aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückziehen.
       Die Pläne für einen Börsengang von Wintershall Dea wurden aber mehrmals
       verschoben – sei es wegen eines schwachen Marktumfelds oder auch wegen
       eines Zwists mit LetterOne – und letztlich vom Krieg in der Ukraine
       zunichtegemacht. Der Konzern entstand 2019 aus dem Zusammenschluss der
       BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea.
       
       Der Ludwigshafener Chemieriese sieht den Deal als „wichtigen Schritt“ bei
       dem geplanten Ausstieg. Der Anteil an dem kombinierten Unternehmen könne zu
       Geld gemacht werden, da Harbour an der Londoner Börse notiert sei. „Neben
       der Barkomponente bieten die Anteile an Harbour, die BASF beim Abschluss
       der Transaktion erhalten wird, deutliches Wertsteigerungspotenzial und
       ermöglichen über die nächsten Jahre einen schrittweisen und optimierten
       Ausstieg aus dem Öl- und Gasgeschäft“, sagte BASF-Finanzchef Dirk
       Elvermann.
       
       ## Russland-Geschäft von Putin beschlagnahmt
       
       BASF und Letter One bleiben formell noch Eigentümer des Geschäfts mit
       Russland-Bezug, das der russische Präsident [2][Wladimir Putin per
       Präsidialerlass allerdings beschlagnahmt] hat. Die rechtliche Trennung
       dieser Geschäfte, zu denen neben Gemeinschaftsunternehmen auch
       Beteiligungen in Libyen, den Niederlanden und an der Gaspipeline Nord
       Stream gehören, gehe wie geplant voran, [3][teilte BASF mit]. Nicht Teil
       des Verkaufs an Harbour ist der Anteil von Wintershall Dea an der
       Gasnetzgesellschaft Wiga. Diese ist ein Gemeinschaftsunternehmen von
       Wintershall Dea und der staatlichen Energiefirma Sefe, die ehemalige
       Gazprom Germania. Wintershall wolle ihren Wiga-Anteil weiterhin separat
       verkaufen, hieß es.
       
       Die Transaktion mit Harbour Energy muss noch von den Wettbewerbsbehörden
       genehmigt werden, der Abschluss ist für das vierte Quartal 2024 geplant. Im
       ersten Halbjahr 2023 erzielte das kombinierte Geschäft den Angaben zufolge
       einen Pro-forma-Umsatz von 5,1 Milliarden Dollar und ein operatives
       Ergebnis von 3,7 Milliarden Dollar. Insgesamt beliefen sich die
       Produktionsmengen von Harbour und Wintershall Dea im ersten Halbjahr 2023
       auf 513 Tausend Barrel Öläquivalent pro Tag – das ist etwa so viel wie in
       Aserbaidschan gefördert wird. [4][Das Land ist weltweit im Ranking auf
       Nummer 28 der erdölfördernden Länder.] Wintershall Dea alleine war im
       dritten Quartal mit mehr als einer halben Milliarde Euro in die roten
       Zahlen gerutscht, vor allem wegen Restrukturierungskosten und
       Wertberichtigungen.
       
       22 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gaskonzern-Wintershall-Dea/!5916447
 (DIR) [2] /Putin-gegen-westliche-Firmen/!5981071
 (DIR) [3] https://www.basf.com/global/de/media/news-releases/2023/12/p-23-384.html
 (DIR) [4] https://www.atanango.com/laendervergleich/hoechste-oelproduktion
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Erdgas
 (DIR) Ölförderung
 (DIR) GNS
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Österreich
 (DIR) Weltklimakonferenz
 (DIR) Ölindustrie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) NS-Dokumentationszentrum Hamburg: Investor will NS-Gedenken steuerlich absetzen
       
       Das NS-Dokuzentrum am Hannoverschen Bahnhof in Hamburg sollte 2026 fertig
       werden. Nun kommt raus: Die Planungen sind wegen des Investors gestoppt.
       
 (DIR) Putin gegen westliche Firmen: Gasfeld-Beteiligungen beschlagnahmt
       
       Anteile ausländischer Firmen sollen ab 2024 an russische Unternehmen gehen.
       Können die Teileigentümer OMV und Wintershall Dea dagegen vorgehen?
       
 (DIR) Studie zu Fossilkonzernen: Tödliche Emissionen
       
       Durch die Treibhausgase von Öl- und Gasunternehmen wie Shell steigt die
       durchschnittliche Temperatur. Greenpeace hat berechnet, wie tödlich das
       ist.
       
 (DIR) Investition der Ölkonzerne: Ölmultis wollen fossil bleiben
       
       Eine Studie zeigt, dass europäische Ölkonzerne ihre Gewinne kaum in
       erneuerbare Energie investieren. Stattdessen geht der Ertrag in fossile
       Energien.