# taz.de -- Unabhängigkeitskämpfer Patrice Lumumba: Darf Kakao mit Alk Lumumba heißen?
       
       > Patrice Lumumba war der wichtigste kongolesische Unabhängigkeitskämpfer –
       > und wurde darum erschossen. In Deutschland heißt Kakao mit Schuss so wie
       > er.
       
 (IMG) Bild: Patrice Émery Lumumba: Vorkämpfer der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung
       
       ## Ja, bitte
       
       Aus Pietätsgründen kann man „Kakao mit Schuss“ für unappetitlich halten.
       Aber ein Getränk [1][Lumumba] zu nennen, ist im besten Sinne aufklärerisch.
       Unter Afrikawissenschaftlerinnen, Betreibern von Eine-Welt-Läden und
       Arte-Spätprogramm-Abonnenten ist der 1961 erschossene sozialistische
       Präsident des Kongo (heute Demokratische Republik Kongo) [2][eine Legende],
       für den Rest ein Unbekannter. Warum also nicht an jemanden erinnern, der
       unter internationalistischen Linken mal so bekannt war wie Che Guevara.
       Zumal völlig ungeklärt ist, wer dieses Getränk so nannte: belgische
       Rassisten beim Feiern ihrer Mörder oder französische Salonkommunisten beim
       Après-Ski?
       
       Als rassistisch wird „Lumumba“ heute empfunden, weil es, wie die Initiative
       Schwarzer Menschen in Deutschland anprangert, Schwarze „auf ein Getränk
       reduziert“. Die meisten Menschen, die einen Lumumba trinken, werden aber
       gar nicht wissen, dass der Name keine Spaß-Kreation wie Hubba Bubba ist,
       sondern zu einem echten Menschen gehört. Daher ist zumindest aktiver
       Rassismus ausgeschlossen.
       
       Auch die Historikerin Annalena Schmidt, die Lumumba als rassistisch labelte
       und damit eine Debatte lostrat, sagte im Nachhinein, sie habe einfach nur
       mehr Menschen darüber informieren wollen, wer Lumumba war. Fair enough.
       Durch die Empörung, die sie mit dem falschen Rassismus-Vorwurf auslöste,
       dürfte der Hintergrund des Namens jetzt zum ersten Mal auf vielen
       Weihnachtsmärkten diskutiert werden. Gut so.
       
       Falls Sie noch nach weiteren zu Getränken reduzierten historischen
       Persönlichkeiten suchen, über die Sie an den Feiertagen diskutieren können,
       trinken Sie doch einen Mussolini. So heißt in Kroatien das Mischgetränk aus
       Rotwein und Cola. Das in Spanien unter dem Namen Calimocho bekannte Zeug
       wird in Deutschland übrigens gern auch mal „kalte Muschi“ genannt.
       
       PS: Wenn Sie damit durch sind, können Sie aufs Allgemeine gehen und das
       Signifikat hinter den Bezeichnungen der blassen, in Pelle gepressten
       Fleischabfälle zu sprechen kommen: die Wiener, Frankfurter, Thüringer und
       natürlich die Vielfachstereotypisierung der Pariser.
       
       Doris Akrap 
       
       ## Auf keinen Fall
       
       In der Zeichentrickversion der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens
       sind es die Geister, die dem Hauptcharakter Ebenezer Scrooge ins Gewissen
       reden. Der US-Film spukt ausdauernd im Adventsprogramm umher, erinnert uns
       an menschliche Werte. Der „Geist“ steht dabei oft für das Verdrängte, er
       ist ein Schatten, der uns zum Erinnern zwingt, der Abgründe öffnet:
       Abgründe wie heiße Schokoladengetränke auf dem Weihnachtsmarkt, Kakao mit
       Schuss, „Lumumba“ eben.
       
       [3][Patrice Émery Lumumba war ein kongolesischer Unabhängigkeitskämpfer.]
       Er spielte eine tragende Rolle in der Befreiungsbewegung Kongos (heute
       Demokratische Republik Kongo) von der belgischen Kolonialherrschaft.
       Lumumba wurde am 17. Januar 1961 im Beisein belgischer Offiziere und
       Beamter ermordet. Für viele ist er bis heute eine Symbolfigur des
       antiimperialistischen Kampfs in Afrika. In Deutschland erinnern wir an
       Lumumbas Ermordung mit einem Schluck Rum im Kakao auf dem Weihnachtsmarkt.
       Es gibt wohl nichts Entwürdigenderes, als sich von einer kongolesischen
       Legende zu einem konsumierbaren, importierten Produkt auf dem christlichen
       Weihnachtsmarkt zu verwandeln. Und wer jetzt mit dem Argument der
       Erinnerungskultur und Aufklärung kommt, sollte sich die Frage stellen,
       wieso wir Schwarzen Linken nur dann gedenken und Platz verschaffen können,
       wenn sie als billige Brühe in unseren Weihnachtsmarkt-Bechern erscheinen.
       
       Seit über einem Monat schwirrt der Hashtag „#SilentGenocide“ durch Social
       Media. Er verweist auf das Schweigen westlicher Medien zu den
       [4][Massenmorden und dem Kampf um Ressourcen im Kongo.] Für Deutschland ist
       die DR Kongo einer der zehn wichtigsten [5][Rohstofflieferanten]. Während
       UN-Expert*innen von einem Genozid an der kongolesischen Bevölkerung
       sprechen, stoßen Deutsche mit brauner Grütze an, die den Namen des
       kongolesischen Unabhängigkeitskämpfers trägt. Dass Schwarze Geschichte
       verdinglicht und konsumierbar werden muss, um in irgendeinem deutschen Raum
       zu erscheinen, sagt mehr als genug. Wie es der Kakao überhaupt aus den
       Regenwäldern Südamerikas auf unsere Weihnachtsmärkte geschafft hat, wäre
       eine andere, nicht minder erschütternde (Weihnachts-)Geschichte.
       
       Leyli Nouri
       
       8 Dec 2023
       
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