# taz.de -- Mieterhöhungen bei den Landeseigenen: Der Aufstand der Mieterräte
       
       > Mieter der kommunalen Wohnungsfirmen protestieren gegen Mieterhöhungen.
       > Der Senat hatte mit einer neuen Kooperationsvereinbarung soziale
       > Verpflichtungen abgeschafft.
       
 (IMG) Bild: Am Kotti wurden große Bestände privater Konzerne rekommunalisiert – Mieterhöhungen drohen jetzt trotzdem
       
       Berlin taz | Am Ende will Alfons Schröder dann auch noch mal etwas zur
       politischen Verantwortlichkeit sagen. Der ältere Herr, faltenfreies
       hellblaues Hemd, dicke Brille, weißhaariger Scheitel, stellt sich als
       Mieterinteressensvertreter aus dem Quartier Bülowstraße-Ost von der Gewobag
       vor und sagt: „Ich denke mal, dass sich hier die Politik der SPD
       durchgesetzt hat – das sollten wir nicht unter den Tisch fallen lassen.“
       Für die nächste Wahl „sollten die Wähler überlegen, wen sie wählen“.
       
       Am Mittwoch haben sich Schröder und ein gutes Dutzend weitere Mieterräte
       der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen erstmals mit einer
       Pressekonferenz gemeinsam an die Öffentlichkeit gewandt. Der Grund: Der
       schwarz-rote Senat hat kurzen Prozess mit dem [1][Hauch von sozialer
       Wohnraumversorgung] gemacht, der von vorherigen Landesregierungen infolge
       des Mietenvolksentscheids 2015 als Kompromiss in einer sogenannten
       „Kooperationsvereinbarung“ geschaffen wurde.
       
       Hinter dem sperrigen Wort verbergen sich von unten erkämpfte soziale
       Verpflichtungen, die angesichts von Mietsteigerungen und Verdrängung seit
       2017 zumindest für die kommunalen Wohnungsunternehmen gelten sollten – und
       zwar unbefristet: Unter anderem Preisdeckelungen bei Neuvermietungen,
       eingeschränkte Mieterhöhungen, Sozialquoten und begrenzte Möglichkeiten zur
       Umlage von Modernisierungen.
       
       Viele der direktdemokratischen Errungenschaften hat Schwarz-Rot im
       September mit einer [2][neuen Kooperationsvereinbarung kurzerhand
       abgeräumt]: Ab dem 1. Januar 2024 ermöglicht die Vereinbarung
       Mieterhöhungen von 11 Prozent in drei Jahren, 15 Euro pro Quadratmeter bei
       Erstvermietung sowie eine um 2 Euro pro Quadratmeter gesteigerte
       Modernisierungsumlage. Auch der Kündigungsschutz bei Energieschulden und
       der nach dem gescheiterten Mietendeckel eingeführte Mietendimmer, der
       Mieten senken und Erhöhungen bis 2025 begrenzen sollte, wurde gestrichen.
       Der Mieterverein sprach von einem „sozialen Kahlschlag“ und einem „Geschenk
       an die Wohnungsunternehmen“.
       
       ## „Die Wut ist groß“
       
       Vielen Mieter*innen sei in den vergangenen Wochen schmerzlich bewusst
       geworden, was sich hinter dem technischen Begriff
       „Kooperationsvereinbarung“ für sie praktisch verbirgt, sagt Gertrud Küttner
       vom Mieterrat Howoge: nämlich Mieterhöhungen. Viele davon sind bereits bei
       den Bewohner*innen angekommen, weitere sollen folgen.
       
       Bis zu 11 Prozent sind es laut Mieterverein zumeist. Bei denjenigen, deren
       Kosten mit dem Mietendeckel gesenkt wurden, können es gar bis zu 44 Prozent
       auf einmal sein, wie Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des
       Mietervereins, ausführt. Sie kritisiert, dass die alte Vereinbarung
       Mieter*innen geschützt und mietendämpfend auf die gesamte Stadt gewirkt
       habe, weil sie auch den Mietspiegel positiv beeinflusse. An dem orientieren
       sich auch private Vermieter.
       
       Bei Problemen habe sonst immer das direkte Gespräch mit den Vermietern
       gesucht, sagt Mieterrätin Küttner. Angesichts des gewaltigen
       Richtungswechsels der Landeseigenen mit ihren 340.000 Wohnungen hätten sich
       die Mieterräte der verschiedenen Wohnungsunternehmen nun aber dazu
       entschlossen, zusammenzuarbeiten. „Die Wut ist groß“, sagt auch Heike
       Kasten Nkongolo von Stadt und Land. „Sie wird nicht geringer, wenn man die
       Mieter in die Gespräche zur neuen Vereinbarung nicht einbindet.
       
       Die Mieterräte, die in Berlin nach eigenen Angaben rund eine Million Mieter
       repräsentieren, fordern ebenso wie der Mieterverein die alte
       Kooperationsvereinbarung zurück. Genauer: Rückkehr zur Begrenzung der
       Mieterhöhungen nach der alten Kooperationsvereinbarung, einen fünfjährigen
       Mietenstopp bei Neubauten, die Absenkung der Modernisierungsumlage,
       Mitbestimmungsrechte und alternative Finanzierungsmodelle für Neubau.
       
       ## Petition gegen Erhöhungen
       
       Über ihre Forderungen hinaus haben die Mieterbeiräte verschiedener
       Großsiedlungen noch einen offenen Brief an Bausenator Christian Gaebler
       (SPD), Finanzsenator Stefan Evers (CDU) und die Vorstände der sechs
       landeseigenen Wohnungsunternehmen geschrieben. Angesichts von Inflation
       ohne Lohnausgleich, hohen Betriebskostenabrechnungen und abgeschaffter
       Energiepreisbremse sei dies „eindeutig keine Zeit für Mieterhöhungen durch
       landeseigene Wohnungsunternehmen“, heißt es im Brief, aus dem man aufgrund
       des großen Zuspruchs kurzerhand [3][eine Petition] gemacht habe.
       
       Der Senat findet das alles halb so wild. „Die Kritik des Mietervereins ist
       vollkommen überzogen“, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Bauverwaltung von
       Gaebler. Zwei Drittel der Bestände seien nicht von Erhöhungen betroffen,
       zudem gebe es ja „das Leistbarkeitsversprechen“, nach dem die
       Nettokaltmiete nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens
       entsprechen dürfe – Mieter*innen könnten eine Absenkung beantragen.
       
       Mieterrätin Küttner hält dagegen, dass sich die Grenze nur auf die
       Kaltmiete beziehe, die stark gestiegenen Betriebskosten würden nicht
       einbezogen. Daniela Hirsch aus dem Südblock ergänzt, dass man den Anspruch
       unter erheblichem bürokratischen Aufwand jährlich neu nachweisen müsse:
       „Zudem muss man sein Einkommen dem Vermieter offen legen – das ist auch
       nicht gerade ein Feel-Good-Moment.“
       
       Hamann-Onnertz vom Mieterverein zog zu aller letzt dann noch einen
       schmerzlichen Vergleich. Denn sogar München nämlich habe gerade einen
       [4][Mietenstopp für städtische Wohnungen] bis 2026 verlängert.
       Hamann-Onnertz fragte: „Warum kann Berlin nicht das, was München kann?“.
       Zuständig dafür war in München übrigens die SPD.
       
       20 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2023/me-single/article/zurueck-zum-markt/
 (DIR) [2] /Landeseigene-Wohnungsbaugesellschaften/!5959618
 (DIR) [3] https://www.change.org/p/keine-mieterh%C3%B6hungen-zu-weihnachten-unsoziale-koopv-von-senat-und-lwus-stoppen?recruiter=32692350&recruited_by_id=50d4b980-d0c1-012f-5fa0-4040f855b16c&utm_source=share_petition&utm_campaign=share_petition&utm_term=1687d6f3886842e78012d0fa0e98f4bc&utm_medium=copylink&utm_content=cl_sharecopy_37801299_de-DE%3A1
 (DIR) [4] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-politik-mietenstopp-gewofag-gwg-2026-1.6314096?reduced=true
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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