# taz.de -- Bundesweite Razzien gegen Rechtsextreme: Ende der Reichsbürgerfantasien
       
       > Der Reichsbürger Johannes M. drohte Behörden und scharte Gleichgesinnte
       > um sich. Nun durchsuchte die Polizei 20 Wohnungen seiner Anhänger.
       
 (IMG) Bild: In acht Bundesländern kam es mit rund 280 Einsatzkräften zu Razzien gegen „Reichsbürger“
       
       Berlin taz | Seit Jahren verbreitet Johannes M. aus dem bayerischen Olching
       krudeste Verschwörungstheorien via Telegram, sieht sich als Teil einer
       „Exterritorialen Kommune der Alliierten Streitkräfte in Oberbayern“, droht
       Behörden und Polizei. Bereits im November 2021 wurde der 58-jährige
       Reichsbürger deshalb verhaftet. Am Donnerstag nun legte die
       Generalstaatsanwaltschaft München nach und ließ auch die Wohnungen von 20
       Gleichgesinnten aus seinem Umfeld bundesweit durchsuchen.
       
       Den Durchsuchten, 25 bis 74 Jahre alt, wird die Bildung einer kriminellen
       Vereinigung vorgeworfen. Schwerpunkt der Razzien war
       [1][Baden-Württemberg], wo zehn Objekte betroffen waren. In Bayern selbst
       waren es 2 Immobilien, in Kempten und Rosenheim. Daneben gab es
       Durchsuchungen in Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen,
       Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Beschlagnahmt wurde dabei neben
       Computern und Handys auch eine Schreckschusswaffe und Reizstoffgeräte. Im
       Einsatz waren 280 Polizeikräfte.
       
       Laut Generalstaatsanwaltschaft hatten die Betroffenen versucht, durch
       „gezielte, massenhafte Kontaktaufnahme“ mit Behörden deren
       Kommunikationswege zu blockieren und rechtswidrig Einfluss auf deren
       Entscheidungen zu nehmen. Ziel sei es letztlich gewesen, staatliches
       Handeln zu erschweren oder zu verhindern. Gesprächspartner seien dabei
       beleidigt oder bezichtigt worden, Menschenrechts- und Kriegsverbrechen zu
       begehen. Teilweise seien sie mit dem Tode bedroht worden. Es ist das
       klassische Vorgehen der Reichsbürgerszene.
       
       Seit Anfang 2021 habe man entsprechende Telegram-Kanäle um Johannes M. im
       Blick gehabt, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft. Johannes M. habe
       dabei Aufrufe gestartet, via massenhafter E-Mails oder Anrufe Behörden zu
       kontaktieren, um „Opfern“ aus seiner Szene zu helfen, die der Staat
       angeblich drangsaliere. Die Behörden sollten so gezwungen werden, ihre
       Entscheidungen zurückzunehmen oder zu ändern.
       
       ## Massive Beleidigung und Bedrohung
       
       Nach seiner Festnahme im November 2021 war Johannes M. zunächst in der
       Psychiatrie untergebracht worden. Zuvor hatte er in einem Video erklärt,
       Polizisten dürften laut Kriegs- und Völkerrecht „standrechtlich erschossen“
       werden. Nach Vorlage eines Gutachten erklärte das Gericht Johannes M.
       später aber doch für schuldfähig, er wurde aus der Psychiatrie entlassen
       und haftverschont. Im April 2022 wurde dann Anklage gegen M. wegen Bildung
       einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung und Nötigung vor dem
       Landgericht München erhoben. Bis zuletzt war Johannes M. auf freiem Fuß. Im
       Zuge der Ermittlungen waren Polizei und Staatsanwaltschaft aber auf weitere
       mutmaßliche Mitglieder gestoßen.
       
       Die Beiträge in den Telegramgruppen um Johannes M. waren typisch für die
       Reichsbürgerszene: Die Bundesrepublik wurde dort als illegal bezeichnet.
       Deutschland sei bis heute von den Alliierten besetzt, deren real längst
       aufgelöste „Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force“ (SHAEF)
       weiter das Sagen hätten. Auch befänden sich die „deutschen Völker“ in einem
       fortgesetzten Krieg, der Widerstand legitimiere. Staatliche Maßnahmen wie
       Zwangsvollstreckungen seien „Plünderungen“.
       
       Immer wieder verkündete Johannes M. auch „Todesurteile“ gegen Behörden oder
       Politiker wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Johannes M.
       verwendete auch christliche Bezüge, nannte seine Telegramgruppe einen
       „Kanal Gottes“ und sinnierte über den Aufbau [2][eines alternativen
       Siedlungsprojekts], dem „Giraffenland“. Und er erzielte damit einige
       Reichweite: Seinem zentralen Telegramkanal folgten 22.000 Nutzer*innen.
       
       Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte zu der Gruppe um
       Johannes M., zwar sei es nicht zu konkreten Übergriffen gekommen, aber die
       Gruppe habe „im großen Stil bundesweit staatliche Einrichtungen beleidigt
       und teilweise massiv bedroht“. Reichsbürger könnten nicht nur skurrile
       Spinner, sondern auch gefährliche Straftäter sein. Deshalb müsse man
       einschreiten, bevor es zu weiteren Eskalationen komme.
       
       In Bayern werden aktuell 5.549 Personen der Reichsbürgerszene zugerechnet –
       189 mehr als 2022. 470 von ihnen wird ein „besonders aggressives Auftreten“
       attestiert, 450 gelten [3][als gewaltorientiert]. Bundesweit rechnet der
       Verfassungsschutz der Reichsbürgerszene 23.000 Menschen zu, zuletzt auch
       hier ein Anstieg um 2.000.
       
       Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) forderte auch, Telegram noch
       stärker zu kontrollieren, wo die Reichsbürgergruppe hauptsächlich aktiv
       war. Hierfür hatte sich zuletzt auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser
       (SPD) eingesetzt – mit durchwachsenem Erfolg.
       
       Aktualisiert am 24.11.2023 um 13:47 Uhr. d. R.
       
       23 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Reichsbuerger-in-Deutschland/!5921271
 (DIR) [2] /Rechte-Esoterik-auf-dem-Land/!5972380
 (DIR) [3] /Reichsbuerger-in-Deutschland/!5921271
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Reichsbürger
 (DIR) Bayern
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Verschwörungsmythen und Corona
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Verschwörungsmythen und Corona
 (DIR) taz-Serie: Die Reichsbürger
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Reichsbürger
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Experte über Razzia bei Reichsbürgern: „Ein religiöser QAnon-Kult“
       
       Reichsbürger um Johannes M. sendeten Todesdrohungen an Ärzte und Behörden.
       Die Truppe mischt QAnon-Ideologie mit christlichem Fundamentalismus.
       
 (DIR) Nach Razzien bei Reichsbürgern: Die Szene ist unbeeindruckt
       
       Auf Telegram tummelt sich eine Szene von knapp 23.000 Reichsbürgern, ein
       Zehntel davon gewaltbereit. Dort müssen sie jetzt unter Druck gesetzt
       werden.
       
 (DIR) Rechte Esoterik auf dem Land: Reichsbürger sucht Dorf
       
       In der rheinland-pfälzischen Provinz entstehen immer mehr Treffpunkte
       rechter Selbstverwalter*innen. Nicht alle Gemeinden können damit umgehen.
       
 (DIR) Urteil im Boxberg-Prozess: Reichsbürger kriegt 14 Jahre Haft
       
       Die Polizei überraschte er 2022 mit einem Kugelhagel auf seinem Hof in
       Boxberg. Der Reichsbürger aus Baden-Württemberg hortete Waffen und
       Munition.
       
 (DIR) Linken-Anfrage zu Rechtsextremismus: Rechtsterroristen legal bewaffnet
       
       Die Reichsbürgergruppe um Heinrich Prinz Reuß besaß mindestens 62 Waffen
       legal. Sie planten, den Bundestag gewaltsam zu stürzen.