# taz.de -- Pakistan setzt Taliban unter Druck: Afghanen ohne Papiere müssen gehen
       
       > Nach einem Ultimatum Islamabads droht jetzt 1,5 Millionen afghanischen
       > Flüchtlingen die Abschiebung. 200.000 sind bereits ausgereist.
       
 (IMG) Bild: Tausende Afghan:innen müssen Pakistan verlassen
       
       Berlin taz | Ab diesem Mittwoch wollen Pakistans Behörden Hunderttausende
       Flüchtlinge ohne gültige Aufenthaltspapiere nach Afghanistan abschieben.
       Ein entsprechendes Ultimatum hatte die Interimsregierung in Islamabad am 3.
       Oktober verkündet.
       
       Ihren Angaben zufolge leben 4,4 Millionen Afghan*innen in Pakistan,
       davon 1,7 Millionen illegal. Von Letzteren seien im Oktober schon 200.000
       ausgereist. Laut einer Umfrage der UN-Organisationen UNHCR und IOM hatten
       87 Prozent als Grund Angst vor einer Festnahme in Pakistan angegeben.
       
       Die Abschiebungen sollen über neu eingerichtete Haftzentren in mehreren
       Phasen erfolgen. Begonnen werden soll mit denjenigen, die gar keine Papiere
       besitzen und bisher eben nicht „freiwillig“ ausgereist seien.
       
       Pakistans Interimsinnenminister Sarfaraz Bugti hat eine humane Behandlung
       der Flüchtlinge in den Abschiebezentren zugesagt, aber auch kategorisch
       erklärt, dass es weder Ausnahmen noch Verschiebungen geben werde.
       
       ## „Keine Kompromisse mehr“
       
       „Nach dem 1. November machen wir keine Kompromisse mehr“, sagte er. Bugti
       drohte Arbeitgebern und Vermietern von illegal im Land befindlichen
       Afghan*innen mit Strafen und forderte sogar zu Denunziationen auf.
       
       Die Abschiebekampagne wird von UN-Organisationen, Menschenrechtsgruppen,
       der pakistanischen Friedensnobelpreisträgerin [1][Malala Yousafzai] und dem
       afghanischen Taliban-Regime kritisiert. In Pakistan lebende Afghan*innen
       berichteten [2][Human Rights Watch] schon von Festnahmen und schikanösen
       Razzien, bei denen sie zum Teil geschlagen oder auch hohe Schmiergelder
       verlangt wurden.
       
       Pakistan ist seit vier Jahrzehnten Hauptaufnahmeland von Flüchtlingen. Die
       jetzt anstehenden Abschiebungen sollen der Sicherheit dienen. [3][Von 24
       Selbstmordattentaten in diesem Jahr seien laut Bugti 14 von Afghanen verübt
       worden.] Das Ultimatum wurde verkündet, nachdem am 29. September zwei von
       Afghanen verübte Selbstmordattentate 70 Tote gefordert hatten.
       
       Die Regierung behauptet, die Maßnahmen richteten sich gegen alle
       „Illegalen“ und nicht speziell gegen Afghan*innen. Diese sind aber die mit
       Abstand größte Flüchtlingsgruppe. Sie kamen in mehreren Phasen über die
       2.500 Kilometer lange, kaum zu kontrollierende gemeinsame Grenze, beginnend
       mit der Afghanistan-Invasion der Sowjets 1979 und zuletzt nach dem
       Taliban-Sieg 2021.
       
       ## Spannungen zwischen Islamabad und Kabul
       
       Die angekündigten Abschiebungen deuten auf das stark verschlechterte
       Verhältnis zur Taliban-Regierung in Kabul. Jahrelang hat Pakistan in einem
       Doppelspiel gegenüber dem Westen der afghanischen Talibanführung selbst
       Unterschlupf gewährt und ihr so Terrorangriffe in Afghanistan erleichtert.
       
       Diese Praxis wirft Pakistan jetzt umgekehrt Afghanistans Taliban vor. Laut
       Islamabad würden die pakistanischen Taliban (TTP), die trotz ideologischer
       Nähe von den afghanischen Taliban organisatorische getrennt sind, von
       diesen in Afghanistan geschützt. Islamabad wirft der TTP die Verantwortung
       für viele Anschläge in Pakistan vor, welche die Terrororganisation zum Teil
       auch für sich reklamiert.
       
       Die angekündigten Abschiebungen erhöhen den Druck auf das Regime in Kabul.
       Das verweigert nicht die Rücknahme der Flüchtlinge, sondern verspricht
       ihnen sogar mit Lebensmitteln und provisorischen Unterkünften zu helfen.
       Dabei scheitern die Taliban schon jetzt daran, ihre Bevölkerung zu
       versorgen.
       
       Afghanistan ist seit dem Sturz der Nato-gestützten Regierung in einer
       schweren Wirtschaftskrise. [4][Zwei Drittel der Bevölkerung benötigen
       humanitäre Hilfe.]
       
       ## Flüchtlingen droht in Afghanistan Not und Verfolgung
       
       Die Rückkehr Hunderttausender Flüchtlinge stürzt diese in Afghanistan nicht
       nur in Existenznot, sondern auch in politische Risiken. Denn in Pakistan
       leben 600.000 Afghan*innen, die nach der Machtübernahme der Taliban vor
       diesen geflohen sind. Viele kamen mit gültigen Visa, um nach Aufforderungen
       der USA, Großbritanniens, Kanadas oder Deutschlands bei deren Botschaften
       in Islamabad Visa für die Weiterreise zu beantragen, weil sie keine
       Vertretungen in Kabul mehr haben.
       
       Rechneten die Flüchtlinge mit Aufenthalten in Pakistan von wenigen Wochen,
       warten viele jetzt schon über ein Jahr. Ihre Pakistan-Visa sind inzwischen
       abgelaufen. Die britische Regierung hat jetzt [5][laut BBC] Flugzeuge
       gechartert, um ehemalige afghanische Ortskräfte samt ihren Familien,
       insgesamt 3.250 Personen, nach Großbritannien auszufliegen.
       
       Das Auswärtige Amt (AA) in Berlin erklärte auf Anfrage der taz, es sei „in
       engem Austausch mit den pakistanischen Behörden zu den besonders
       gefährdeten Afghaninnen und Afghanen“, die sich in Pakistan aufhielten. Man
       arbeite an Lösungen für die betroffenen Personen „aus dem
       Bundesaufnahmeprogramm, die wir bei ihrer Ausreise aus Pakistan
       unterstützen“.
       
       Die deutsche Botschaft in Islamabad gilt jedoch als überlastet, worauf auch
       extrem lange Wartezeiten hindeuten. Und das [6][Bundesaufnahmeprogramm],
       das besonders gefährdeten Afghan*innen helfen soll, erwies sich bisher
       im Unterschied zu anderen Maßnahmen als sehr ineffektiv. Denn von den rund
       600 Personen, die bisher in das Programm aufgenommen wurden, sind laut
       Innenministerium überhaupt erst 13 Personen nach Deutschland eingereist.
       
       1 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dw.com/en/afghans-leave-pakistan-in-droves-before-deportation-deadline/a-67245596?maca=en-rss-en-asia-5133-rdf
 (DIR) [2] https://www.hrw.org/news/2023/10/31/pakistan-afghans-detained-face-deportation
 (DIR) [3] /Pakistans-Kurswechsel-gegen-Fluechtlinge/!5962375
 (DIR) [4] /Humanitaere-Krise-in-Afghanistan/!5955200
 (DIR) [5] https://www.bbc.com/news/world-asia-67222234
 (DIR) [6] /Flucht-aus-Afghanistan/!5949936
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
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