# taz.de -- Neues Album von HipHop-Duo Armand Hammer: „Siri, wie werde ich sterben?“​
       
       > Das HipHop-Duo Armand Hammer mischt auf dem Album „We buy Diabetic Test
       > Strips“ Hiobsbotschaften vom Ende der Gesellschaft mit fiesem
       > Soulsampling.
       
 (IMG) Bild: Schwarzmarkt und SciFi-Beats: Armand Hammer aus New York
       
       Der Alltag ist ein ständiger Kampf. Das US-HipHop-Duo Armand Hammer
       leuchtet auch auf seinem neuen Album schonungslos die Stromschnellen in
       diesem gesellschaftlichen Strudel aus. „We Buy Diabetic Test Strips“ heißt
       die Sammlung von 15 Songs der beiden Rapper Elucid und [1][Billy Woods].
       Diese beide Fixsterne des Underground-HipHop sorgen seit Jahren mit
       musikalisch innovativen und lyrisch anspruchsvollen Reimen für Dynamik und
       Druck.
       
       Ihr Albumtitel spielt auf den Schwarzmarkt für Diabetes-Tests in den USA
       an. Menschen, die krankenversichert sind, bekommen jene Teststreifen auf
       Rezept. Wer sie nicht selbst verbraucht, darf sie weiterverkaufen. Abnehmer
       gibt es genug – Menschen ohne Krankenversicherung, die sich die
       Apotheken-Mondpreise der Tests nicht leisten können. So hat sich ein
       gewaltiger Zweitmarkt entwickelt, auf dem professionelle Reseller enorme
       Gewinne einstreichen.
       
       Willkommen in der Welt von Armand Hammer, einem Schattenreich der extremen
       Ungleichheit, brutaler sozialer Konflikte, der Hoffnungs- und – wenigstens
       scheinbarer – Ausweglosigkeit. Die Reime des Rapduos sind voll von solchen
       – oft nur einzeiligen – Anspielungen auf komplexe soziale Verwerfungen.
       Das macht die Songtexte zu einem lakonischen Konzentrat von
       Alltagsbeschreibungen Schwarzen Lebens in den USA. „Life is basically
       tomorrow’s breakfast“, erklärt Billy Woods gleich im Auftakt „Landlines“.
       
       Und er zeigt, lakonisch, was Sache ist. Wie es sein sollte, das ist nicht
       das Thema von Armand Hammer. Wen kratzen schon globale Krisen wie der
       Klimawandel oder die wieder aufkeimende Furcht vor einem Atomkrieg, wenn
       schon das engste Umfeld durch soziale Kälte bestimmt ist: „Earth getting
       warmer, we going the other“, rappt Elucid in „Total Recall“. Alles wie
       gehabt – der Überlebenskampf verdrängt jede Form von Mitgefühl.
       
       ## Die Flöte geht gut ab
       
       Dazu spielt der britische Jazzmusiker Shabaka Hutchings, bekannt als
       Mastermind der Band Sons of Kemet, Flöte. Die Live-Instrumentierung ist ein
       Novum für Armand Hammer – und sie funktioniert besonders gut. Im
       Begleittext zum Album heißt es, Jamsessions mit Hutchings und anderen
       Künstler:Innen im vergangenen Jahr seien die Basis für die Songs
       gewesen.
       
       Anders als beim sehr homogenen Vorgänger „Haram“ (2021), das Armand Hammer
       allein mit dem Produzenten The Alchemist eingespielt hatten, tätigten
       Elucid und Billy Woods diesmal Party-Sessions mit dem Who’s Who des
       US-Underground-HipHop. Als Produzenten holten sie sich etwa Jpegmafia,
       EL-P, Kenny Segal und DJ Haram. Hinzu kamen MCs wie Cavalier, Junglepussy,
       die Elektronikproduzentin Moor Mother und Pink Siifu.
       
       Dadurch klingt die Musik wie ein sehr gutes Mixtape, sie überzeugt durch
       ihre Dramaturgie.Das erste Drittel dominiert Jpegmafia. Nach dem Auftakt
       „Landlines“, der den Charakter einer Ouvertüre, hat, folgt „Woke Up And
       Asked Siri How I Am Gonna Die“. Fast klingt es wie entspannte Lounge-Musik,
       wenn nicht abrupt eingestreute Soundsamples immer wieder aufhorchen ließen.
       Spuren von Gitarrenfeedback, Vibraphon und [2][Sounds, die einem 60er-Jahre
       Scifi-B-Movie] entnommen sein könnten, gepaart mit einem straighten Beat
       machen „When It Doesn’t Start With A Kiss“ zum ersten Highlight.
       
       Mit viel Lärm untermalt Dj Haram den punkigen Rap von Pink Siifu in „Trauma
       Mic“. Im Kontrast dazu sorgt dann auf halber Strecke des Albums Produzent
       El-P (von Run The Jewels) mit rollenden Beats in „The Gods Must Be Crazy“
       für Tanzflächentauglichkeit. Der eingängigste Track des Albums.
       
       Die Flöte von Shabaka Hutchings und noisy Dubbeats von Will Green umnebeln
       den Rap von Junglepussy: „I got nothing to prove / Dressed up for me / I
       ain’t here to impress these dudes“ reimt sie auf „Empire BLVD“.
       
       In den letzten Stücken konterkarieren Seb Bash, Black Noi$e und Jeff Markey
       mit sanften Jazzsamples die harte Wirklichkeit. Der hart geprüfte
       Lebenswille ächzt unter einem Berg unbezahlter Rechnungen. „Don’t lose your
       Job“ – ein Songtitel als warnende Zustandsbeschreibung. Und dazu säuselt
       Elucid: „What doesn’t kill you makes you blacker“.
       
       12 Oct 2023
       
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 (DIR) Jonas Hetzer
       
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