# taz.de -- EU-Ambitionen der Ukraine: Leider realitätsfern
       
       > Der ukrainische Präsident Selenski fordert die Aufnahme von
       > EU-Beitrittsgesprächen. Doch die geopolitische Lage verschiebt sich nach
       > Nahost.
       
 (IMG) Bild: Fordert die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU: Ukraines Präsident Selenski
       
       Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski tut das, was er, spätestens
       seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen sein Land, perfekt
       beherrscht: Feuern aus allen Rohren – ob in persona oder mittels einer
       Videoschalte. Dieses Verhalten ist verständlich, da es ums Überleben, ja
       die Existenz der Ukraine überhaupt geht. Jetzt fordert er allen Ernstes die
       Aufnahme von [1][Beitrittsverhandlungen mit der EU] möglichst noch vor dem
       Jahreswechsel.
       
       Selenski ist klug genug, um zu wissen, dass dieses Ansinnen mit dem
       Attribut „realitätsfern“ noch freundlich umschrieben ist. Keine Frage:
       Kyjiw hat sich auf den beschwerlichen Weg von Reformen gemacht. Der
       Versuch, effektiv gegen Korruption vorzugehen und parallel dazu das
       Justizsystem den neuen Erfordernissen anzupassen, ist da nur ein Beispiel
       unter vielen. Dieses Bemühen verdient Respekt und Anerkennung angesichts
       eines barbarischen Kriegs, der jeden Tag weitere Tote, Verletzte,
       Flüchtende sowie Zerstörung produziert [2][und noch lange wüten kann].
       
       Dennoch hat sich Brüssel Spielregeln gegeben, die es auch selbst einhalten
       muss. Und heißt es nicht stets von berufener Stelle, für die Ukraine werde
       es, auch im Vergleich zu anderen EU-Aspiranten, wie beispielsweise der
       Republik Moldau, keine Extrawurst geben? Doch davon abgesehen: Auch
       Beitrittsgespräche können dauern – Jahrzehnte, wenn es sein muss. Deshalb
       sollte allein die Aussicht auf einen Beitritt – und über mehr redet in
       Brüssel derzeit keiner – in ihrer Wirkung als Motivationshilfe für die
       Menschen in der Ukraine auch nicht überbewertet werden.
       
       [3][Selenskis jüngster Verstoß] scheint anderen Erwägungen geschuldet zu
       sein. Es geht um Aufmerksamkeit und darum, den Krieg in der internationalen
       Öffentlichkeit präsent zu halten – jetzt, da die ganze Welt in den Nahen
       Osten blickt. Dahinter steht die Angst, Kyjiws Partner könnten in ihrem,
       vor allem auch militärischen, Engagement nachlassen. Das hingegen ist alles
       andere als realitätsfern – leider.
       
       25 Oct 2023
       
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 (DIR) Barbara Oertel
       
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