# taz.de -- Konzert von Mitski in Berlin: Leises Schluchzen im Herbst
       
       > TikTok-Alarm in Berlin: US-Emokünstlerin Mitski präsentiert ihr
       > gefühlvolles neues Album „The Land is Inhospitable“ im ausverkauften Kino
       > Babylon.
       
 (IMG) Bild: Mitski mit Akustikband am Samstagabend in Berlin
       
       Berlin taz | Gute 150 Meter misst die Schlange, die sich am frühen
       Samstagabend rund um das Kino Babylon Berlin windet. Ganz vorne stehen
       dabei Maria und Sebastian, die bereits seit 10 Uhr morgens am
       Rosa-Luxemburg-Platz warten. Beide kommen aus Mexiko und studieren derzeit
       in Deutschland. Ihre Tickets kosteten deutlich über dem eigentlichen
       Verkaufspreis.
       
       Hat sich das Warten auf Mitski gelohnt? Für Konzerte im Rahmen ihrer
       „Amateur Mistake“-Tour hat die 33-jährige US-Künstlerin kleine, oftmals
       historische Konzertsäle in ausgesuchten Städten rund um die Welt
       ausgewählt. Das ließ die Nachfrage nach den Tickets enorm steigen, Mitskis
       Berliner Auftritt war innerhalb von Minuten ausverkauft. Schließlich
       erfreut sich Mitski Miyawaki vor allem bei der Generation TikTok. Ihr Song
       „My Love Is All Mine“ ist derzeit einer der populärsten Lieder der
       Plattform.
       
       Dabei entzieht sich Mitskis Songwriting eigentlich der Snippet-Ökonomie von
       Social Media. [1][Ihre Klangsignatur steht für hochemotionale Songs, deren
       Texte Themen wie Einsamkeit und unerwiderte Liebe umkreisen.] Vermutlich
       sind es diese Sujets, die Mitski für ihre Fans zur Identifikationsfigur
       machen.
       
       ## Warten aufs Idol
       
       Aufgekratzt warten sie im Saal des Babylon auf ihr Idol. Sie fotografieren
       sich vor der Bühne, trinken Wein und essen Popcorn, während die hauseigene
       Organistin zur Einstimmung etwas herumklimpert. Um kurz vor neun kommt
       Mitski dann über eine Bodentreppe auf die Bühne, die Fans kreischen
       aufgeregt. Mit von der Partie sind Patrick Hyland an der Gitarre sowie Jeni
       Magana am Kontrabass. Miyawaki trägt eine Jeans, dazu ein schlichtes
       T-Shirt. Bevor sie mit dem ersten Ton des Auftaktsongs „Bug Like An Angel“
       einsetzt, hört man sie tief atmen.
       
       Das reduzierte Setting betont die Feinheiten von Mitskis Kompositionen.
       Während das [2][Synthpop-Album „Laurel Hell“ eher verhaltene Kritiken
       erhielt], wird das kürzlich erschienene Album „The Land Is Inhospitable And
       So Are We“ von vielen gefeiert. Mitskis Songwriting klingt hier bestechend,
       was auch an der halligen Produktion de Songs liegt, wodurch auch
       Americana-Fans angesprochen werden.
       
       In voller Länge trägt Mitski am Samstagabend im Kino Babylon Berlin die elf
       Tracks des Albums vor. Gitarre und Kontrabass können deren teils
       orchestrale Instrumentation zwar nicht ersetzen, dafür bieten sie genug
       Raum, damit Mitski mit ihrer Stimme brillieren kann. Die klingt in ihrem
       Alt- und Mezzosopran-Register noch präziser und deutlicher als auf
       Konserve.
       
       ## Gestische Untermalungen
       
       Während Mitski in ihren Konzerten oftmals Performance-Elemente einbaut,
       spielt sie bei ihrem Akkustikauftritt mit gestischen Untermalungen.
       Besonders eindrucksvoll geschieht dies bei „I Don’t Like My Mind“. Zu den
       Zeilen „And on an inconvenient Christmas / I eat a cake/ A whole cake all
       for me / And then I get sick and throw up“ führt sie ihre Hand entlang
       ihres Körpers, umschlingt ihren Bauch. Bei der schummrigen Country-Ballade
       „Heaven“ fixiert sie ihren Blick Richtung Decke, auch ihre Arme streben
       himmelwärts.
       
       Zum Ende des Songs richtet sie die gehauchten Gesangshooks mit intensivem
       Blickkontakt ans Publikum. Besonders beim Hit „My Love Mine All Mine“
       werden die Handykameras gezückt. Ansonsten wirken die jungen Fans
       unglaublich konzentriert, devot, aber auch emotional bewegt.
       
       Immer wieder hört man in den ruhigen Passagen leise Schluchzer. Einige
       lehnen sich bei ihrer Begleitung an. In kurzen Ansprachen interagiert die
       33-jährige Mitski mit dem Publikum. Während sie sich bei der Performance
       distanziert gibt, ist sie in ihren Ansprachen persönlicher. Neben [3][dem
       vollständigen Album] „The Land Is Inhospitable“ spielt sie auch ältere
       Tracks.
       
       Bevor sie solo mit Akustikgitarre den Publikumsliebling „A Burning Hill“
       vom 2016 veröffentlichten Album „Puberty 2“ anstimmt, bedankt sie sich beim
       Publikum fürs Zuhören. Sie fühle sich weniger allein und voller Liebe, wenn
       sie ihre Songs live spiele. Auch für die Fans ist der Abend in Berlin mit
       Mitski mehr als bloß ein Konzert. Er ist ein Safe Space fernab der
       Realität, in der Emotionalität und Verletzlichkeit kaum gefragt sind. Nach
       knapp einer Stunde strömt das Publikum beseelt, teils verheult in den
       Herbstregen.
       
       15 Oct 2023
       
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