# taz.de -- Rechtsruck und Gegenstrategien: Schluss mit dem Abschottungsbingo
       
       > Die AfD ist nun auch im Westen stark. Das liegt auch den Fehlern der
       > demokratischen Parteien: Sie eifern den Rechtsextremen nach.
       
 (IMG) Bild: Wahlplakat der AfD auf einer Straße in Frankfurt am Main
       
       Hätte man vor anderthalb Jahren gefragt, was eigentlich die AfD macht, wäre
       die Antwort gewesen: Sie dümpelt vor sich hin als radikale Ostpartei mit
       rechtsextremer Kernwählerschaft. Die Partei galt vielen als ausmobilisiert.
       Sie hatte sich selbst in mehreren Häutungen aus dem politischen Diskurs
       herausradikalisiert. Aufgrund ihrer Inkompetenz und ihres Desinteresses an
       funktionierender Politik ist die AfD kein ernst zu nehmender, geschweige
       denn bündnisfähiger Akteur.
       
       Aber seit Beginn des Ukrainekriegs hat sich etwas verschoben: Vergangenen
       Sonntag hat die AfD in Bayern fast 15 Prozent geholt; in Hessen ist sie mit
       über 18 Prozent zweitstärkste Kraft geworden. Die Gründe dafür sind
       vielschichtig. Wir haben multiple Krisen, in denen die Regierung eine
       Politik des Sparzwangs durchzieht und wichtige Investitionen in
       ohnehin kaputtgesparte soziale Infrastruktur ausbleiben.
       Wohlstandsverluste sind spürbar, Aufstiegsversprechen klingen leer – hinzu
       kommen latente autoritäre und rassistische Einstellungen.
       
       In der Krise sehnen sich viele nach heiler Welt. Die AfD sagt: Es liegt
       nicht an dir, es liegt an „den Ausländern“, den Grünen, [1][den
       „Globalisten“]. Sie bietet ein unterkomplexes Identitätsangebot in einer
       Art 50er-Jahre-/Weiße-Männer-Bullerbü, [2][also Identitätspolitik
       hauptsächlich für weiße Männer], die Angst vor der Realität haben. Mit dem
       Verdrängen der Klimakrise und der geschürten Furcht vor ökologischer
       Transformation und vor Einwanderung kann die AfD neue Wählerschichten
       erschließen: Junge Leute wählten erstmals vermehrt AfD; ebenso hat die
       Partei einen verbesserten Stand in der Arbeiterschaft, obwohl AfD-Politik
       für eine [3][Umverteilung von unten nach oben] sorgen würde.
       
       ## Falsche Strategie
       
       Die Wahlen haben gezeigt, dass die demokratischen Parteien die falsche
       Strategie im Umgang mit der AfD haben. Denn die einzige Antwort ist bisher:
       rechte Politik. Wenn die Ampelparteien und die Union aber weiter täglich
       Kästchen im Bullshitbingo der unwirksamen Abschottungsforderungen
       abhaken, muss sich niemand wundern, dass die AfD weiter die Angstwelle
       surfen kann.
       
       Die medial befeuerte [4][Migrationsdebatte wird weitgehend faktenfrei] auf
       dem Rücken der Flüchtlinge geführt. Das ist nicht nur menschenverachtend,
       sondern auch kurzsichtig. Anstatt mit Scheinlösungen zur Abschottung ihre
       Handlungsfähigkeit zu simulieren, sollte sich die Politik ehrlich machen.
       
       Es braucht angesichts der Überalterung und des Arbeitskräftemangels eine
       breitere Anerkennung von Qualifikationen, den erleichterten Zugang zu
       Deutschkursen und die Förderung von Ausbildungen. Die Bundesregierung
       sollte sagen: Das mag alles nicht leicht sein, aber wir haben es einmal
       geschafft – und wir schaffen es noch mal.
       
       17 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/asch-2022-2019/html?lang=de
 (DIR) [2] /AfD-Waehler-in-Bayern-und-Hessen/!5965710
 (DIR) [3] /Die-AfD-und-die-Sozialpolitik/!5946707
 (DIR) [4] https://verfassungsblog.de/fur-einen-menschenrechtspakt-in-der-fluchtlingspolitik/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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