# taz.de -- Klage gegen Bohrprojekt in der Nordsee: Die Nordsee soll Gas geben
       
       > Ein Gericht verhandelt über eine neue Gasbohrplattform bei Borkum.
       > Umweltschützer und Anlieger halten das Projekt für gefährlich und
       > unnötig.
       
 (IMG) Bild: Eine Firma will unweit von Borkum Erdgas fördern: Manche würden das am liebsten verbieten
       
       Die geplanten Gasbohrungen in unmittelbarer Nähe des Nationalparks
       Wattenmeer werden seit Donnerstag vor dem Bezirksgericht Den Haag
       verhandelt. Geklagt haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Stadt Borkum,
       die Bürgerinitiative „Saubere Luft Ostfriesland“ sowie die niederländische
       Umweltorganisation „Mobilisation for the Environment“ (MOB). Die Kläger
       halten das Projekt wegen dessen „Folgen für den Klimaschutz sowie für die
       umliegenden Schutzgebiete für nicht genehmigungsfähig“.
       
       Die von dem niederländischen Konzern One Dyas beantragte Bohrplattform läge
       knapp noch auf niederländischem Gebiet, 23 Kilometer nordwestlich von
       Borkum – mitten zwischen europäischen Meeresschutzgebieten und dem
       Nationalpark Wattenmeer. [1][Der niedersächsische Landtag hatte das
       Vorhaben zunächst abgelehnt], sich infolge des Ukraine-Krieges und der
       ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland jedoch anders besonnen.
       
       One Dyas plant nach Angaben des [2][niedersächsischen Landesamts für
       Bergbau (LBEG) neun Bohrungen], die in 1.500 bis 3.500 Metern in
       verschiedene Richtungen gelenkt werden sollen, zum größten Teil unter
       deutschem Gebiet. Das Unternehmen erhofft sich, dort 4,5 bis 13 Milliarden
       Kubikmeter Erdgas fördern zu können.
       
       Die Umwelthilfe hält diese Menge mit Blick auf den deutschen Gasverbrauch
       von zuletzt knapp 80 Milliarden Kubikmetern im Jahre für vernachlässigbar.
       Zudem werde die Förderung nicht vor 2024 beginnen. „Das ist zu spät, um auf
       die befürchtete Gasknappheit in diesem und im nächsten Winter reagieren zu
       können“, stellt die Umwelthilfe fest.
       
       Nicht zu vernachlässigen seien demgegenüber die bis zu 65 Millionen Tonnen
       CO2, die das Verbrennen des Gases in die Atmosphäre entlassen würden.
       Überdies bestehe Erdgas hauptsächlich aus Methan, das durch Lecks bei der
       Förderung und beim Transport entweicht. [3][Die Treibhauswirkung von Methan
       ist 25-mal so stark wie die von CO2]. Es verschwindet aber schneller aus
       der Atmosphäre.
       
       Die DUH warnt, das Erdgasprojekt werde „massive Auswirkungen auf das
       maritime Ökosystem“ haben. Schon der Bohrlärm beeinträchtige bei der
       Orientierung, Kommunikation und Partnersuche. Durch die Gasförderung könnte
       sich zudem der Meeresboden senken, wodurch sich Schlickströme verändern und
       die Steinriffe in dem Gebiet schädigen könnten.
       
       ## Gefährdete Riffe im Projektgebiet
       
       [4][Dass es solche Riffe im Projektgebiet gibt, darauf hatte Greenpeace
       hingewiesen]. Im Juni stellte die Umweltorganisation das Ergebnis eigener
       Forschungen vor. Taucher fanden demnach weitere ökologisch wertvolle
       Steinriffe in der Nähe der avisierten Bohrstelle. „Wir haben dort einen
       Zaubergarten aus Seenelken, Schwämmen, Weichkorallen und Seemoos gefunden“,
       schwärmte Philipp Schubert, Meeresbiologe der von Greenpeace beauftragten
       Firma Submaris. Das alles sei nur aufgrund der Steinriffe möglich, die als
       Oasen der Artenvielfalt streng geschützt werden müssten.
       
       Greenpeace untermauerte diese Position mit einer Simulation:
       Aktivist:innen setzten drei frei schwimmende Bojen an der geplanten
       Bohrstelle N05a aus. Die mit GPS-Sendern ausgestatteten Bojen wurden bei
       Niedrig- und Hochwasser sowie zwischen den Tiden in die Nordsee
       eingelassen. Die Strömung habe alle Bojen nach spätestens 48 Stunden zum
       Naturschutzgebiet Borkum Riffgrund, nordöstlich der geplanten Bohrstelle
       getrieben. Zwei von drei Bojen seien bereits nach 24 Stunden bei einem
       Steinriff in der Nähe des Windparks Riffgat gelandet.
       
       Für Greenpeace ist damit der Fall klar: „Im Falle einer Havarie würden
       austretende Schadstoffe, wie Schwermetalle und aromatische
       Kohlenwasserstoffe, sehr wahrscheinlich Schutzgebiete und schützenswerte
       Steinriffe verunreinigen“, teilte die Organisation am Dienstag mit. Denkbar
       wären Blow-outs, bei denen unkontrolliert Gas, Bohrspülung und
       Lagerstättenwasser frei werden oder auch eine Schiffskollision.
       
       Überdies gelangten bei Öl- und Gasbohrungen ständig Schadstoffe in die
       Umwelt. Über einen Produktionszeitraum von 15 bis 35 Jahren könnten diese
       auch in geringen Konzentrationen Tiere und Pflanzen schädigen. Die Deutsche
       Umwelthilfe weist außerdem darauf hin, dass One Dyas belastetes
       Lagerstättenwasser wieder ins Meer leiten wolle.
       
       ## Unesco auch gegen Bohrungen
       
       [5][Unterstützung erhielten die Projektgegner in der vergangenen Woche von
       der UN-Kulturorganisation Unesco]. Die Welterbe-Kommission der Vereinten
       Nationen forderte mit Blick auf das Projekt bei Borkum Deutschland und die
       Niederlande auf, keine neuen Probebohrungen für Salz, Öl oder Gas im
       Wattenmeer oder in dessen unmittelbarer Nachbarschaft mehr zu genehmigen.
       Denn eben diese seien unvereinbar mit dem [6][Status des Wattenmeeres als
       Weltnaturerbe]. Überdies seien alle Förderaktivitäten in der Nähe daraufhin
       zu prüfen, ob sie den besonderen Wert dieses Gebiets zu beeinträchtigen
       drohten – und gegebenenfalls zu unterlassen.
       
       „Wenn die Unesco sich so klar positioniert und die Niederlande und
       Deutschland öffentlich kritisiert, so muss dies bei allen Beteiligten
       endgültig zum Umdenken führen“, sagte die Landtagsabgeordnete Meta
       Janssen-Kucz von den Grünen. „Der Weltnaturerbestatus darf keinesfalls
       gefährdet werden“, bekräftigte ihr Parteikolleg Christian Meyer, der
       Umweltminister.
       
       Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte bereits im Juli
       darauf verwiesen, dass die Gasförderung nicht genehmigt werde, wenn dies
       für den Umwelt- und Naturschutz nicht vertretbar sei. Wenn das
       Planfeststellungsverfahren aber zu dem Ergebnis komme, dass die Sicherheit
       gewährleistet ist, werde es eine Genehmigung geben.
       
       28 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Protest-gegen-Gasbohrungen-vor-Borkum/!5928632
 (DIR) [2] https://www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/niederlandisches-erdgasprojekt-bei-borkum-one-dyas-b-v-beantragt-bohrungen-und-erdgasforderung-im-deutschen-sektor-der-nordsee-216093.html
 (DIR) [3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/die-treibhausgase
 (DIR) [4] /Gasbohrungen-vor-Borkum/!5937533
 (DIR) [5] https://whc.unesco.org/archive/2023/whc23-45com-7B.Add2-en.pdf
 (DIR) [6] /Konferenz-zum-Schutz-des-Wattenmeeres/!5898268
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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