# taz.de -- Kritische Studie zu Pestizid: Glyphosat macht wieder Stress
       
       > Das meistverkaufte Pestizid Glyphosat verursache „oxidativen Stress“,
       > sagen drei Wissenschaftler. Diese Zellschädigung kann zu Krebs führen.
       
 (IMG) Bild: Ist das krebserregend? Spritzung des Unkrautvernichters Glyphosat auf einem Feld bei Hannover
       
       Berlin taz | UmweltschützerInnen werfen den EU-Behörden vor, Hinweise auf
       eine Krebsgefahr durch das Pestizid [1][Glyphosat] zu Unrecht verworfen zu
       haben. „Eine neue wissenschaftliche [2][Studie] zeigt, dass die
       EU-Chemikalienbehörde Echa wichtige Erkenntnisse zur Karzinogenität außer
       Acht ließ und den Nachweis vernachlässigte, dass Glyphosat oxidativen
       Stress auslöst“, teilte die Organisation Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) am
       Montag mit. Oxidativer Stress sei ein „anerkannter Mechanismus, der zu
       Krebs führen kann“. Der Vorgang bezeichne eine Schädigung von Zellen durch
       hochreaktive Sauerstoffmoleküle, die unter anderem von Chemikalien wie
       Glyphosat erzeugt werden können, sagte der taz Peter Clausing, Toxikologe
       und Mitautor der Studie.
       
       Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die
       Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO
       bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ – mit Glyphosat
       gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumoren entwickelt. In den USA
       verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller, die deutsche
       Bayer AG, zu hohen Schadenersatzzahlungen an KlägerInnen, die ihre
       Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf
       verschiedene Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das
       Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und
       damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern
       als Gefahr für die Artenvielfalt. Die EU-Mitgliedstaaten wollen Mitte
       Oktober darüber entscheiden, ob die am 15. Dezember auslaufende
       Glyphosatzulassung erneuert werden soll.
       
       Die wissenschaftliche Grundlage für diese Entscheidung liefert auch die
       Echa. Sie sieht keine Krebsgefahr durch Glyphosat, unter anderem weil kein
       Mechanismus feststellbar sei, wie das Pestizid diese Krankheit verursachen
       könnte. Dem widersprechen Clausing und seine Co-Autoren, Siegfried
       Knasmüller, Professor am Zentrum für Krebsforschung der Medizinischen
       Universität Wien, und Christopher Portier, außerplanmäßiger Professor der
       Emory University in Atlanta. In vier Tierversuchsstudien seien bei Mäusen
       und Ratten „ein signifikanter Anstieg“ der Substanzen im Blut gemessen
       worden, die oxidativen Stress anzeigten, heißt es in dem Aufsatz. Deshalb
       und wegen der erhöhten Tumorraten in anderen Experimenten mit Tieren
       fordert PAN, die Glyphosat-Zulassung auslaufen zu lassen.
       
       Die Echa teilte mit, sie habe „keine wichtigen Erkenntnisse“ bei ihrer
       Bewertung des Pestizids missachtet. Das Auftreten von Tumoren in den von
       ihr analysierten Studien sei ausführlich untersucht worden, schrieb die
       Behörde der taz. „Die Schlussfolgerung lautete, dass es keine überzeugenden
       Beweise dafür gibt, dass Glyphosat Tumore auslöst.“ Oxidativer Stress sei
       zwar ein Mechanismus, der zur Tumorbildung führen könne. Aber die Echa
       ergänzte: „Da es keine eindeutigen Beweise für Tumore im Zusammenhang mit
       Glyphosat gibt, ist der Nachweis, dass Glyphosat oxidativen Stress
       verursacht, für die Schlussfolgerung nicht relevant.“ Die Echa-ExpertInnen
       hätten auch Clausings Argumente zur Kenntnis genommen.
       
       Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte die Einschätzung der
       Echa übernommen. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte im
       Juli, sie berücksichtige die Auswirkungen auf die Natur nicht ausreichend.
       Tatsächlich hatte die Efsa selbst erklärt, aufgrund fehlender Daten seien
       „keine eindeutigen Schlussfolgerungen“ dazu möglich, wie der
       Unkrautvernichter sich auf die Artenvielfalt auswirkt. Özdemirs
       Koalitionspartner FDP plädiert aber für Glyphosat.
       
       11 Sep 2023
       
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