# taz.de -- Fragwürdige Vergabepraxis in Niedersachsen: Militärlogistik für Geflüchtete
       
       > In Braunschweig hat ein Militärdienstleister den Zuschlag für eine
       > Flüchtlingsunterkunft bekommen. Die Grünen halten das für einen Skandal.
       
 (IMG) Bild: Ecolog-Mülltonnen im Feldlager der Bundeswehr nahe Masar-i-Sharif in Afghanistan 2010
       
       Hannover taz | Die grüne [1][Landtagsabgeordnete Swantje Schendel war die
       erste, die Alarm geschlagen hat.] Die Vergabe einer großen Braunschweiger
       Flüchtlingsunterkunft an das Unternehmen Ecolog hält sie für einen Skandal.
       Es sei ihr unbegreiflich, wie man einen Militärdienstleister mit Sitz in
       Dubai ohne erkennbare Erfahrungen in diesem sensiblen Bereich einsetzen
       könne.
       
       Ecolog hatte die europaweite Ausschreibung gewonnen, einziges
       Bewertungskritierium war der Preis. Seit Anfang August ist das Unternehmen
       für den Betrieb der Flüchtlingsunterkunft in der Salzdahlumer Straße
       zuständig, einem ehemaligen Hotel mit derzeit 70 Bewohnern, überwiegend aus
       der Ukraine.
       
       Wobei die Angabe „Dubai“ möglicherweise etwas irreführend ist. Die
       Muttergesellschaft Ecolog International soll dort ihren Hauptsitz haben.
       [2][Die Website des Unternehmens verzeichnet einen] Briefkasten am
       Internationalen Flughafen. Die Ecolog Deutschland GmbH, eine der
       zahlreichen Tochterfirmen, hat ihren Sitz in Düsseldorf. Wenn man dort
       anruft, geht allerdings niemand ans Telefon. Auch Kontaktversuche via
       E-Mail laufen ins Leere.
       
       Die Informationen über das Unternehmen kann man sich im Internet
       zusammenklauben. Demnach wurde es Ende der 90er von Nazif Destani gegründet
       und übernahm zunächst Dienstleistungen für die Bundeswehr – hauptsächlich
       Wäsche waschen und Müll entsorgen, zunächst in Jugoslawien.
       
       Die Familie des Gründers stammt aus Mazedonien, weite Teile der Belegschaft
       zunächst auch. Dieses Geschäftsfeld baute das Unternehmen systematisch und
       international aus, wird auch für KFOR- und ISAF-Truppen tätig, tummelt sich
       auf allen Krisenschauplätzen der Welt und erweitert das Portfolio nach und
       nach um alle Infrastruktur- und Logistikdienstleistungen, die dabei
       anfallen und vom Militär outgesourct werden.
       
       In die Schlagzeilen gerät es dabei bei verschiedenen Gelegenheiten: Mal gab
       es Kritik an der Qualität der Dienstleistungen, mal an der allzu
       freihändigen Vergabepraxis der Bundeswehr oder dem grundsätzlichen Trend zu
       dieser Art von Private-Public-Partnership.
       
       Bei Einsätzen in Afghanistan und im Irak hat das Unternehmen schließlich
       auch Todesopfer zu beklagen. [3][Mitarbeiter von Ecolog wurden entführt,]
       manche kamen nach Lösegeldzahlungen frei, andere wurden getötet.
       Gefahrenzulagen zahlt das Unternehmen einem Bericht der Wirtschaftswoche
       aus dem Jahr 2006 zufolge nicht – mit der Begründung, dass diese Art von
       Einsätzen halt immer gefährlich sei.
       
       ## Früher war es eine Vorzeigeunterkunft
       
       Während der Coronapandemie betrieb Ecolog außerdem im großen Stil
       Testzentren in Bayern. Auch hier gab es Ärger, weil [4][aufgrund einer
       Software-Panne zahlreiche Kunden auf ihre Ergebnisse] warten mussten –
       darunter Menschen, die infiziert waren, aber auch solche, die das
       Testergebnis für den Reiseantritt dringend benötigten.
       
       Unklar ist, wann das Unternehmen das Geschäft mit den Flüchtlingsheimen für
       sich entdeckte. Nach Auskunft der Stadt Braunschweig soll es schon von 2017
       bis 2020 drei Unterkünfte im Auftrag des Landesamtes für
       Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in Berlin betrieben haben.
       
       Beim LAF ist ein privater Betreiber dieses Namens aber unbekannt,
       möglicherweise ist der Betreiber hier unter einem anderen Namen oder als
       Subunternehmer aufgetreten. Die Überprüfung dieser Angaben laufe noch,
       erklärt Braunschweigs Stadtsprecher Rainer Keunecke.
       
       Besonders ärgerlich in den Augen der grünen Ratsfraktion in Braunschweig:
       Der bisherige Betreiber der Unterkunft in Braunschweig – das Deutsche Rote
       Kreuz (DRK) – hat hier anderthalb Jahre Aufbauarbeit geleistet und nicht
       nur die Unterkunft betrieben, sondern auch für ein umfassendes Beratungs-
       und Freizeitangebot gesorgt.
       
       Das ging auch deshalb, weil neben den hauptamtlichen Sozialpädagogen
       zahlreiche ehrenamtliche Kräfte geholfen haben. Die Einrichtung galt als so
       vorbildlich, dass man sie stolz der frischgebackenen [5][niedersächsischen
       Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kurz nach ihrem] Amtsantritt Anfang
       2023 präsentierte.
       
       Dem neuen Betreiber fehlt nicht nur diese lokale Vernetzung, die Grünen
       zweifeln auch daran, dass er die Anforderungen an die Qualifikation der
       Hauptamtlichen hinreichend ernst nimmt. So wird beispielsweise [6][in einer
       Stellenanzeige auf dem Portal „Indeed“] ein „Administrator“ gesucht.
       
       Aufgaben: Verwaltung und Organisation der Flüchtlingsunterkunft,
       Koordination des täglichen Betriebs und Einhaltung von Standards.
       Erforderliche Qualifikation: Quereinsteiger, Kommunikationsstärke und
       interkulturelle Kompetenz, ausgezeichnete Deutschkenntnisse.
       
       Erfahrungen im Sozial- oder Flüchtlingsbereich werden nur als „von
       Vorteil“, Kenntnisse im Asyl- und Migrationsrecht als „wünschenswert“
       aufgelistet, sind also keine notwendige Bedingung. Als Vergütung werden 15
       Euro pro Stunde offeriert.
       
       Die Stadt will die Qualifikation der frisch eingestellten Mitarbeiter noch
       überprüfen, mit der Leitung sei aber jemand betraut worden, der schon
       einmal ein vergleichbares Heim geleitet habe.
       
       ## Kritik an der Ausschreibungspraxis
       
       Von den qualifizierten Mitarbeitern des DRK ist jedenfalls keiner zum neuen
       Anbieter gewechselt: „Wir sind sehr froh, dass es uns gelungen ist, allen
       ein Angebot an anderen Standorten zu machen und wir so alle Mitarbeiter
       halten konnten“, [7][sagt die zuständige Vorständin Nicole Kumpis.]
       
       Zur Konkurrenz sagt sie prinzipiell nichts. „Wir haben es natürlich sehr
       bedauert, dass wir nicht zum Zuge gekommen sind. Unsere Mitarbeiter haben
       den Standort mit viel Herzblut aufgebaut. Wir müssen uns jetzt überlegen,
       wie wir uns für künftige Ausschreibungen besser aufstellen können.“
       
       Über die Ausschreibungspraxis [8][möchten auch die Braunschweiger Grünen
       noch einmal reden.] Sie halten Ausschreibungen im sozialen Bereich
       grundsätzlich für problematisch, weil diese Arbeit Kontinuität und gute
       Vernetzung benötige. Im diesem Fall räumt auch die erfahrene Ratsfrau Elke
       Flake ein, es hätte an einer europaweiten Ausschreibung wohl kein Weg herum
       geführt – dazu war die Auftragssumme zu hoch.
       
       „Das Verfahren ist formal korrekt gelaufen“, sagt sie. Allerdings hätte man
       sicherstellen müssen, dass bei der Bewertung der Angebote auch die Konzepte
       und Qualitätsanforderungen stärker berücksichtigt werden und nicht nur der
       Preis.
       
       Die Verwaltung vertrete hier eine zu strikte Auslegung des
       Ausschreibungsrechts. Rechtssichere Ausschreibungen durchzuführen, ist
       allerdings ein kompliziertes juristisches Kunststück, viele
       Verwaltungsjuristen fürchten vor allem die aufschiebende Wirkung der Rügen
       und Klagen unterlegener Unternehmen, die Auftragsvergaben über längere Zeit
       lahmlegen können.
       
       In der Stadt Lüneburg scheint man diesen Weg allerdings erfolgreich
       beschritten zu haben. Auch hier hatte sich Ecolog als Betreiber einer
       großen Flüchtlingsunterkunft beworben – ist aber letztlich nicht zum Zuge
       gekommen. Man habe eine Bewertungsmatrix erstellt und zu 50 Prozent die
       Qualität und zu 50 Prozent den Preis für die Vergabeentscheidung
       herangezogen, erklärt der dortige Sozialdezernent Florian Forster (Grüne)
       auf taz-Anfrage.
       
       Zu der Entscheidung in Braunschweig kam es möglicherweise auch, weil der
       Posten der Sozialdezernentin gerade vakant war. Die Amtsinhaberin Christine
       Arbogast war im November als Staatssekretärin ins niedersächsische
       Sozialministerium gewechselt, Nachfolgerin Christina Rentzsch trat ihr Amt
       erst im Mai an.
       
       Nun kommt ihr die Aufgabe zu, das Kind wieder aus dem Brunnen zu holen. Der
       Auftrag an Ecolog wurde für sechs Monate vergeben – mit der Option auf
       Verlängerung. Nach spätestens zwei Verlängerungen ist Schluss, dann muss
       neu ausgeschrieben werden – wenn überhaupt noch Bedarf besteht.
       
       9 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://swantjeschendel.de/2023/08/29/einem-militaerdienstleister-die-braunschweiger-gefluechteten-unterkunft-zu-ueberlassen-ist-ein-skandal/
 (DIR) [2] https://ecolog-international.com/de
 (DIR) [3] /Archiv-Suche/!461240&s=Ecolog&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [4] /Neue-Corona-Testpanne-in-Bayern/!5712430
 (DIR) [5] https://www.drk-kv-bs-sz.de/aktuelles/presse-service/aktuelle-meldungen/meldung/innenministerin-behrens-besucht-drk-unterkunft-fuer-ukrainische-gefluechtete.html
 (DIR) [6] https://de.indeed.com/viewjob?jk=61ce9c976a541852&advn=2631448022457807&adid=415937039&ad=-6NYlbfkN0Ch_o3-qnkLE92NccraEAk24iJMFWoRKbTU9G9Pb7t9_fP3Kl0osA3pptjNST9NDU22lgZa3BFu-BDszz99St_ZfAQWr9UsFgBrDJpIKb8LstbS6MwMGSnypVLZagbVpfeVEPXpz6kES10h3-YfZ4mJtNhZVB4nDeN-WWc60y0dMdKlDOvXkvXeJMMSwfUkYCpqTRnfSZxDdtEECReLL7hh0ZglK3sm7JgfwTl6GWzV8C-JEG7Kb0IqTZP-gyLWUqY44LSK1mfnZyqL3Rupw-54ju92OIAPRxqYiT32mddEmIeB6060sGCsrZRTpWYejlHPvWclais5RFwR1RZS5b-7xPCSoBoV38fSjjpTow_isiEmT76c8AQC1pe4wXpjbuV7Sgug2mutTIkqFfULEurpsMYkTsCaIhTKbYhqBmDP5OCspo2G39czQwjr3g2dubti-anyoAAMmZP5bpzE8bd09bV8FBb3qXY4_HC3-LBNJA%3D%3D&from=mobRdr&dest=https%3A%2F%2Femployers.indeed.com%2Fj%2Fview-job%3Fid%3Db26190fb66dea21d65b5&desth=db3f4929f6abd7b64c607bc41a77a1a8&prevUrl=http%3A%2F%2Fde.indeed.com&utm_source=%2Fm%2F&utm_medium=redir&utm_campaign=dt
 (DIR) [7] https://www.drk-kv-bs-sz.de/aktuelles/presse-service/aktuelle-meldungen/meldung/nicole-kumpis-bedankt-sich-bei-mitarbeitenden-und-ehrenamtlichen-der-fluechtlingsunterkunft.html
 (DIR) [8] https://gruene-braunschweig-ratsfraktion.de/gruene-ratsfraktion-bedauert-betreiberwechsel-der-gefluechteten-unterkunft-in-mascherode-durch-vergabe-nach-best-price-prinzip/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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