# taz.de -- Frankreich nach den Banlieue-Krawallen: „Ordnung, Ordnung, Ordnung!“
       
       > Frankreichs Präsident Macron lässt auch im Rückblick auf die Krawalle
       > keine Kritik an der Polizei zu. Staat und Familien bräuchten wieder
       > Autorität.
       
 (IMG) Bild: Präsident Macron bei der Ankunft in Neukaledonien am 24. Juli
       
       Paris taz | Der französische Staatspräsident kommt doch nicht darum herum,
       sich zu den kürzlichen Unruhen und Jugendkrawallen von Ende Juni zu äußern
       und eine Bilanz der „hundert Tage“ zu ziehen, die er im April sich und der
       Regierung gegeben hatte, um seiner Politik einen neuen Elan zu geben. Man
       hatte seine Ansprache am [1][Nationalfeiertag am 14. Juli] erwartet, doch
       er schwieg. Ein neuer Anlass wäre die Regierungsumbildung am letzten
       Donnerstag gewesen, doch auch diese Gelegenheit ließ Macron verstreichen.
       
       Da in den Medien der Eindruck aufkam, der Staatschef wisse vielleicht
       effektiv nichts zu sagen, wuchs der Druck. Mit einer Distanz von Tausenden
       von Kilometern zur Pariser Aktualität meldete er sich nun aus Neukaledonien
       auf seiner mehrtägigen Rundreise im Südpazifik in einem organisiert
       wirkenden Fernsehinterview ohne kritische Rückfragen zu Wort.
       
       Auf die unvermeidliche Frage, was er zu den [2][gewaltsamen Unruhen] von
       Ende Juni meine, antwortete er mit strenger Miene: „Die (erste) Lehre, die
       ich daraus ziehe, lautet: Ordnung, Ordnung, Ordnung. Die zweite ist, dass
       unser Land eine Rückkehr zur Autorität auf allen Ebenen braucht, und vor
       allem in der Familie.“
       
       Der Präsident macht in seiner Stellungnahme die Familien mitverantwortlich
       für die Gewalt und Plünderungen von zum Teil sehr jungen Minderjährigen
       nach dem Tod des 17-jährigen Nahel in Nanterre. Zu den sozialen Problemen
       in gewissen Vorortsquartieren möchte er zu bedenken geben, gewisse
       strukturelle Schwierigkeiten seien halt während langer Zeit in der
       „Banlieue“ konzentriert worden, statt sie ein wenig „besser zu verteilen“.
       
       ## Mit Samthandschuhen gegen Polizeigewalt
       
       Keinerlei Kritik will er an den [3][Polizeieinsätzen] während der
       Krawallnächte in zahllosen Städten und namentlich in Marseille zulassen.
       Dort ist ein junger Mann, der auf einem Roller unterwegs war, vermutlich
       nach einer Verletzung durch ein Hartgummigeschoss gestorben. Ein anderer
       wurde ebenfalls von einem solchen Kaliber getroffen und angeblich von vier
       Polizeibeamten anschließend noch so schwer verprügelt worden, dass er
       während mehrerer Tage im Koma lag.
       
       In diesem zweiten Fall hat die Justiz gegen vier Polizisten in Marseille
       ein Ermittlungsverfahren eröffnet, einer der vier befindet sich weiterhin
       in Haft. Das wiederum empört seine Kolleg*innen so sehr, dass sich
       Hunderte von ihnen zum Wochenbeginn krank schreiben, da sie kein
       Streikrecht haben.
       
       Der Chef der nationalen Polizei, Frédéric Veaux, hat sich mit ihnen
       solidarisiert und gesagt: “Der Platz eines Polizisten ist nicht im
       Gefängnis, selbst wenn er im Rahmen seiner Arbeit einen Fehler gemacht oder
       schweren Irrtum begangen hat.“ Haben denn in Frankreich Polizeibeamte, die
       einer schweren Misshandlung beschuldigt sind, ein Recht auf
       Sonderbehandlung, wollte einer der beiden beiden Interviewer von Macron
       wissen?
       
       Dieser wich aus und sprach lieber von der Unschuldsvermutung für alle, ohne
       sich im konkreten Fall festzulegen oder den Polizeichef, der ungeniert
       einen Richterentscheid attackiert, zur Respektierung der Unabhängigkeit der
       Justiz zu mahnen. Grundsätzlich aber stehe in Frankreich „niemand“ über dem
       Gesetz, räumte er zuletzt ein.
       
       24 Jul 2023
       
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