# taz.de -- Kritik an Polizeikategorie: Was heißt hier deutschfeindlich?
       
       > Das BKA erfasst „deutschfeindliche“ Straftaten, Tendenz steigend. Ein
       > Großteil davon wurde in Cottbus notiert. Was ist da los?
       
 (IMG) Bild: Polizist*innen patrouillieren nach Vorfällen auf dem Stadtfest durch Cottbus
       
       Berlin taz | Es ist ein merklicher Anstieg: Von 209 auf 340 stiegen
       „deutschfeindliche“ Straftaten im vergangenen Jahr laut Bundeskriminalamt.
       Nach Bekanntwerden prangerte die AfD prompt einen „Rassismus gegen
       Deutsche“ an, forderte Abschiebungen von nichtdeutschen Tatverdächtigen.
       Doch was verbirgt sich hinter den Zahlen?
       
       Die Kategorie „Deutschlandfeindlichkeit“ ist [1][seit ihrer Einführung in
       den Polizeistatistiken 2019], damals unter Innenminister Horst Seehofer
       (CSU), ein Politikum. Gezählt werden laut BKA Taten, „bei denen sich
       Vorurteile auf die deutsche Nationalität beziehen“. Zuvor hatten
       Landeskriminalämter die Einführung angeregt, um etwa Beleidigungen wie
       „Nazi“ durch „ausländische Bürger“ besser zu erfassen.
       
       Wurden 2019 noch 132 „deutschfeindliche“ Delikte gezählt, sind es nun
       allein im ersten Halbjahr diesen Jahres 351 Taten. Im Verhältnis bleiben
       die Zahlen aber sehr überschaubar: Insgesamt wurden [2][im vergangenen Jahr
       11.520 gruppenbezogene Hasstaten begangen].
       
       Was aber wird erfasst? In einer Auflistung, welche die Linke im Bundestag
       beim Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) erfragte, wird dies
       klarer. Demnach waren unter den 340 „deutschfeindlichen“ Delikten insgesamt
       107 Gewalttaten. Von diesen ereignete sich die große Mehrheit in
       Brandenburg, 78 Fälle insgesamt, 62 davon in Cottbus. Dabei geht es um
       Körperverletzung, in 37 Fällen aber auch um Raubtaten oder räuberische
       Erpressung.
       
       ## „Deutschfeindlich“ und „fremdenfeindlich“ zugleich?
       
       Bemerkenswert: Die Taten wurden von der Polizei auch fast alle zugleich in
       die Kategorien „Rassismus“ und/oder „fremdenfeindlich“ eingeteilt. Bei der
       Einordnung, ob es sich um linke, rechte oder etwa religiöse Straftaten
       handelte, wurde wiederum „nicht zuzuordnen“ angegeben.
       
       Die Zahlen sind umso beachtlicher, da Cottbus sonst [3][eher mit
       rechtsextremen Vorfällen auffällt]. Was also ist da los?
       
       Auf taz-Nachfrage antwortet das Brandenburger Polizeipräsidium, dass es im
       Jahr 2022 in der Stadt zu einer Reihe an Straftaten von „Jugendlichen mit
       heterogenem Migrationshintergrund“ kam. Mit den Taten sollte „eine gewisse
       Vormachtstellung gegenüber deutschen Jugendlichen dargestellt werden“, so
       eine Sprecherin. So seien Aussagen gefallen, dass man gezielt deutsche
       Personen als Opfer ausgewählt habe. Deshalb die Einordnung als
       „deutschfeindliche“ Delikte.
       
       Die Brandenburger Beratungsstelle Opferperspektive aber hat Zweifel. „Dass
       in Cottbus all diese Taten als politisch und deutschfeindlich eingestuft
       werden, ist völlig realitätsfern“, kritisiert Geschäftsführerin Judith
       Porath. Wenn es zu Übergriffen kam, seien diese zu verfolgen. Aber nur weil
       sie von migrantischen Jugendlichen begangen würden, seien sie noch nicht
       alle politisch.„Wir sind aber erstaunt, wie viele Raubstraftaten als
       politisch motiviert klassifiziert werden. Im umgekehrten Fall haben wir bei
       deutschen Täter*innen diese Erfahrung nicht gemacht.“
       
       Gleichzeitig werde durch die parallele Einordnung der Taten als
       „deutschfeindlich“ sowie rassistisch das wahre Bild rassistischer Gewalt
       verzerrt, so Porath zur taz. „Die Polizeistatistik verfälscht das Bild über
       politisch motivierte Kriminalität.“
       
       ## Linke fordert Abschaffung der Kategorie
       
       Auch die Linken-Innenpolitikerin Martina Renner übt harsche Kritik: „Die
       Kategorie ‚deutschfeindlich‘ muss abgeschafft werden. Sie ist ein
       unwissenschaftlicher rechter Kampfbegriff, der tatsächlichen Rassismus
       verdeckt.“
       
       Faesers Ministerium dagegen verteidigt die Kategorie. Ziel der Statistik
       sei es, „Hasskriminalität in ihren verschiedenen Ausprägungen möglichst
       detailliert darstellen zu können“, heißt es in der Antwort auf die
       Linken-Anfrage. Die Definition „Deutschfeindlich“ decke sich „inhaltlich
       mit der im Duden“ und sei „abschließend und trennscharf“.
       
       Kritik kommt indes auch von den mitregierenden Grünen. Deren Innenexpertin,
       Lamya Kaddor, nennt die Kategorie ebenso „unscharf“. Der Begriff sei
       „politisch aufgeladen und es ist unklar, wie genau er überhaupt definiert
       wird“. Natürlich könnten auch Menschen angefeindet werden, die als
       „deutsch“ gelesen würden. Aber, so Kaddor: „Die mit Abstand meisten Fälle
       von klassischem Rassismus in Deutschland gehen von der Mehrheitsbevölkerung
       aus und betreffen Menschen, die nicht zu ihr dazuzählen und nicht
       umgekehrt.“
       
       Die FDP dagegen verteidigt die Kategorie. „Ein zentraler Wesenszug unserer
       demokratischen Gesellschaft ist es, jeder Art von Diskriminierung
       entgegenzutreten und sich dabei keine blinden Flecken zu erlauben“, sagte
       FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin der taz.
       
       ## Auch andere fragliche Kategorien
       
       Die Linke kritisiert aber auch andere unklare Kategorien in der
       Polizeistatistik – wie etwa das Feld „männerfeindlich“. Hier zählte das BKA
       für 2022 insgesamt 15 Straftaten, zwei davon Gewaltdelikte, beide in
       Berlin. Im ersten Halbjahr 2023 kamen 17 weitere Taten hinzu. Die Kategorie
       wurde erst zu Jahresbeginn 2022 eingeführt und erfasst laut BKA Straftaten,
       „die gegen Männer bzw. das männliche Geschlecht gerichtet sind“. Zuvor
       fielen diese Taten in das Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“, das
       2022 dann in „frauenfeindlich“, „geschlechtsbezogene Diversität“ und
       „männerfeindlich“ ausdifferenziert wurde. Auch bei Letzterem verweist das
       Ministerium darauf, dass sich die Definition „weitgehend mit der im Duden
       deckt“.
       
       Renner fordert dagegen auch hier eine Abschaffung: Die Kategorie
       „männerfeindlich“ sei ebenfalls „politisch-tendenziös“ und „verdeckt
       tatsächliche Misogynie und patriarchale Gewalt“.
       
       Auf der anderen Seite erfasst die Polizei auch Taten in den Kategorien
       „rassistisch“, „fremdenfeindlich“ und „ausländerfeindlich“. Renner
       kritisiert, dass auch das kaum auseinanderzuhalten sei und die Frage
       bleibe, worin der Erkenntnisgewinn liege, sie nebeneinander zu nutzen. Auch
       insgesamt offenbarte die aktuelle BKA-Statistik ein Problem: Von den 58.916
       politischen Straftaten im Jahr 2022 [4][wurden 24.080 als „nicht
       zuzuordnen“ eingestuft] – keine Kategorie hatte höhere Zahlen.
       
       Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) übt deshalb grundsätzliche
       Kritik. „Das unseriöse Kategoriensystem verzerrt die PMK-Statistik in alle
       Richtungen und macht das Erfassungssystem nahezu unbrauchbar.“ Das komme
       wohl dabei raus, „wenn man den Duden als wissenschaftliche Grundlage für
       solch komplexen Zusammenhänge heranzieht“, so Pau zur taz. Es sei
       „bestürzend, wie unprofessionell und mit unzureichender Genauigkeit hier
       erfasst wird“. Dabei wären valide Zahlen für die Strategieentwicklung
       „extrem wichtig“.
       
       24 Jul 2023
       
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