# taz.de -- Tennis ist kein Breitensport: Über den Neid auf die Reichen
       
       > Vom Flohmarkt zum Tennisplatz zum Ethikrat: Manche spielen
       > selbstverständlich Tennis, während es andere selbstverständlich nicht
       > tun.
       
 (IMG) Bild: Ganz in Weiß: Tennis
       
       Kürzlich radelte ich sehr eilig zu einem Laden, um mich rechtzeitig in die
       Standliste für einen Flohmarkt einzutragen. Es war allerdings eine eher
       sinnlose Eile, denn auf dem letzten Flohmarkt, auf dem ich meinen Stand
       aufgebaut hatte, hatte ich nicht einmal die Standmiete eingenommen. Zwei
       Bekannte, in deren Augen ich Mitleid vermutete, hatten ein Bilderbuch und
       eine Kinderjacke gekauft, das war alles gewesen.
       
       Ich radelte schnell, vielleicht weil wenigstens die Anmeldung gelingen
       sollte, wenn schon sonst nichts gelang, als mich ein Tennisball am Kopf
       traf. „Das tut mir außerordentlich leid“, sagte eine Stimme und als ich
       mich umdrehte, sah ich den Vorsitzenden des Ethikrats. Der Ethikrat, das
       sind drei ältere Herren von geringer Größe, die mir gelegentlich Hinweise
       in Fragen praktischer Ethik geben. Der Vorsitzende trug eine lange weiße
       Leinenhose und einen Strohhut, in der Hand hielt er einen hölzernen
       Tennisschläger. „Spielen Sie jetzt auch noch Tennis?“, fragte ich und rieb
       meinen Kopf. „Ist das nicht ein Sport für Snobs?“.
       
       „Für uns“, sagte der Vorsitzende und wies mit einer einladenden Geste auf
       Tennisplatz und Klubhaus, „ist es der Ort für unser Forschungsvorhaben
       Statusgefälle und paradoxe Intervention“. „Und wie genau forschen Sie?“,
       fragte ich. „Wir stellen uns selbst in den Dienst der Forschung“, sagte der
       Vorsitzende. Neben ihm erschienen die beiden anderen Mitglieder des
       Ethikrats, die in der Regel schwiegen. Sie trugen ausgebeulte Jogginghosen
       und fleckige T-Shirts und wirkten unfroh.
       
       Ich betrachtete sie und dachte an meine erweiterte Verwandtschaft und deren
       Kinder, von denen manche selbstverständlich für ein Schuljahr ins Ausland
       gehen und andere, die es selbstverständlich nicht tun. Das Bemerkenswerte
       an den Auslandskindern ist weniger ihr gutes Englisch hinterher, sondern
       ihre Gewissheit, dass es kein Parkett geben wird, auf dem sie ausgleiten
       könnten, während die anderen die „Geschlossene Gesellschaft“-Schranke schon
       mit 13 verinnerlicht haben.
       
       ## „Zunehmend Druck auf die Reichen“
       
       Der Ethikrat war bereits auf dem Weg zum Tennisplatz und ich rannte
       hinterher. „Es gibt ja zunehmend Druck auf die Reichen“, sagte ich, „wie
       bei den Klimaklebern auf dem Sylter Flugplatz. Oder bei Demos, die „Wir
       können uns die Reichen nicht mehr leisten“ heißen. Ich sehe das mit
       Sympathie, aber ich frage mich, ob diese Sympathie nicht durch meine eigene
       wirtschaftliche Misere befeuert wird.“
       
       Der Ratsvorsitzende achtete nicht auf mich, weil er versuchte, eine
       Ballmaschine in Gang zu bringen, während sich die beiden anderen
       Ratsmitglieder einer Gruppe Jugendlicher in Shorts von erschütternder
       Weißheit näherten. „Natürlich ist das Neidargument ein Totschlagargument
       gegen alles, was ökonomische Ungerechtigkeit anbelangt“, sagte ich in
       Richtung Ballmaschine, die lustlos ein paar Bälle ausspuckte.
       
       Die prekären Ethikratmitglieder sprachen die Shorts an, aber die taten so,
       als hätten sie nichts gehört und begannen ein Spiel auf dem Nachbarplatz.
       „Wenn ich einen Porsche sehe, bin ich enttäuscht, wenn es ein E-Auto ist,
       das ist doch absurd“, sagte ich zum Ratsvorsitzenden, der gedankenverloren
       den Shorts hinterher schaute. Die Ratsmitglieder sprachen sie erneut an,
       aber niemand reagierte. Da holten die Mitglieder aus ihren ausgebeulten
       Taschen Klebstofftuben hervor, huschten zum Netz und klebten sich daran
       fest.
       
       Die Shorts hielten kurz inne, aber nur kurz, denn es erschienen zwei
       Hausmeister, die das Netz mit den Ratsmitgliedern abnahmen und sie auf eine
       Schubkarre hievten. Doch da nahm die Ballmaschine plötzlich und
       unwissenschaftlich Fahrt auf und im Bällehagel verschwanden Hausmeister und
       Shorts. Als er abebbte, rollten sich die Ratsmitglieder robbenartig aus dem
       Netz. Sie lächelten.
       
       16 Jul 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Gräff
       
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