# taz.de -- Moderator:innen über Reddit-Streik: „Man kann konstruktiv diskutieren“
       
       > Reddit will an die Börse – gegen den Willen der Nutzer:innen. Zwei
       > Content-Moderator:innen sprechen über Mods, Subs und digitalen
       > Streik.
       
 (IMG) Bild: Die Reddit App – soll sie an die Börse oder nicht?
       
       taz: Hallo Schredder, hallo Maria, ihr habt im Juni einen Streik gegen
       Reddit mitinitiert. Was macht Reddit für euch besonders? 
       
       Schredder: Das [1][Forum Reddit kann man sich vorstellen wie einen riesigen
       Raum voller öffentlicher Pinnwände]. Jede Person kann eine neue Pinnwand
       dazustellen, Karten und Stifte bereitlegen und andere dazu einladen,
       mitzugestalten, Kärtchen hinzuzufügen oder zu kommentieren. Ehrenamtliche
       Moderator:innen, genannt Mods, verwalten die Pinnwände. Diese Unterforen,
       genannt Subs, verwalten sich selbst. So entstehen einzigartige Communitys
       mit eigenen sozialen Strukturen.
       
       Ihr seid Mods von linken Subs. Wieso ist Reddit wichtig für Linke? 
       
       Maria: Die einzelnen Subs ermöglichen es, Orte zu schaffen, die für Themen
       stehen. Es gibt spezialisierte Subs, etwa [2][über Polizeigewalt], und in
       anderen gibt es einen linken Grundkonsens und wir reden über Verschiedenes.
       Die Mods als Teil der Communitys können Profile, die Lügen oder Hass
       verbreiten, konsequenter fernhalten. So können wir uns mit Inhalten und
       Fakten beschäftigen, ohne dass etwa irgendwer behauptet, es gebe keine
       Polizeigewalt.
       
       Mitte Juni habt ihr euren Sub für die Öffentlichkeit geschlossen, also
       gestreikt. Wogegen habt ihr protestiert? 
       
       Maria: Reddit hat jahrelang externen Anbieter:innen erlaubt, Dienste
       auf Reddit anzubieten. Zum Beispiel gibt es Software, die es Blinden
       ermöglicht, Reddit zu nutzen oder das Moderieren erleichtert. Jetzt will
       Reddit aber Geld dafür verlangen, weil sie an die Börse streben und sich
       profitabler zeigen wollen. Dagegen richtete sich der Streik.
       
       Schredder: Wir haben unseren Sub ein paar Tage für die Öffentlichkeit
       geschlossen, dann wieder geöffnet, ihn aber als nicht jugendfrei
       eingestellt. So konnte Reddit keine Werbung schalten. Auch wenn sie teils
       noch vorher eingelenkt haben und die elementarsten Programme weiterhin
       kostenlos zulassen werden: Es findet ein Kampf statt, ob wir Mods noch den
       Freiraum nutzen können, den es bei Reddit mal gab.
       
       Was wolltet ihr bewirken? 
       
       Maria: Reddit sollte nur von bestimmten Diensten Geld verlangen. Reddit
       gibt vor, die Dienste zu beschränken, damit KI-Konzerne dafür bezahlen,
       wenn sie Reddit-Dienste zum Training ihrer KI nutzen. Wir denken, das ist
       vorgeschoben. Sonst könnte Reddit gezielt Anbieter von KI-Modellen zahlen
       lassen.
       
       Schredder: Es geht auch um Machtgehabe gegenüber den Mods. Wir sorgen seit
       Jahren ehrenamtlich dafür, dass Reddit funktioniert. Wir löschen
       Unangemessenes, sperren Fake-Profile und solche, die Hass verbreiten. Weil
       es engagierte Mods gibt, ist Reddit einer der letzten Orte im Internet, an
       dem man noch konstruktiv diskutieren kann. Mit dem aktuellen Verhalten aber
       riskiert Reddit, uns zu verlieren.
       
       Welches Verhalten meint ihr konkret? 
       
       Maria: Drei Tage vor Streikbeginn hat Reddit CEO Steve Huffman sich den
       Fragen der Community gestellt, sich aber wie der letzte Unsympath
       verhalten. Er wollte keine Kritik hören – Augen zu und durch. Für mich war
       Reddit eine Plattform, die sich mit der Community gemeinsam gestaltet.
       Jetzt werden die Stimmen der User:innen ignoriert. Das hat viele
       zusätzlich motiviert zu streiken. Während des Streiks drohte Reddit zudem
       persönlich, uns rauszuwerfen.
       
       Könnten nicht einfach neue Mods übernehmen? 
       
       Maria: Wir sind in unseren Subs immer offen für neue Mods. In politischen
       Subs wie unserem besteht aber die Sorge, dass Leute mit anderen Zielen
       übernehmen. Rechte könnten den Sub kapern und ihn zerstören, missbrauchen
       oder aus internen Chats der Mods private Daten ergattern.
       
       Ihr macht also weiter? 
       
       Maria: Ich will nicht aufgeben, überlege aber, Reddit zu verlassen. Ich
       arbeite doch nicht gratis für einen börsennotierten Konzern. Wir Mods
       beleben die Plattform mit Millionen von Arbeitsstunden. Wir moderieren eine
       bis eineinhalb Stunden täglich, auch mal vier. Aber so wie die
       Konzernführung mit uns umgeht, mache ich nicht weiter.
       
       Schredder: Aber wir wissen auch nicht, was dann aus unseren Communitys
       wird, ob Rechte sie übernehmen oder sie verfallen. Wir könnten sie löschen,
       aber dann wäre aller Freiraum, den es vielleicht noch gibt, verloren.
       
       *Namen von der Redaktion geändert
       
       17 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Reddit-in-Deutschland/!5814092
 (DIR) [2] https://www.reddit.com/r/policebrutality/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Moritz Müllender
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Netzkultur
 (DIR) Reddit
 (DIR) Kultur im Internet
 (DIR) Streik
 (DIR) Soziale Netzwerke
 (DIR) Digitalisierung
 (DIR) Reddit
 (DIR) Hass
 (DIR) Antifeminismus
 (DIR) Schwerpunkt Meta
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Börsengang von Reddit: Ist das noch Nische?
       
       Schon Jahre vor dem Börsengang mischte das Online-Forum Reddit die
       Weltmärkte auf. Nun gibt es selbst Aktien aus – zum Ärger vieler Nutzer.
       
 (DIR) Medienanstaltschef über Hass im Internet: „Hier findet Entgrenzung statt“
       
       Tobias Schmid, Chef der Landesmedienanstalt NRW, über Beleidigung und
       Desinformation im Internet – und wie man sich als Gesellschaft dagegen
       wappnet.
       
 (DIR) YouTube-Kanal „Philosophy Tube“: Die Philosophie durchsteigen
       
       „Philosophy Tube“ setzt sich unterhaltsam mit den großen Lebensfragen
       auseinander – mit Kostümen, Sketches und guter Recherche.
       
 (DIR) Rechte „Red Pill“-Cyberkultur: Codewort für Hass gegen Frauen
       
       Im Internet verabreichen Männer anderen Männern symbolische Pillen, um
       ihnen so einzutrichtern, sie würden von Frauen unterdrückt. Die Bewegung
       wächst auch in Deutschland.
       
 (DIR) Facebook entschädigt Moderator*innen: Traumatisierende Inhalte
       
       Facebook zahlt Moderator*innen eine Entschädigung von insgesamt 52
       Millionen US-Dollar. Das sollte Signalwirkung für die ganze Branche haben.