# taz.de -- Erdbeben in der Türkei und Syrien: „Seit es passiert ist, bleiben sie wach“
       
       > Yakubs Familie lebt in der Türkei. Das Erdbeben haben sie überlebt, jetzt
       > herrscht Ausnahmezustand. Hier erzählt er, wie es ihnen geht.
       
 (IMG) Bild: Adana am 7. Februar: Überlebende des Bebens wärmen sich in einer Notunterkunft
       
       Yakub*, Anfang 30, flüchtete vor gut drei Jahren aus der Türkei nach
       Deutschland, inzwischen wurde sein Asylantrag bewilligt. Er wartet darauf,
       seine Frau und seine Tochter zu sich holen zu können. Die leben mit seinen
       Eltern in der Großstadt Adana – doch seit dem Erdbeben ist ihr Zuhause
       unbewohnbar. Der Schock lässt sie immer noch verharren, draußen, im Auto.
       
       „Ich bin seit mehr als drei Jahren von meiner Frau und meiner Tochter
       getrennt. Der Gedanke, dass meine Familie in der Nacht des Erdbebens hätte
       sterben können und wir nicht mehr zusammensein könnten, ist schwer zu
       ertragen. Ich habe noch Angst davor, weil es weitere Erdbeben geben könnte.
       
       In der Nacht hat meine Frau mich angerufen. [1][Es war sehr schrecklich.
       Das Erdbeben hat sie alle geweckt.] Es hat 90 Sekunden gedauert, das ist
       wirklich lang. Meine Eltern waren total im Schock, sie konnten nicht
       denken, sich nicht bewegen. Sie konnten nur auf den Tod warten. So dachten
       sie während des Erdbebens: Wir können nichts machen. Jetzt können wir nur
       beten und sterben.
       
       Ihr Schock ging immer weiter, aber meine Frau konnte irgendwann wieder
       handeln, sie hat sie mitgenommen, raus aus dem Haus. Meine Eltern konnten
       nicht denken, meine Frau konnte zum Glück etwas denken und entscheiden. Ich
       glaube, in dieser Nacht konnten viele Menschen lange keine Entscheidungen
       treffen.
       
       ## „Ich kann nicht wieder ins Haus gehen“
       
       Sie haben etwas gewartet draußen auf der Straße, dass es zu Ende geht, aber
       es ging immer weiter. Erstmal haben sie dann einen sicheren Platz gefunden
       mit dem Auto. Die Nacht war kalt, im Auto zu bleiben war besser als
       draußen. Dann haben sie sich entschieden, zu unserem Heimatdorf zu fahren,
       nur wenige Kilometer entfernt. Dort lebt meine Oma. Meine Oma hat ein Haus
       und einen großen Garten, sie können da ruhig bleiben und vielleicht etwas
       nachdenken, vielleicht den Schock überwinden. Wir sprechen bei jeder
       Gelegenheit, aber das Internet ist im Moment nicht stabil.
       
       Wir kennen Erdbeben, haben es viele Male erlebt. Die Erde in unserem Dorf
       ist sehr stark, es wackelt, aber es fällt nichts um, auch jetzt nicht. Wir
       haben viel erlebt, aber sowas wie jetzt ist noch nie passiert. [2][Das
       schlimmste Erdbeben kann kommen, das wusste man, aber so etwas ist noch nie
       passiert.] Momentan sind Zehntausende oder Hunderttausende Menschen unter
       eingestürzten Häusern – das ist unglaublich.
       
       In vielen Städten ist noch keine Hilfe angekommen. Menschen liegen seit 35
       Stunden unter eingestürzten Gebäuden. Meine Frau sagt: Ich kann nicht
       wieder ins Haus gehen. Sie haben jetzt total Angst, sie wollen auch nicht
       schlafen. Seit es passiert ist, bleiben sie wach und draußen, am Feuer oder
       im Auto. Unsere Wohnung in der Stadt ist jetzt unbewohnbar, das Haus ist
       nicht mehr sicher, man kann nicht darin schlafen.
       
       ## Ich weiß nicht, wie man diesen Schock verarbeiten kann
       
       Meine Mutter hat viele Symptome wegen des Schocks, ihr Blutdruck war sehr
       hoch. Sie ist jetzt im Krankenhaus, hat Medikamente bekommen. Dieses
       Krankenhaus in Adana funktioniert noch. [3][Unsere Stadt ist nicht so
       schlimm betroffen wie andere Städte,] zum Beispiel Hatay. Kahramanmaraş.
       
       Ich weiß nicht, wie man diesen Schock verarbeiten kann. Wir sehen jetzt
       viele Menschen unter Trümmern, dann können wir anderen nicht schlafen oder
       entspannen oder die Zeit genießen. Es ist wirklich sehr schwer, einen
       sicheren Ort zu finden. Meine Familie braucht nicht so viel Hilfe im
       Moment, sie können alleine überleben. Zum Glück haben wir ein Auto. Uns
       geht es besser als anderen Menschen. Wir können zufrieden sein, dass meine
       Familie noch lebt.
       
       Es ist unerträglich für mich, mir vorzustellen, dass meine Frau und meine
       Tochter jetzt unter Trümmern liegen könnten, wie so viele andere. Und es
       ist sehr schwierig, nicht bei ihnen sein zu können, sie nicht unterstützen
       oder trösten zu können.
       
       Meine Eltern könnten nach Deutschland kommen, aber sie möchten nicht, dass
       meine Frau und meine Tochter alleine zurückbleiben, und die brauchen erst
       ein Visum. Ich hätte gerne, dass sie sich hier von dem Schock erholen
       könnten. Wie es weitergeht, weiß ich nicht, das weiß niemand.“
       
       *Name von der Redaktion geändert
       
       7 Feb 2023
       
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