# taz.de -- Markus Braun im Wirecard-Prozess: Angeblich keine Ahnung von nix
       
       > Ex-Vorstandschef Markus Braun weist im Prozess um die Milliardenpleite
       > von Wirecard alle Vorwürfe zurück. Er will nichts gewusst haben.
       
 (IMG) Bild: Ein Kussmund im Gerichtssaal: Markus Braun, Ex-Wirecard-Chef
       
       München taz | Im [1][Wirecard-Prozess] hat am Montag das Schwergewicht
       unter den drei Angeklagten ausgesagt: Markus Braun, ehemals
       Vorstandsvorsitzender und damit oberster Chef des untergegangenen
       Zahlungsabwicklers, will von all den kriminellen Machenschaften nichts
       gewusst haben, derentwegen er angeklagt ist. „Ich weise ganz klar alle
       Anklagepunkte zurück“, sagt er.
       
       Er habe „keine Erkenntnisse über Veruntreuungen besessen“. Auch habe er
       „keinerlei Bande gebildet“. Die [2][Staatsanwaltschaft] hat Braun und den
       beiden anderen Ex-Wirecard-Leuten Oliver Bellenhaus und Stephan von Erffa
       vorgeworfen, innerhalb des Unternehmens als „kriminelle Bande“ gewirkt zu
       haben mit dem Ziel, viele Millionen Euro zu unterschlagen, die Bilanzen zu
       fälschen und die Märkte zu manipulieren.
       
       Markus Braun – wie immer ist er mit schwarzem Rollkragenpulli und
       dunkelblauem Jackett bekleidet – spricht erst einmal über den 18. Juni
       2020, jenen Tag, als 1,9 Milliarden Euro nicht mehr auffindbar waren und
       Wirecard bald darauf zusammenbrach. Dies sei ein „Tag des tiefsten
       Bedauerns, des Schmerzes für die Aktionäre und die Mitarbeiter gewesen“. Er
       habe ihn als „Schockerlebnis“ in Erinnerung.
       
       [3][Aber Braun sieht sich dafür in keinerlei Verantwortung]. Sein
       Verteidiger Alfred Dierlamm hat ihn vielmehr in einem seiner schon vielen
       Statements in diesem Mammutprozess als „Opfer einer Bande“ bezeichnet. Nun
       spricht der 53-Jährige selbst, frei und präzise, über seine eigene Person
       sagt er: „Ich bin immer sehr exakt.“
       
       ## Marsalek schon 2002 kennengelernt
       
       Der einstige Vorstandschef schildert die komplexe personelle
       Wirecard-Aufstellung, wie sie sich ihm dargestellt haben will. Seinen
       österreichischen Landsmann Jan Marsalek hat er am Firmensitz in Aschheim
       bei München schon 2002 kennengelernt, als dieser mit nur 22 Jahren und ohne
       Schulabschluss bei Wirecard angefangen hatte. Marsalek gilt als der
       Hauptkriminelle in dem Komplex, er ist flüchtig und wird unter Schutz des
       russischen Geheimdienstes bei Moskau vermutet.
       
       „Er hatte überragende kognitive Fähigkeiten bei Technologie“, lobt Braun
       Marsalek noch jetzt im Gerichtssaal am Gefängnis München-Stadelheim. Er sei
       „definitiv herausgestochen“. Über die Zeit, als Marselek 2010 in den
       Vorstand berufen und dort für das internationale Geschäft verantwortlich
       wurde, sagt Braun: „Gefühlt war Marsalek damals ein Glücksgriff.“ Er habe
       eine ungeheure Reisetätigkeit an den Tag gelegt, um Märkte in Asien zu
       erschließen und „mit unglaublicher Energie“ das Drittpartnergeschäft
       auszubauen.
       
       Der andere Angeklagte, [4][Oliver Bellenhaus], war einst Bürochef in Dubai.
       Er ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft. Laut seiner Aussage im Prozess
       sollen er selbst, Braun, Marsalek und auch der Chefbuchhalter von Erffa
       gemeinsame Sache gemacht haben – Millionen an Euro für sich selbst zur
       Seite geschafft, die Bilanzen gefälscht und nicht existierende Geschäfte in
       Asien und anderswo erfunden, damit das Unternehmen immer weiter wachsende
       Zahlen ausweisen konnte und der Aktienkurs stieg.
       
       Der einstige Vorstandschef Braun meint aber, dass er mit Bellenhaus nahezu
       keinen Kontakt gehabt habe. Denn für diesen sei Marsalek zuständig gewesen,
       er selbst erinnere sich nur an ein kurzes Treffen mit den beiden. Alles
       andere, dass er Bellenhaus und andere etwa aufgefordert habe, gute Zahlen
       zu liefern, sei erlogen.
       
       ## „Ein absolutistischer CEO“
       
       Den Asien-Mann scheint er eher als kleines Licht zu sehen – mit einem
       Monatsgehalt von nur 13.000 Euro, während Top-Leute es auf eine Million im
       Jahr brachten. Und ein „absolutistischer CEO“, wie von Bellenhaus
       behauptet, sei er gleich gar nicht gewesen: „Es herrschte eine sehr gute
       Gesprächskultur im Vorstand, ich setzte auf das Konsensprinzip.“
       
       Sehr ruhig, ja freundlich spricht Braun über die Wirecard-Vergangenheit.
       Von Wut, Verbitterung oder Verzweiflung ist nichts zu spüren, obwohl ihn
       nach seiner Version Marsalek von vorn bis hinten betrogen und Bellenhaus
       mit seiner Aussage zu Unrecht ans Messer geliefert hat. Die
       Staatsanwaltschaft sieht einen durch Wirecard verursachten Schaden von 3,1
       Milliarden Euro, weitere 1,9 Milliarden Euro auf Konten auf den Philippinen
       werden weiterhin vermisst, möglicherweise existierten sie nie. Das
       Verfahren wird noch mindestens dieses Jahr dauern.
       
       Braun gibt sich sehr kontrolliert, obwohl er schon seit zweieinhalb Jahren
       in Untersuchungshaft sitzt. Ein Mann glaubte an seine Mission, so scheint
       es. Nachfragen des vorsitzenden Richters Markus Födisch beantwortet er
       detailliert. Wie er so von den Wirecard-Abläufen erzählt, möchte man
       meinen, das Unternehmen existiere noch – und Braun sei weiterhin der Chef.
       
       Als dann im Herbst 2019 wieder ein kritischer Bericht der Financial Times
       erschien über das dubiose Asiengeschäft, habe er gleich erkannt, „dieser
       Artikel hatte eine neue Qualität, es war sehr konkret“, sagt Braun. Man
       setzte eine externe Prüfung durch die Gesellschaft KPMG durch. Marsalek
       habe mitunter „sehr schlecht ausgesehen“. Schließlich wurde festgestellt,
       dass die 1,9 Millionen Euro fehlten. „Dann ist die Welt untergangen“, meint
       Braun. „Es war auch meine Welt.“
       
       13 Feb 2023
       
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