# taz.de -- Neues Buch über Polen und Deutsche: Schwere Beziehungskrise
       
       > Der ehemalige deutsche Botschafter in Warschau stellt in Berlin sein Buch
       > vor – und erntet Kritik vom polnischen Botschafter persönlich.
       
 (IMG) Bild: Frauenstreik am 22. November 22 in Warschau vor dem Haus von Jarosław Kaczyński
       
       Rolf Nikel weiß um die Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Polen und
       Deutschen, auch um die kleinen. Sechs Jahre amtierte der Diplomat als
       Botschafter in Warschau, er hat in dieser Zeit so einige Beobachtungen
       gemacht, und jetzt, im Ruhestand, hat er die Zeit gefunden, sie
       aufzuschreiben.
       
       „Es gibt [1][viele reale Probleme] im deutsch-polnischen Verhältnis“,
       schreibt er in seinem gerade erschienenen Buch [2][„Feinde – Fremde –
       Freunde. Polen und die Deutschen“] über die deutsch-polnische Beziehung.
       „Ihre Sprengkraft wird durch die psychologischen Befindichkeiten
       verstärkt.“ Die Deutschen fielen gerne mit der Tür ins Haus. [3][Die
       Polen], die Wert auf Höflichkeit legten, deuteten das schnell als Arroganz.
       Kein Wunder also, dass es in Polen das latente Gefühl gebe, von den
       Deutschen belehrt zu werden.
       
       Als Nikel sein Buch am Montagabend in Berlin vorstellt, meldet sich wie zum
       Beleg aus dem Publikum der polnische Botschafter zu Wort. Er bedanke sich
       für das Buch, sagt Dariusz Pawłoś tatsächlich ausgesprochen höflich, es sei
       eine gute Diskussionsgrundlage. Aber dass Nikel darin der Regierung in
       Warschau empfehle, den polnischen Moment nicht zu verspielen – was damit
       gemeint ist, dazu später –, sei in der polnischen Presse nicht gut
       angekommen. Tatsächlich: Von einer „Frechheit“ ist dort die Rede.
       
       Es ruckelt im Verhältnis zwischen Deutschland und seinem zweitgrößten
       Nachbarn. Oder, wie Nikel sagt: „Die Beziehungen stecken in der tiefsten
       Krise seit Ende des Kalten Kriegs.“
       
       ## Blatt gewendet
       
       Angedeutet hatte sich das, nachdem er 2014 als Botschafter nach Warschau
       kam. Fast sein ganzes Diplomatenleben lang hatte er schon mit Polen zu tun;
       jetzt wollte er die „Früchte der [4][deutsch-polnischen Aussöhnungspolitik
       ernten“].
       
       Mit den Wahlsiegen der rechtskonservativen PiS-Partei wendete sich aber
       schon ein Jahr später das Blatt. Ab da ging es konstant bergab. Nikel
       findet Fehler auf beiden Seiten.
       
       Auf der einen Seite: das deutsche Versagen in der Russland-Politik, das mit
       dem Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr offenbar wurde und in Polen
       Vertrauen gekostet hat. „Die Polen haben uns immer wieder auf das Risiko
       hingewiesen. Wir haben die Warnungen in den Wind geschlagen. Das schlägt
       jetzt heftig auf uns zurück“, sagt der Autor am Montag.
       
       ## Problem Rechtsstaatlichkeit
       
       Auf der anderen Seite tue die polnische Regierung weder dem westlichen
       Bündnis noch sich selbst einen Gefallen, indem sie Deutschland öffentlich
       attackiere, völkerrechtlich fragwürdige Reparationsforderungen für den
       Zweiten Weltkrieg stelle oder bei der Rechtsstaatlichkeit gegen
       EU-Grundsätze verstoße. In Deutschland und anderswo, so Nikel, gebe es
       aktuell so viel Bereitschaft, die polnischen Sorgen ernst zu nehmen, wie
       selten zuvor. Wenn Warschau weiter provoziere, könne „der ‚polnische
       Moment‘ zu Ende sein, bevor er richtig angefangen hat“.
       
       Oder um es mit dem FDP-Außenpolitiker Alexander Lambsdorff zu sagen, der
       demnächst als Botschafter nach Moskau wechselt und der Buchvorstellung
       beiwohnt: Polen verballere seinen Elfmeter noch krasser als der englische
       Stürmer Harry Kane im WM-Finale.
       
       Stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis kitten lässt, selbst wenn
       die PiS-Regierung nach den Wahlen in diesem Jahr im Amt bleibt. Nikel macht
       im Buch einige Vorschläge, erkennt deren Grenzen aber zugleich selbst an.
       Er nennt freiwillige Entschädigungsgesten anstelle von
       Weltkriegsreparationen – die aber nicht nicht mit der „Pistole an der
       Schläfe“ erfolgen könnten. Einfacher zu realisieren ist seine Forderung,
       sich endlich für den Nachbarn zu interessieren und „Polen zu verstehen“.
       Sein Buch trägt dazu bei.
       
       8 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutschlands-Image-in-Polen/!5857596
 (DIR) [2] https://dgap.org/de/veranstaltungen/feinde-fremde-freunde-polen-und-die-deutschen
 (DIR) [3] /Polens-Vergangenheit-und-Gegenwart/!5899261
 (DIR) [4] /Polen-und-Deutschland/!5888552
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polen
 (DIR) PiS
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
 (DIR) Reparationszahlung
 (DIR) Kolumne Fernsicht
 (DIR) Polen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bundesregierung weist Forderungen ab: Keine Reparationen für Polen
       
       Die deutsche Bundesregierung hat die Forderung abgelehnt, 1,3 Billionen
       Euro Entschädigung für Folgen des Zweiten Weltkriegs zu zahlen. Die
       polnische Regierung ist erbost.
       
 (DIR) Flugabwehrsysteme für Polen: Polens Problem mit den Patriots
       
       Die Regierung in Warschau zeigt sich unentschlossen nach dem Angebot aus
       Berlin, Flugabwehrsysteme zu liefern. Die PiS pflegt ihr Antideutschtum.
       
 (DIR) Ein Jahr zwischen Danzig und Berlin: Wenn Polen offen ist
       
       Ein Jahr lebten Freundin und Tochter unseres Autors in Gdańsk. Er pendelte
       hin und her, im Gepäck: polnische Grammatik, Döblin und Ostseesand.