# taz.de -- Aus Lützerath lernen: Der geheime Ampel-Plan
       
       > Sozis und Liberale wollen die Grünen nicht festlegen lassen, wie ein
       > klimaneutraler Umbau der Industrie aussehen soll. Jetzt lassen sie es
       > krachen.
       
 (IMG) Bild: Der geheime Plan, hier bei seiner Präsentation im Dezember 2021
       
       Es sind schockierende Bilder, die uns da erwarten: Polizisten schleifen
       [1][Volker Wissing] von der Straße – der Verkehrsminister durchnässt vom
       eisigen Regen und vom stundenlangen Ausharren auf dem kalten Asphalt.
       Christian Lindner wird im Knebelgriff von drei bulligen Museumswächtern aus
       dem Nolde Museum in Seebüll gezerrt – hinter ihm die berühmten
       Aquarell-Bilder von einer dicken Schicht Krabbensalat bedeckt, die Lindner
       auf sie geworfen hat.
       
       Karl Lauterbach klebt sich in der Kantine des VW-Werks in Wolfsburg an die
       riesige Currywurst-Pfanne und besprüht seinen weißen Ganzkörperanzug mit
       salzfreiem Ketchup. Klara Geywitz kettet sich einen Tag später ans Tor des
       größten deutschen Werks für Gasheizungen. „Was tut Ihr unseren Kindern
       an?“, steht auf dem Schild, das die Bauministerin dabei in die Kameras
       hält. Und Olaf Scholz schwebt an einem Gleitschirm der Bundesluftwaffe in
       den Tagebau Garzweiler II und stoppt so die Arbeit der Riesenbagger. Als
       ein Fernsehteam des WDR ihn fragt, ob eine solche Störer-Aktion nicht die
       Würde des Bundeskanzleramts befleckt, antwortet Scholz mit einem
       Gefühlsausbruch: „Nö.“
       
       Das alles sind Szenen aus einer internen Anleitung der Bundesregierung.
       Denn den Klimaschutz wollen FDP und SPD auf keinen Fall den Grünen
       überlassen. Beide Parteien haben neidisch gesehen, wie erfolgreich die
       Ökopartei mit ihren Vorschlägen zur Problemlösung aus der Müsli-Ecke
       herauskommt. Also wollen sie beim Ranking der beliebtesten PolitikerInnen
       auch mal vorn stehen.
       
       In Zukunft sind also in der Ampelkoalition nicht mehr nur die Grünen
       zuständig, wenn in [2][Lützerath das letzte Kohledorf abgebaggert] wird.
       Die SPD will in ganzseitigen Zeitungsanzeigen auf ihre jahrzehntelange
       Verbundenheit mit der Braunkohle hinweisen und sagen: Wir machen das jetzt
       irgendwie mit Wasserstoff. Die FDP erklärt in einer Social-Media-Kampagne,
       warum sie noch vor zehn Jahren den Emissionshandel als Teufelszeug bekämpft
       hat und ihn heute in den Himmel lobt.
       
       ## Hoch die nationale Solidarität!
       
       Das strategische Kalkül: Sozis und Liberale wollen die Grünen nicht
       definieren lassen, wie ein klimaneutraler Umbau der Industriegesellschaft
       aussehen soll. Und deshalb ist das neue Stichwort: Hoch die nationale
       Solidarität! Wenn es Ärger gibt wie in Lützerath, sagen die Sozis: „Wir
       lassen niemanden zurück!“, und helfen der Polizeigewerkschaft beim Räumen.
       [3][Wenn Windkraftgegner Energieprojekte blockieren], unterbricht selbst
       Wolfgang Kubicki einen Talkshow-Auftritt, um wortgewaltig die
       „Freiheitsenergie“ zu verteidigen.
       
       In ihrem internen Papier wird die Ampel sehr deutlich. „Die
       Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität“,
       heißt es da. Denn „Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und
       nachhaltigen Wohlstand“. Das brisante Papier, das nur Eingeweihte kennen,
       liegt der taz vor. Titel: „[4][Mehr Fortschritt wagen – Koalitionsvertrag
       2021–2025]“.
       
       13 Jan 2023
       
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