# taz.de -- Analyse zu Hartz-IV-Nachfolge: Bürgergeld deckt Stromkosten nicht
       
       > Laut einem Vergleichsportal reicht das Bürgergeld nicht, um die
       > gestiegenen Energiekosten zu bezahlen. Sozialverbände machen Druck.
       
 (IMG) Bild: Der im Bürgergeld veranschlagte Betrag für Stromkosten ist zu niedrig, kritisieren Sozialverbände
       
       München/Berlin dpa | Das neue Bürgergeld deckt nach Berechnung des
       Online-Portals Check24 die Stromkosten der Empfänger*innen ebenso wenig
       wie [1][zuvor Hartz IV]. Die Sozialverbände VdK und der Paritätische teilen
       diese Einschätzung.
       
       Im Posten für Wohnen und Energie – ohne Miete – sind im
       Bürgergeld-Regelsatz für Alleinstehende auf ein Jahr hochgerechnet knapp
       511 Euro vorgesehen. Die durchschnittlichen Stromkosten für einen
       Ein-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 1.500 Kilowattstunden
       beliefen sich trotz [2][Strompreisbremse] aber auf 641 Euro, teilte das
       Münchner Unternehmen am Donnerstag mit. „Damit liegen die Stromkosten 25
       Prozent über der Pauschale.“
       
       Grundlage der Berechnung sind die Preise der Energieversorger, die über das
       Portal von Check24 Strom verkaufen. „Der für die Stromkosten veranschlagte
       Betrag ist viel zu niedrig“, kommentierte VdK-Präsidentin Verena Bentele.
       „Daran hat sich auch mit der Anpassung der Regelsätze nichts
       Grundsätzliches geändert.
       
       Das Problem hat sich mit [3][dem starken Anstieg der Strompreise] eher noch
       vergrößert.“ Der Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen ist mit
       der Umstellung von Hartz IV auf das Bürgergeld um 53 Euro auf 502 Euro im
       Monat gestiegen, das entspricht einer Erhöhung um knapp zwölf Prozent.
       Darüber hinaus übernimmt der Staat „angemessene“ Kosten für Miete und
       Heizung, die Stromrechnung muss aber aus dem Regelsatz bezahlt werden.
       
       „Die Leistungen, die eigentlich ein menschenwürdiges Existenzminimum
       absichern sollen, reichen vorne und hinten nicht, um über den Monat zu
       kommen“, kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des
       Paritätischen Gesamtverbands. Die explodierenden Strompreise verschärften
       die Not für die Menschen, die Grundsicherung beziehen. „Für
       Single-Haushalte waren die Kosten zuletzt fast doppelt so hoch wie das, was
       amtlich zugestanden wurde“, sagte Schneider.
       
       Zuständig für die Auszahlung des Bürgergelds sind die Jobcenter. „Die
       steigenden Heiz- und Stromkosten sind sehr herausfordernd“, sagte eine
       Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Heizkosten würden von
       den Jobcentern regelmäßig in der angemessenen Höhe übernommen. „Anders ist
       es bei den Stromkosten: Haushaltsstrom ist Teil des Regelbedarfes, wird vom
       Gesetzgeber festgelegt und jährlich angepasst. Die Jobcenter haben keinen
       Spielraum, den Regelbedarf anzupassen.“
       
       Die Bundesagentur begrüße deshalb sehr, dass der Regelsatz zum 1. Januar so
       deutlich gestiegen sei. „Dennoch können steigende Stromkosten zu
       finanziellen Belastungen führen. Sollten Menschen in finanzielle Nöte
       kommen, können die Jobcenter zumindest ein Darlehen bewilligen.“
       
       Dass staatliche Leistungen für Bedürftige in Deutschland bisher nicht immer
       für das Existenzminimum ausreichen, hatte bereits am Mittwoch auch eine
       Studie im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gezeigt. Auch von
       den Milliardenhilfen der Regierung wegen der Energiekrise kamen laut der
       Erhebung nicht genug Mittel bei Hartz-IV-Beziehenden an.
       
       „Die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass das soziokulturelle
       Existenzminimum auch im Falle von plötzlichen Preissteigerungen immer
       gedeckt sein muss, wurde mit den Einmalzahlungen nicht erreicht“, heißt es
       in der DGB-Studie mit dem Titel „Ermittlung eines angemessenen
       Inflationsausgleichs 2021 und 2022 für Grundsicherungsbeziehende“ der
       Expertin Irene Becker.
       
       Demnach mussten etwa Alleinlebende im vergangenen Jahr 470 Euro
       Kaufkraftverlust hinnehmen. Die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar
       hat das Problem laut der Studie für das laufende Jahr aber entschärft. So
       sei die Erhöhung der Regelsätze kräftiger als der prognostizierte
       Preisanstieg für das Jahr 2023.
       
       Zum Jahresbeginn waren die Sätze für Bedürftige um rund 50 Euro gestiegen.
       Für alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte gibt es
       seitdem 502 Euro pro Monat. In der im November 2022 erstellten Studie heißt
       es: „Dies ist für die Betroffenen eine erhebliche Erleichterung gegenüber
       der Situation im laufenden Jahr.“
       
       Defizite gebe es aber beim Mechanismus, mit dem das Bürgergeld künftig
       weiter angepasst werden soll. Denn es würden jeweils durchschnittliche
       Änderungsraten aus der Vergangenheit miteinander verknüpft: Nicht
       eingezogen bei der Errechnung der Sätze werde der tatsächlich für das
       jeweilige betreffende Jahr maßgebliche Inflationsverlauf. Vorgeschlagen
       wird von der Studienautorin deshalb unter anderem, dass künftig Änderungen
       des Regelsatzes häufiger möglich sein sollen als nur einmal im Jahr.
       
       5 Jan 2023
       
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