# taz.de -- Nachruf auf Sänger Terry Hall: Der Junge mit den traurigen Augen
       
       > Der britische Ska-Sänger Terry Hall ist tot. Mit seiner Band The Specials
       > prägte er den Sound des postkolonialen United Kingdom.
       
 (IMG) Bild: Terry Hall bei einem Konzert 2019
       
       Es heißt, dass Hirn und Herz in den ersten Sekunden entscheiden, wie wir
       einen Menschen wahrnehmen. Bei Terry Hall fiel das Urteil eindeutig aus,
       als ich ihm vor einigen Jahren bei einem Interviewtermin gegenübertrat:
       Terry Hall war ein sympathischer, ruhiger, sensibler, bescheidener und
       kluger Mann ohne jede Popstarallüren. Er hätte sie sich leisten können.
       
       [1][Terry Hall war der Sänger der Specials], die Ende der 1970er im United
       Kingdom innerhalb kurzer Zeit als Stars galten, und bald wurden sie auf der
       ganzen Welt gehört. Bei den Specials spielten Schwarz und Weiß zusammen,
       sie repräsentierten die Jugend eines Landes, das nach dem Zweiten Weltkrieg
       seine Stellung als Empire verloren hatte.
       
       Ihre Musik war der Sound des postkolonialen United Kingdom. Sie war stark
       vom jamaikanischen Genre 2 Tone geprägt. Ihre Texte erzählten von Armut und
       Rassismus in einem deindustrialisierten Land.
       
       „This town is coming like a ghost town“, sang Terry Hall in [2][„Ghost
       Town“, dem größten Hit der Band], und erklärte sodann, warum: Alle Clubs
       haben zugemacht, hier spielen keine Bands mehr, und das ist kein Zufall,
       sondern Ausdruck des allgemeinen ökonomischen Niedergangs, mit dem
       Perspektivlosigkeit und Gewalt einhergehen: „Too much fighting on the dance
       floor.“ Die Jungen finden keine Jobs und die Regierung lässt sie im Stich.
       
       ## Wut und Legende
       
       Wenn die Specials sangen, dass es so nicht weitergehen könne, sprachen sie
       für viele, und als sie davor warnten, dass die Leute wütend werden, nahmen
       sie die Streikwellen und Krawalle vorweg, die das Königreich erschüttern
       sollten.
       
       Terry Hall war also schon zu Lebzeiten eine Legende – und er galt als
       rätselhaft. Berichte über ihn betonten gern, dass er der Mann sei, der
       niemals lächelt. Bei unserem Gespräch erzählte Hall unvermittelt, warum er
       so traurig in die Welt schaute.
       
       Er war als Junge unter dem Vorwand eines Französischkurses nach Frankreich
       gelockt und dort vielfach missbraucht worden. „Das hat mich zerstört, ich
       war zwölf! Damals gab es medizinisch noch wenig Optionen. Ich bekam Valium
       und war davon abhängig geworden, als ich dreizehn war.“ Zeitlebens litt
       Hall unter Depressionen, seine Selbstmedikation war Alkohol. So erklärten
       sich die traurigen Augen von Terry Hall.
       
       Er stammte aus einer jüdischen Arbeiterfamilie, am 19. März 1959 in
       Coventry geboren. Er trug eine Halskette mit goldenem Davidstern, als er
       bei den Specials spielte. „Meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich den
       täglich trage“, erzählte mir Terry. „Es gab damals eine Partei namens The
       British Movement und wir als Band bekamen von ihnen Todesdrohungen: Zwei
       Schwarze und ein Jude, das ist perfekt, Mann. Ich hatte also die Wahl, wem
       ich mich stellen sollte: dem British Movement oder meiner Mutter.“
       
       ## Schwierige Verhältnisse
       
       Terry war ein talentierter Fußballspieler und er war ein hochintelligentes
       Kind. Doch für die Eltern, die beide in der Autoindustrie arbeiteten, der
       Vater schwer alkoholabhängig, war die Idee einer höheren Ausbildung für den
       Jungen fremd, und das Geld war zu knapp, um es für Bücher und Schuluniform
       auszugeben.
       
       Zu Hause wurde osteuropäische Musik gehört, Klezmer und die Musik der Roma.
       Alle in der Familie sangen, und so wurde Terry im Jahr 1977 der Sänger der
       Automatics, aus denen Special AKA, auch bekannt als The Specials,
       hervorgingen. Später sang Terry Hall bei Fun Boy Three und The Colourfield.
       
       20 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=RZ2oXzrnti4
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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