# taz.de -- The Specials auf Tour: Liebesbeweis auf proletarische Art
       
       > Rocksteady und Ska, Zärtlichkeit und Politik gingen bei den Specials
       > immer Hand in Hand. Am Mittwoch wurden die Briten in Berlin gefeiert.
       
 (IMG) Bild: Horace Panter, Terry Hall und Lynval Golding grooven in Berlin zusammen, als sei es 1979​
       
       Die Bühne der Specials sieht aus, als würde ein Lehrstück gegeben. Sparsam
       um die Band gruppierte Scheinwerfer. Im Hintergrund eine Sammlung von
       Schildern mit Slogans wie „Vote“, „We sell hope“, „Think!“, „Non Judgement
       Day Is Coming“, „Help Someone“, „The Television Will Not Be
       Revolutionized“, aber auch: „Listen to Sly and The Familiy Stone.“
       
       Eine Sirene geht los. Die Band entert die Bühne. „Warning, warning, nuclear
       attack.“ Dass die alten Songs der Specials nach fast vierzig Jahren immer
       noch oder wieder aktuell sind, spricht nicht für die Band, sondern gegen
       die Welt. Eben haben sie ein neues Album veröffentlicht, das mit Ska wenig
       zu tun hat, aber überraschend frisch klingt. Darauf zu hören ist „Vote for
       me“, eine Abrechnung mit der Verantwortungslosigkeit der politischen
       Klasse, im Video sind Schilder wie auf der Bühne mit den Songlyrics zu
       sehen.
       
       Musik und Politik gingen bei den Specials immer auf intelligente,
       unaufdringliche Art und Weise Hand in Hand. Das fing schon mit der
       Zusammensetzung der Band an. Weiße und schwarze Männer spielten gemeinsam
       Rocksteady und Ska. Im von Arbeitslosigkeit, Krawallen und Rassismus
       geprägten Großbritannien war das eine Ansage, die von allen verstanden
       wurde. Da musste man die Lyrics gar nicht gehört haben: „Just because
       you’re a black boy / Just because you’re a white / It doesn’t mean you’ve
       got to hate him / It doesn’t mean you’ve got to fight.“
       
       Dass Sänger Terry Hall aus einer linken jüdischen Familie kam und einen
       großen goldenen Davidstern trug, weil seine Mutter ihm das aufgetragen
       hatte, tat sein Übriges. Die Neonazis vom „British Movement“ hassten die
       Band.
       
       ## Rude Girls and Boys, Skinheads und Punks
       
       Die Fans der Specials waren Rude Girls and Boys, Skinheads und Punks, in
       Deutschland gehörte auch ein Kontingent autonomer Hausbesetzer dazu. Sie
       alle liefen am Mittwochabend, nur ein bisschen älter geworden, in Massen
       auf und feierten die Specials dermaßen, dass Terry Hall am Ende gerührt
       sagte: „Thank you very much for being so lovely.“ Zuvor hatte er sich kurz
       unter zwei auf die Bühne fliegenden Bierbechern wegducken müssen, aber das
       war wohl auch ein Liebesbeweis auf proletarische Art gewesen.
       
       Rudeness, das ist die harte Schale um einen weichen Kern. Die Musik der
       Specials hat eine Zärtlichkeit und Melancholie, die sich im Gesicht Terry
       Halls spiegelt, der bekannt dafür ist, nie zu lächeln, aber auch in den
       Bewegungen der Tanzenden. Hier sind keine Normheteros am Pumpen und
       Revierabstecken. Gestandene Skinheads mit Bierbauch grooven lässig neben
       coolen Frauen zu den funky Beats und Posaunenstößen der Specials.
       
       ## Die ganze Halle singt mit
       
       Das Parkett, das sind normalerweise die billigen Plätze. Hier aber gilt:
       Wer mehr zahlt, darf tanzen, und das macht die Menge ausgiebig. Ich muss
       von oben runterschauen, habe aber einen sehr netten Nachbarn, der aus
       Weimar angereist und wie ich allein ist, weil seine Kumpels morgen arbeiten
       müssen.
       
       Zwei Zugaben müssen die Specials spielen. Bei „Breaking Point“ versammeln
       sie sich am Bühnenrand, der Keyboarder hat sich ein Akkordeon umgehängt,
       dann geben sie jenes Stück vom neuen Album, das von Terry Halls Liebe zur
       osteuropäischen Musik der Juden und Roma erzählt. Es ist eine Moritat im
       Geist von Brecht/Weill: „Stand with me at breaking point as riots hit the
       streets / Another toppled government will make the day complete / There
       goes another border, here comes a new world order / It’s time to call it
       quits before the future hits.“
       
       So schön es ist, irgendwann ist Schluss. Da singt noch mal die ganze Halle
       mit: „You’re wondering now, what to do, now you know this is the end.“ Im
       November werden die Specials nach einer ausgedehnten Tour durch die USA und
       das Vereinigte Königreich nochmal nach Deutschland kommen und in München
       und Dresden spielen.
       
       12 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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