# taz.de -- Korruptionsskandal im EU-Parlament: Katars langer Arm zum Stiefel
       
       > Viele Beschuldigte im Korruptionsskandal des Europaparlaments sind aus
       > Italien – etwa Gewerkschafter Antonio Panzeri. Wie kommt's?
       
 (IMG) Bild: Machte sich für Katar stark und bescheinigte in Artikeln Arbeitnehmer*innenrechte: Antonio Panzeri
       
       Rom taz | Die Hauptbeschuldigte des Korruptionsskandals, die mittlerweile
       suspendierte Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Eva Kaili, ist
       zwar Griechin, aber die meisten anderen stammen aus Italien. Auch eine
       weitere zentrale Figur des Netzwerks: Antonio Panzeri, ein ehemaliger
       linker Abgeordneter des Europäischen Parlaments.
       
       Neben seinem Haftbefehl bestätigte am Sonntag die belgische Justiz die für
       Francesco Giorgi, den Parlamentsmitarbeiter und Lebensgefährten Kailis
       sowie für den Generalsekräter der Organisation No Peace without Justice,
       Niccolò Figà-Talamanca. Alle drei bleiben wie Kaili weiter im Gefängnis.
       Die Tochter und die Frau Panzeris stehen aufgrund eines Europäischen
       Haftbefehls in Italien unter Hausarrest.
       
       Hingegen wieder auf freiem Fuß sind Kailis Vater Alexandros Kaili und Luca
       Visentini. Letzterer wurde im November zum Generalsekretär des
       Internationalen Gewerkschaftsbundes gewählt, des weltweiten Dachverbandes
       der Gewerkschaften, der seinen Sitz in Brüssel hat. Trotzdem sind die
       Ermittlungen gegen sie noch nicht eingestellt.
       
       Das Netzwerk soll versucht haben, [1][Katar einen Ruf als
       arbeitnehmer*innenfreundliches] Land zu verschaffen – gegen ein
       üppiges Entgelt. In Panzeris Brüsseler Wohnung fanden die
       Ermittler*innen laut italienischen Medien jene 600.000 Euro in bar,
       deren Beschlagnahmung sie nach der Razzia bekannt gaben.
       
       ## „Nicht wieder 100.000 Euro“
       
       Das überrascht, betrachtet man die bisherige Karriere Antonio Panzeris:
       immer klar links, immer engagiert im Kampf für die Rechte der
       Arbeitnehmer*innen. So machte der 67-Jährige seinen Weg beim größten
       [2][italienischen Gewerkschaftsbund CGIL].
       
       Dort war Panzeri von 1995 bis 2003 Vorsitzender des Ortsverbands in
       Mailand, dem einflussreichsten in Italien. Zudem war er in der
       Kommunistischen Partei und blieb auch, als sie sich vom Kommunismus
       verabschiedete und in der Partei der Linksdemokraten aufging. Für sie zog
       Panzeri 2004 schließlich ins Europaparlament, dem er für drei
       Legislaturperioden bis 2019 angehörte.
       
       Auch als die Linksdemokraten 2007 mit der Mittepartei Margherita zur
       Partito Democratico (PD) fusionierten, blieb er. Doch dann wurde 2013
       Matteo Renzi zum Vorsitzenden und [3][etwas später auch italienischer
       Ministerpräsident] gewählt.
       
       Renzi brachte die PD auf marktliberalen Kurs, einen „Dritten Weg“, welcher
       sich an der Regierungspolitik des früheren britischen Labour-Premiers Tony
       Blair oder des ehemaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder orientierte. Er
       setzte beispielsweise gegen den Willen der Gewerkschaften
       Arbeitsmarktreformen durch.
       
       Da wurde es dem scheinbar roten Panzeri zu bunt. Gemeinsam mit anderen
       Vertreter*innen des linken Parteiflügels verließ er 2017 die PD, um die
       kleine, stramm linke Partei Articolo Uno zu gründen.
       
       Als er 2019 das EP verließ, blieb er scheinbar seinen alten linken Idealen
       treu und gründet eine Menschenrechtsorganisation mit namhafter
       Unterstützung. Aus dieser moralischen Position machte Panzeri sich für
       Katar stark, bescheinigte in freundlichen Artikeln die Fortschritte des
       Golfstaats bei Arbeitnehmer*innenrechten. Er nutzte sein über die Jahre im
       EP geknüpftes Netz.
       
       Aber während Panzeri sich öffentlich für Menschenrechte abmühte, lebte er
       mit seiner Familie auf großem Fuß. In Italien wurde aus den
       Ermittlungsakten öffentlich, dass er ausführlich mit seiner Gattin erörtert
       habe, über welche Bankkonten Gelder fließen sollen. Zugleich diskutierten
       sie Pläne für Privatreisen, die aber – so die Ehefrau – „nicht wieder
       100.000 Euro wie im letzten Jahr“ kosten sollten.
       
       12 Dec 2022
       
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