# taz.de -- Bundestagsdebatte zu Tierhaltung: Kritik an Özdemirs Fleisch-Siegel
       
       > Außer den Grünen haben alle Bundestagsfraktionen am Plan des
       > Agrarministers etwas auszusetzen. Vor allem, dass nur ein Teil des
       > Marktes erfasst wird.
       
 (IMG) Bild: Auch das wird bisher nicht von der Kennzeichnung erfasst: Schweine kommen auf einem Schlachthof an
       
       Berlin taz | Agrarminister [1][Cem Özdemir] hat mit seinem Gesetzentwurf
       für eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch Kritik aus fast
       allen Bundestagsfraktionen geerntet. Lediglich seine Grünen hatten bei der
       ersten Debatte des Projekts in der Parlamentskammer am Donnerstag nur Lob
       für ihn übrig. Damit steigt der Druck, das geplante Gesetz zu ändern, bevor
       es im kommenden Jahr verabschiedet wird.
       
       Der Gesetzentwurf sieht vor, dass auf frischem Schweinefleisch künftig
       stehen muss, in welchem Haltungssystem die Tiere gemästet wurden.
       Vorgesehen sind fünf Kategorien: „Stall“ entspricht dem gesetzlichen
       Standard. „Stall+Platz“ bietet 20 Prozent mehr Fläche pro Tier,
       „Frischluftstall“ auch Kontakt zum Außenklima, „Auslauf/Freiland“ Zugang
       ins Freie und „Bio“ eine Haltung nach den Ökovorschriften – also mit
       Biofutter, Auslauf und mehr Platz als in der Stufe „Stall“. Ziel ist, dass
       die VerbraucherInnen leichter tierfreundlichere Produkte auswählen können
       und mehr Tiere artgerechter gehalten werden.
       
       „Es wird kein Import berücksichtigt, kein Gastro, keine anderen Tierarten“,
       kritisierte der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Albert
       Stegemann. Die Kennzeichnung werde nur für 25 bis 30 Prozent des
       Schweinefleischmarkts gelten. Ferkel dürften, anders als in Deutschland, im
       Ausland ohne Betäubung kastriert und dennoch wie hierzulande geborene Tiere
       gekennzeichnet werden. Die FDP habe Pläne für eine ausreichende
       Tierwohl-Finanzierung „weggesprengt“. Die Unionsredner plädierten für
       private Labels wie die Initiative Tierwohl oder die „Haltungsform“. Diese
       Siegel wären aber mit der staatlichen Kennzeichnung nicht mehr möglich,
       ergänzte Stegemanns Fraktionskollegin Christina Stumpp. So werde das
       Tierwohlniveau „dramatisch sinken“ und die Tierhaltung ins Ausland
       abwandern. Die AfD monierte, die Kennzeichnung benachteilige deutsches
       Fleisch gegenüber Importen.
       
       Ina Latendorf von der Linken dagegen begrüßte, dass Özdemir nun eine
       staatliche verpflichtende Kennzeichnung einführen will. Denn bei den
       privaten Labels würden die schlechteren Produkte eher nicht gekennzeichnet.
       Aber auch für Latendorf erfasst Özdemirs Kennzeichnung einen zu kurzen
       Abschnitt im Leben der Schweine und zu wenige Tierarten. „Die
       VerbraucherInnen werden getäuscht über diese Kennzeichnung“, warnte sie.
       Sie könnten denken, dass es den Tieren in den unteren Stufen gutgehe.
       TierschützerInnen kritisieren zum Beispiel, dass diese Stufen keine
       Stroheinstreu vorsehen, die nötig ist, damit sich die Tiere beschäftigen
       können und sich aus Langeweile nicht gegenseitig die Schwänze abbeißen.
       
       Selbst aus der Ampelkoalition kam Kritik, wenn auch nur an Details, die
       aber wichtig sind. Biofutter sage nichts über Tierwohl aus, sagte Gero
       Hocker von der FDP und stellte die Biostufe infrage. Die Sozialdemokratin
       Luiza Licina-Bode sprach sich dagegen aus, Auslauf- und Freilandhaltung
       zusammen in einer Stufe zu gruppieren. Als Auslauf genüge ja schon ein
       Boden mit Betonplatte.
       
       Özdemir verteidigte seinen Gesetzentwurf als einen „ersten Schritt“. „Wenn
       wir alles auf einmal machen wollten, dann würde nichts passieren“, sagte
       der Minister. Es sei EU-rechtlich nicht möglich, dass Deutschland die
       Kennzeichnung auch für importiertes Fleisch vorschreibt. Die EU-Kommission
       habe aber zugesagt, Anfang kommenden Jahres eine Vorlage für eine
       Ausweitung der europäischen Herkunftskennzeichnung zu präsentieren. Der
       Bund werde den Stallumbau und die laufenden Kosten mit 10-Jahres-Verträgen
       mitfinanzieren.
       
       15 Dec 2022
       
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