# taz.de -- Klimaprotest in Frankreich: Als „Ökoterroristen“ angeklagt
       
       > Fünf Personen mussten sich wegen der Teilnahme an einer Klimademo vor
       > Gericht verantworten. Paris vergleicht sie mit der Letzten Generation.
       
 (IMG) Bild: Proteste in Sainte-Soline am 29. Oktober gegen ein landwirtschaftliches Bewässerungsprojekt
       
       Paris taz | Im westfranzösischen Niort standen am Montag fünf Angeklagte
       vor Gericht. Vorgeworfen wurde ihnen, „an einer Ansammlung mit der Absicht,
       Sachbeschädigungen oder Gewalt zu verüben“, teilgenommen zu haben. Trotz
       der Ermittlungen konnte die Staatsanwaltschaft den fünf Menschen nichts
       anlasten.
       
       Sie waren weder mit einem Molotowcocktail im Sack noch bei einer Schlägerei
       mit den Gendarmen erwischt worden, sondern im Verlauf einer Protestaktion
       [1][am letzten Samstag im Oktober] festgenommen worden. Es ist eine Form
       von „Gesinnungsdelikt“, meint in der [2][Zeitung Libération die Anwältin
       Hanna Rajbenbach], die einige der Angeklagten verteidigt. Dieser Paragraf
       der Teilnahme an einer Demonstration, bei der es zu Gewalt kam, werde stets
       gezückt, wenn „materiell nichts vorliegt“, so Rajbenbach.
       
       Die fünf Angeklagten leugneten denn auch nicht, zusammen mit mehreren
       tausend anderen in Sainte-Soline in der Region Deux-Sèvres gegen ein
       gigantisches Projekt von künstlichen Seendemonstriert zu haben. Beim
       Versuch, eines der Baugelände zu besetzen, wo ein riesiger Krater für
       650.000 Kubikmeter Wasser entsteht, kam es zu gewaltsamen
       Auseinandersetzungen. Laut Behörden wurden mehr als 60 verletzte Beamte
       gezählt. Mehrere Demonstrierende wurden durch Granaten zum Teil schwer
       verletzt.
       
       Die Demonstrierenden konnten trotz des massiven Aufgebots an
       Ordnungskräften und dem Einsatz von Hubschraubern und Panzerfahrzeugen bis
       an den Rand der Baustelle gelangen. Die Gegner*innen des Vorhabens haben
       weitere Aktionen gegen die „Privatisierung der bereits knappen
       Wasservorkommen“ angekündigt.
       
       ## Vergleich mit den Aktionen der Letzten Generation
       
       Diese Schmach durfte für den [3][französischen Innenminister Gérald
       Darmanin] nicht ohne rechtliche Konsequenzen bleiben. Er bezeichnet die
       Umweltaktivisten, die er für die Eskalation der Gewalt verantwortlich
       macht, als „Ökoterroristen“. Er wirft sie in denselben Topf wie die
       Klimaschützer*innen, die derzeit in mehreren Ländern in Museen Bilder mit
       Suppe oder Farbe verschmieren oder sich mit den Händen auf der Straße
       festkleben ([4][Letzte Generation]). Für den staatlichen Ordnungshüter in
       Paris wurde da klar eine rote Linie überschritten.
       
       [5][Laut dem Onlinemagazin Mediapart hat das französische
       Justizministerium] in einem Rundschreiben die zuständigen Staatsanwälte zu
       besonderem Eifer bei der strafrechtlichen Verfolgung dieser
       Umweltaktivisten angehalten. Diese militanten Aktionen müssten „eine
       systematische und rasche Antwort“ seitens der Gerichte erhalten. Nach dem
       ersten Prozess in Niort sind bereits mehrere andere Gerichtstermine im
       Januar und März gegen weitere am 29. Oktober mehr oder weniger willkürlich
       herausgepickte und festgenommene Demonstrierende bekannt.
       
       Der Staatsanwalt von Niort, Julien Wattebled, rechtfertigt die gerichtliche
       Strenge als „verhältnismäßig“, denn der Staat sei „bei jeder Bewegung mit
       mehr Vergehen und mit immer gefährlicheren Straftaten“ konfrontiert. Wurden
       deshalb 19 Personen, die am 2. Oktober an einer politischen „Grillparty“
       mit insgesamt 50 Gegner*innen der Wasserreservoirs anwesend waren,
       zwecks Eröffnung von Strafverfahren vorgeladen?
       
       29 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Protest-gegen-Bewaesserungsprojekte/!5888650
 (DIR) [2] https://www.liberation.fr/environnement/agriculture/mouvements-antibassines-la-repression-met-la-pression-20221128_YZSNVQWXABG5DLVBN2G537PZDU/
 (DIR) [3] /Fluechtlingspolitik-in-Frankreich/!5892424
 (DIR) [4] https://letztegeneration.de/
 (DIR) [5] https://www.mediapart.fr/journal/france/151122/mobilisation-contre-les-megabassines-les-instructions-repressives-du-garde-des-sceaux
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Protest
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Umweltschutz
 (DIR) Wasser
 (DIR) Letzte Generation
 (DIR) Schwerpunkt Klimaproteste
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Nancy Faeser
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klimaktivist*innen lösen Gruppe auf: Fridays machen Schluss
       
       Die Ortsgruppe von Fridays for Future Bremen war in die Kritik geraten, nun
       löst sie sich auf – und übt Kritik an der deutschen Bewegung.
       
 (DIR) Präsident Macron besucht die USA: Ziemlich keine besten Freunde
       
       Zwischen Frankreich und den USA knirschte es zuletzt. Daran änderten auch
       die schönen Fotos beim Staatsbesuch nichts.
       
 (DIR) Vorbeuge-Gewahrsam in Bayern: Klimaaktivisten wieder frei
       
       19 Personen sind aus dem Gewahrsam entlassen worden. Letzte Generation will
       Proteste in München und Berlin bis Ende kommender Woche unterbrechen.
       
 (DIR) Juraprofessorin zur Letzten Generation: „Das Strafrecht ist keine Lösung“
       
       Die Politik sollte auf die Letzte Generation zugehen, sagt Katrin Höffler.
       Die Professorin für Strafrecht warnt vor einer Eskalationsspirale.
       
 (DIR) Protest gegen Bewässerungsprojekte: Der „Wasserkrieg der Deux Sèvres“
       
       In Frankreich kommt es bei Protesten gegen ein öffentlich finanziertes
       Bewässerungsprojekt zu Zusammenstößen. Bilanz: Dutzende Verletzte.