# taz.de -- Gesperrter Basketballprofi Kyrie Irving: Rückkehr aufs Parkett
       
       > Basketballer Kyrie Irving bot Verschwörungstheoretikern eine Plattform
       > und zeigte sich ambivalent schuldbewusst. Nun ist er wieder auf dem
       > Court.
       
 (IMG) Bild: Dunken statt Denken: Kyrie Irving am vergangenenen Wochenende
       
       „Ich bin nur hier, um über das Spiel zu reden“, wiederholte Kyrie Irving
       auf der Pressekonferenz nach seiner Rückkehr immer wieder. Dennoch hatten
       die Journalisten nach dem Sieg der Brooklyn Nets gegen die Memphis
       Grizzlies am vergangenen Sonntag wenig Fragen zum Sportlichen. Die
       Diskussionen um den Basketballprofi Kyrie Irving kreisen stattdessen
       weiterhin um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn, die zu der acht Spiele
       langen Sperre geführt hatten.
       
       Der Aufbauspieler der Mannschaft aus Brooklyn hatte für Schlagzeilen
       gesorgt, weil er auf seinem Twitter-Account die antisemitische
       Dokumentation „[1][Hebrews to Negroes]“ verbreitet hatte.
       Journalist*innen und NGOs konfrontieren Irving daraufhin mit den
       schwerwiegenden Folgen, die das Teilen derartiger Verschwörungstherorien
       für die Sicherheit von Juden und Jüdinnen habe. Bei seinem ersten Spiel
       nach dem Skandal sitzen in der ersten Reihe jüdische Nets-Fans mit der
       Botschaft „Fight Antisemitism“ auf ihren T-Shirts. Und trotz allem läuft
       der Guard weiter für Brooklyn auf.
       
       Erst als er sich vor der Presse um eine Entschuldigung drückt, schreitet
       seine Mannschaft ein und sanktioniert ihn. Fünf Spiele wird Irving zunächst
       ohne Bezahlung gesperrt. Hinzu kommt ein Anforderungskatalog, den er in der
       Zeit der Suspendierung abarbeiten muss, um wieder spielen zu dürfen. Irving
       muss sich zusätzlich zu einer Entschuldigung und Distanzierung von den
       Inhalten des Films mit dem Besitzer der Brooklyn Nets, Joe Tsai, und
       verschiedenen jüdischen Organisationen der Anitsemitismusbekämpfung
       treffen. Außerdem muss er 500.000 Dollar spenden und Schulungen zur
       Sensibilisierung für Antisemitismus besuchen.
       
       Die Liste hat Irving wohl abgearbeitet. Seit Sonntag spielt er wieder
       Basketball. Doch schon das erste Spiel zeigt, welche Wellen die letzten
       Wochen geschlagen haben. So kam es vor der Halle in Brooklyn immer wieder
       zu Protesten gegen die Suspendierung Irvings. Diese kulminierten am Sonntag
       in einem regelrechten Aufmarsch der Organisation „Israel United in Christ“,
       Anhänger der Verschwörungstheorien, die Irving geteilt hatte. Es zeigte
       sich, welchen radikalen Gruppen [2][der NBA-Star mit seiner Reichweite]
       eine Bühne geboten hat.
       
       ## Die Macht seiner Stimme
       
       Es geht um weit mehr als die viel diskutierte Frage, ob Kyrie Irving ein
       Antisemit ist oder nicht. Der NBA-Geschäftsführer Adam Silver und viele im
       persönlichen Umfeld Irvings versichern, er sei es nicht. Irving beschwor
       seit dem Vorfall in verschiedenen Interviews seine Toleranz gegenüber allen
       gesellschaftlichen Gruppen. Dennoch stellt er fest: „Das Schwierige ist,
       die Macht meiner Stimme zu verstehen, den Einfluss, den ich habe. Ich bin
       niemandes Idol, aber ich bin ein Mensch, der einen Unterschied machen
       will.“
       
       Als NBA-Champion und Goldmedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen
       genießt Irving viel Respekt in der Basketballwelt. So wurde er von
       verschiedenen NBA-Kollegen wie Jaylen Brown und Kevin Durant sowie der
       Spielergewerkschaft verteidigt. LeBron James bezeichnete den
       Anforderungskatalog der Brooklyn Nets als „exzessiv“. Irving sei nicht die
       Person, zu der er gemacht werde.
       
       Doch die besondere Bedeutung des Falls liegt nicht allein in Irvings
       sportlichen Leistungen, sondern in seiner außergewöhnlichen Beliebtheit. So
       war Irving vor einigen Jahren eine der größten Identifikationsfiguren des
       Basketballs weltweit. Aufgrund seiner spektakulären Spielweise und den
       charismatischen Auftritten in verschiedenen Werbespots wurde er zum
       Lieblingsspieler der Freiplatz-Zocker. Seine Schuhe wurden von Nike gezielt
       für Kinder und Jugendliche vermarktet und so zur zweitlukrativsten
       Schuhserie des Konzerns. Nur LeBron James’ Schuhe verkaufen sich besser.
       Mittlerweile hat Nike den Sponsoringvertrag mit Irving aber ausgesetzt.
       
       Der rapide Absturz vom Posterboy zum Verschwörungstheoretiker ist somit
       einerseits beispiellos in der NBA und andererseits umso folgenschwerer.
       Auch Kareem Abdul-Jabbar, einer der besten Basketballer aller Zeiten und
       Bürgerrechtsaktivist, sieht hier das zentrale Problem. Denn obgleich auch
       er feststellt, dass Irving von politischen Akteuren ausgenutzt werde, um
       Hetze zu verbreiten, kritisiert er das mangelnde Bewusstsein von
       Profisportlern für den Schaden, den sie mit ihrer Reichweite anrichten
       könnten.
       
       Wenn Kyrie Irving also selbst kein Antisemit sein mag, so bleibt die Frage
       offen, ob er Konsequenzen ziehen und sein Verhalten als Person des
       öffentlichen Lebens selbstkritisch anpassen wird. Sein Statement nach dem
       letzten Spiel lässt daran jedoch Zweifel aufkommen: „Ich hätte gerne eine
       Plattform, wo ich offen sagen kann, was ich denke, ohne scharf kritisiert
       und abgestempelt zu werden“, so Irving in altbekannt defensiver Manier der
       Presse.
       
       25 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://forward.com/news/524892/hebrews-to-negroes-movie-summary/
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/kyrieirving/?hl=de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philon Griesel
       
       ## TAGS
       
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