# taz.de -- Raketeneinschlag in Polen: Es ist auch unser Krieg
       
       > Der Vorfall in Polen hat gezeigt: der Krieg in der Ukraine kann sich
       > jederzeit ausweiten. Seine Auswirkungen sind längst global.
       
 (IMG) Bild: Wohnen in einem zerstörten Dorf nahe Kiev – Ein Normalzustand, der nicht normal ist
       
       Einhundert Raketen aus Russland landeten am Dienstag in der Ukraine und
       richteten verheerende Schäden an. Das ist ukrainische Normalität. Zwei
       Raketen, mutmaßlich eine russische und eine ukrainische, landeten während
       dieser Angriffswelle bei einem Getreidesilo in Polen und töteten zwei
       Landarbeiter. Das versetzt Europa in Angst und Schrecken.
       
       Es ist gut, dass nach anfänglicher nächtlicher Erregung über einen
       [1][mutmaßlichen russischen Angriff auf Polen und damit Nato-Gebiet schnell
       Ruhe eingekehrt] ist. Es war, da sind sich mittlerweile alle einig, kein
       gezielter Beschuss. Es war – vermutlich – eine Verkettung unglücklicher
       Umstände. Die gibt es im Krieg öfter als gemeinhin angenommen. Die falschen
       Ziele werden getroffen, die falschen Mittel eingesetzt, die falschen
       Einheiten an die falsche Stelle geschickt. Meistens merkt das niemand, der
       nicht direkt beteiligt ist. Vorfälle wie [2][dieser in Polen, wo eine
       ukrainische Abwerhrrakete] ihr russisches Ziel nicht richtig trifft und am
       Schluss beide im falschen Land Schaden anrichten, geschehen in der Ukraine
       selbst vermutlich jeden Tag. Da fällt es eben nicht groß auf. Aber nur ein
       paar Kilometer weiter, wo es nicht mehr die Ukraine ist, merkt es die ganze
       Welt.
       
       Die ukrainisch-polnische Grenze markiert die Grenze zwischen einem
       Normalzustand, den man hinnimmt, und einem Ausnahmezustand, der für
       Aufregung sorgt – und zeigt, dass dieser Normalzustand eigentlich gar nicht
       normal ist. Der Krieg in der Ukraine kann sich nicht nur jederzeit
       ausweiten, seine Auswirkungen sind längst global. Es ist auch unser Krieg,
       ob wir wollen oder nicht.
       
       Der Vorfall von Przewodow wäre nicht geschehen, wenn Russland die Ukraine
       nicht beschießen würde. Die daraus zu ziehenden Schlüsse sind einfach. Nie
       wieder dürfen Raketen aus dem Ukrainekrieg in Polen landen – und nie wieder
       dürfen russische Raketen die Ukraine verwüsten.
       
       „Den Himmel schließen“ forderten viele Ukrainer im Februar zu Kriesgbeginn,
       als der russische Bombenhagel ihre Städte zu zerstören begann. Sie blieben
       ungehört: die Nato wollte sich nicht durch eine Flugverbotszone in den
       Krieg hineinziehen lassen. Aber sie kann auch so hineingezogen werden. Das
       mindeste, was die Nato-Staaten jetzt tun können, ist die eigene
       militärische Abwehrbereitschaft an den Ostgrenzen massiv auszubauen. Der
       nächste Schritt wäre, die Luft- und Raketenabwehr der Ukraine so zu stärken
       und zu verbessern, dass sie keine Fehler mehr macht und dass sie keine
       russischen Raketen mehr durchlässt. Die Ukraine gewinnt momentan den Krieg
       gegen Russland am Boden. Sie darf ihn nicht in der Luft verlieren.
       
       16 Nov 2022
       
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