# taz.de -- Ideenwettbewerb für den Schlossplatz: „Die Mitte komplexer machen“
       
       > Ein Verein will den Palast der Republik wieder aufbauen – dort, wo jetzt
       > das Stadtschloss steht. Das ist durchaus nicht als Witz gemeint.
       
 (IMG) Bild: Sie haben einen Plan: Ortrun Bargholz und Clemens Schöll wollen den Palast der Republik zurück
       
       taz: Frau Bargholz, Herr Schöll, Sie fordern und fördern mit Ihrem Verein
       den Wiederaufbau des [1][Palasts der Republik in seinem Zustand von 2005].
       Was soll denn das heißen? 
       
       Ortrun Bargholz: Der Förderverein will das Stadtbild Berlins heilen, das
       heißt für uns auch, die Mitte komplexer zu machen. Deshalb fordern wir,
       dass die vier Fassaden des Palastes der Republik wiederaufgebaut werden.
       
       Und wie soll das vonstatten gehen? 
       
       Clemens Schöll: Wir werden in den nächsten Jahrzehnten
       Öffentlichkeitsarbeit betreiben und Spenden sammeln. Und eines Tages, wenn
       es zum Wiederaufbau kommt, wird der Bund die Gelder bereitstellen und einen
       Wettbewerb ausschreiben.
       
       Was gibt Ihnen die Hoffnung, dass das klappen wird? 
       
       Bargholz: Beim [2][Schloss hat es ja auch geklappt]. Erschreckenderweise,
       denn an drei Seiten gibt es von außen keinerlei Hinweis darauf, dass dieses
       Schloss als Neubau, also in der Form, wie es jetzt dasteht, nicht schon
       immer hier stand. Und genau das wollen wir ändern.
       
       Wie sind Sie darauf gekommen? 
       
       Schöll: Wir haben die [3][Spendenkampagne im Sommer 2021 gestartet], als
       das Humboldt Forum seine erste physische Teileröffnung gefeiert hat. Wir
       fanden es wichtig, dass ausgerechnet in dem Moment, wo der fertiggestellte
       Schlossneubau eröffnet wird, die Schlossdebatte nicht endet. Da haben wir
       uns als Angehörige einer jüngeren Generation in der Rolle gesehen, den
       Staffelstab zu übernehmen. Das ist die eine Seite. Und die andere ist, dass
       wir diese Mechanismen des Wiederaufbaus interessant finden. Wir wollten das
       wiederholen. Diese Schritte, die wir uns jetzt in einem 5-Punkte-Plan
       vorgenommen haben, die sind bewährt. Die funktionieren. Das hat die
       Realität gezeigt. Und das finden wir interessant.
       
       Sie verfolgen genau denselben Plan, den der Förderverein Berliner Schloss
       beim Wiederaufbau des Schlosses verfolgt hat? 
       
       Bargholz: Ja, aber als Erstes wollen wir nun eine Bronze gießen lassen, die
       hier gut sichtbar auf dem Schlossplatz stehen soll. Dafür haben wir über
       9.000 Euro Spenden und Mitgliedsbeiträge gesammelt. Für den Guss der Bronze
       reicht das wahrscheinlich, es fehlt nur noch die Finanzierung für den
       Sockel und die Aufstellung.
       
       Wann soll die Bronze aufgestellt werden? 
       
       Schöll: Wir sind gerade dabei, für 2023 einen Ideenwettbewerb zu der
       Ausgestaltung der Bronze vorzubereiten. Da stellen sich Fragen der
       Kontextualisierung. Was wird an diesem Ort passieren? Welche Informationen
       werden mitgegeben? Wie kann ein Denkmal heute aussehen? Gerade an diesem
       Ort soll eine vielschichtige und multiperspektivische Erinnerung möglich
       werden. Es gibt ja sehr unterschiedliche Erinnerungen an den Palast der
       Republik. Wir hoffen, dass dieser Wettbewerb die widersprüchlichen
       Erinnerungen an dieses Gebäude spiegeln wird.
       
       Sie sind zwar weiß und wenigstens einer von Ihnen ist auch männlich. Aber
       bislang gehören Sie anders als die Gründer und Mitglieder des Fördervereins
       Berliner Schloss wahrscheinlich aufgrund Ihres Alters eher noch keiner
       gesellschaftlichen Elite an. Habe ich recht? 
       
       Schöll: Das ist richtig, ja.
       
       Also muss man annehmen, dass auch Ihre Spender nicht so vermögend sind wie
       die Spender, die das Schloss zurückhaben wollten. 
       
       Bargholz: Zunächst einmal sind wir absolut überwältigt von dem Zuspruch,
       den wir bisher bekommen haben, und die Spendenbeträge sind nach oben nicht
       begrenzt. Nur die Fördermitgliedschaft möchten wir allen Menschen ab einem
       Euro pro Jahr zugänglich machen. Inzwischen haben wir über 150
       Fördermitglieder – was das allerdings für Leute sind, das können wir nicht
       sagen, weil wir darüber keine Daten erheben. So weit wir das aus den
       persönlichen Begegnungen beurteilen können, sind gesellschaftlicher
       Hintergrund und Alter aber sehr gemischt. Und was unser Alter angeht: Wir
       werden bis zur Verwirklichung unseres 5-Punkte-Plans auch nicht mehr die
       Jüngsten sein und müssen dann die kommenden Generationen einbinden.
       
       Vielleicht könnten Sie diesen Plan mal genauer erklären? 
       
       Schöll: Punkt zwei nach der Aufstellung der Bronze ist die Simulation der
       Planung. Die fanden wir beim Berliner Schloss 1993/1994 wie übrigens auch
       bei der Bauakademie ja sehr inspirierend. So eine stadträumliche Simulation
       hat sich in Sachen Wiederaufbau sehr bewährt. Also werden auch wir nach der
       Aufstellung der Bronze als Punkt zwei ein Baugerüst ums Schloss bauen
       lassen, auf das eine Plane aufgespannt wird, die mit dem Palast in
       Originalgröße bedruckt sein wird. Hinter den Planen könnten erste
       Veranstaltung stattfinden, bei denen die Besuchenden schon mal ein Gefühl
       für zukünftige alternative Veranstaltungsräume entwickeln könnten. Das wird
       die öffentliche Meinung ändern. Auf dieser Grundlage wird sich dann ganz
       automatisch ein Bedarf entwickeln.
       
       Bargholz: Punkt drei ist dann die Errichtung einer Musterfassade der
       nordöstlichen Ecke des Palasts am Originalstandort. Das hat sich beim
       Schloss und der Bauakademie als sehr nützlich erwiesen. In dieser Phase
       könnten detaillierte Forschungen zur historischen Bautechnik der siebziger
       Jahre stattfinden. Wir denken ja schon, dass das Schloss noch etwa 30 Jahre
       stehen bleiben kann, so wie auch der Palast 30 Jahre stand. 30 Jahre
       brauchen wir ohnehin für diesen Prozess.
       
       Sie wollen, dass das Schloss etwa um 2050 abgerissen wird? 
       
       Schöll: Ja, das ist dann Punkt vier unseres Plans. Die Bestandteile können
       recycelt werden. Die Spender*innen und deren Erb*innen können ihre
       Steine gerne abholen und wieder mitnehmen. Ja, und dann kann man – und das
       ist Punkt fünf unseres Plans – ein Konzept für den neuen Palast der
       Republik entwickeln. Erst das Gebäude abtragen und dann überlegen, was
       genau da reinkommt: Auch das hat sich sehr bewährt in der Vergangenheit.
       
       Was gefällt Ihnen eigentlich persönlich so gut am Palast der Republik? 
       
       Bargholz: Er erzählt sehr viel Geschichte.
       
       Ach so? 
       
       Schöll: Der Palast der Republik steht für ganz viele Konflikte, schon zu
       DDR-Zeiten, als er noch Ort der Volkskammer war und gleichzeitig teilweise
       wirklich ein offenes Haus für das Volk. Es ist ein architektonisch
       beeindruckender, wichtiger Bau der Ostmoderne. Aber auch nach der
       Wiedervereinigung war der Umgang mit dem Palast sinnbildlich für die
       Entsorgung von Zeugnissen der Ost-Geschichte.
       
       Sie sind beide erst nach der Wende geboren und in Westdeutschland
       aufgewachsen. Sie wissen sicher, dass es ehemalige Bürger der DDR gibt, die
       niemals einen Fuß in diesen Palast gesetzt hätten? 
       
       Bargholz: Der Förderverein arbeitet für eine Stadt, in der Widersprüche
       sichtbar sind und nicht einfach überbaut werden. Deshalb wollen wir den
       Palast in seiner politischen Funktion ja auch nicht wiederaufbauen, sondern
       ohne politische Insignien und in einem Zustand, als er schon transformiert
       wurde, als er nach der Wende schon angeeignet wurde. Also in einem Geist
       der Offenheit. Es geht uns nicht darum, die DDR zurückzufordern. Wir wollen
       fragen: Wie fühlte sich der Palast vor 1989 an und wie nach der
       Wiedervereinigung, als hier noch mal ein anderer Möglichkeitsraum entstand.
       
       Sie sprechen von der [4][künstlerischen Zwischennutzung]? 
       
       Schöll: Ja, ganz genau.
       
       Bargholz: Das hier ist der zentrale Ort Berlins, geografisch, symbolisch,
       aktuell touristisch und potenziell auch gesellschaftlich. 2004 und 2005
       wurde gezeigt: Der Ort hätte weitergedacht werden können. Es hätte hier ein
       Ort entstehen können, der ein attraktives Kulturangebot für die
       Stadtbevölkerung bietet und gleichzeitig eine historische Integrität hat.
       
       9 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neue-Ausstellung-im-Berliner-Schloss/!5847244
 (DIR) [2] /Humboldt-Forum-komplett-eroeffnet/!5879381
 (DIR) [3] https://palast.jetzt/
 (DIR) [4] /Verdraengung/!5789798
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Humboldt Forum
 (DIR) Berliner Stadtschloss
 (DIR) Berlin-Mitte
 (DIR) IG
 (DIR) Berliner Schloss
 (DIR) Kino Berlin
 (DIR) Geld
 (DIR) Humboldt Forum
 (DIR) Einheitsdenkmal
 (DIR) Humboldt Forum
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ideen zum Umbau des Berliner Schloss: Wie wäre es mit einer postpreußischen Kulturmaschine?
       
       Die „Initiative Schlossaneignung“ veröffentlicht 21 Entwürfe für die
       Umgestaltung des umstrittenen Preußenschlosses. Über einige lässt sich
       nachdenken.
       
 (DIR) DEFA-Filmmarathon im Kino Babylon: Mit DDR-Filmlegende im Kino
       
       Das Kino Babylon in Berlin zeigt die 100 besten DEFA-Filme der 1970er
       Jahre. Darunter ist der wohl bekannteste: „Die Legende von Paul und Paula“.
       
 (DIR) Berliner Lottogewinn noch nicht abgeholt: Man wird wohl noch träumen dürfen
       
       Einen Gewinn von 120 Millionen Euro aus dem Eurojackpot will bislang
       niemand haben. Unser Autor wüsste schon, wofür er das Geld ausgeben würde.
       
 (DIR) Benin-Bronzen im Humboldt Forum: Es bleibt angenehm unfertig
       
       Am Wochenende erfolgt die letzte Teileröffnung des Humboldt Forums. Das
       wurde unfreiwillig zum Motor des Umbruchs für ethnologische Museen.
       
 (DIR) Denkmal für die deutsche Einheit: Keine hippe Wippe
       
       Mit zweijähriger Verspätung soll die Einheitswippe am 3. Oktober 2022
       fertig sein. Wird das Schloss jetzt verspielter? Ein Wochenkommentar.
       
 (DIR) Eröffnetes Humboldt Forum in Berlin: Zwingburg der falschen Gesten
       
       Das Berliner Stadtschloss steht seit jeher für Überlegenheit. Sein
       undemokratischer Charakter zieht sich bis ins Jetzt – durch das koloniale
       Raubgut im Innern.