# taz.de -- Studie über Grundschulkinder: Bildungsmisere mit Ansage
       
       > Eine neue Studie offenbart große Wissenslücken bei Viertklässler:innen.
       > Das Problem beginnt schon in den Kitas, dort muss die Politik handeln.
       
 (IMG) Bild: Zu viele Kinder können in der 4. Klasse nicht gut lesen, rechnen oder schreiben
       
       So selbstkritisch wie an diesem Montag erlebt man die
       Bildungsminister:innen nicht alle Tage. Normalerweise loben sie bei
       Bildungsstudien auch mittelmäßige Ergebnisse – schließlich steigt ja die
       Heterogenität in deutschen Klassenzimmern. Und wer bei erschwerten
       Bedingungen gleiche Leistungen zeigt, hat sich doch wacker geschlagen!
       
       Dieses Mal jedoch wollen die Verantwortlichen keine mildernden Umstände
       gelten lassen, nicht mal die Pandemie. Zu eindeutig hat der
       IQB-Bildungstrend die Bildungsmisere an Grundschulen offengelegt.
       Entsprechend der Tenor aus den Ländern: Nicht hinnehmbar, wie viele
       Viertklässler:innen mittlerweile nicht mehr richtig lesen, schreiben
       oder rechnen können! Nicht akzeptabel, dass die Schere bei der
       Bildungsungleichheit weiter aufgeht!
       
       Nur – was folgt aus der Erkenntnis? Die Präsidentin der
       Kultusministerkonferenz (KMK) Karin Prien, CDU, jedenfalls verspricht die
       Lehrer:innenausbildung zu verbessern, um die „richtigen Rezepte“ für
       einen modernen integrativen Grundschulunterricht zu finden. Im Dezember
       soll der KMK ein entsprechendes Gutachten vorliegen.
       
       Das ist sicher nicht verkehrt. Mindestens genauso wichtig wäre allerdings,
       die Probleme ([1][ungleiche Bildungschancen], Förderbedarf bei der
       deutschen Sprache) bereits viel früher anzugehen – nämlich bereits in den
       Kitas. Dass in der frühen Bildung die Weichen für die Chancengleichheit
       gelegt werden, betonen Bildungsforscher:innen seit Jahren. Dennoch
       sind Kitas in Sachen Ausstattung und Bezahlung bis heute so unattraktiv,
       dass viele Fachkräfte nach kürzester Zeit wieder weg sind.
       
       Das unwürdige Hin und Her mit der [2][Finanzierung der Sprachkitas] zeigt,
       wie wenig Wertschätzung das Kitapersonal vonseiten der Politik bis heute
       erfährt, allen Sonntagsreden zum Trotz. Erst wenn die Wertschätzung auch
       finanziell spürbar ist und die Arbeitsbelastung sinkt, wird sich die
       Personallage in Kitas entspannen. Und erst dann werden die Kitas ihrem
       Auftrag, die Bildungsungleichheit möglichst früh auszugleichen, voll
       nachkommen können.
       
       Was nicht heißt, dass die Bildungsminister:innen völlig machtlos
       sind. Hamburg beispielsweise, das beim IQB-Bildungstrend noch
       verhältnismäßig gut abgeschnitten hat, testet bei jedem Kind im Alter von
       viereinhalb Jahren die Sprachkenntnisse – und fördert die Kinder
       entsprechend weiter. Kostenlose Nachhilfe inklusive. Es wäre ein Leichtes,
       dies zum bundesweiten Standard zu machen – wenn nur alle Länder wollten.
       Eine andere sinnvolle Maßnahme ist, Schulen mit Hilfe sozialer Daten nach
       ihren tatsächlichen Bedarfen auszustatten, wie es beispielsweise Hessen
       oder NRW schon machen.
       
       Davon kann übrigens auch der Bund lernen, wenn er Gelder verteilt. Beim
       Programm „Aufholen nach Corona“ werden die Mittel nach Einwohnerzahl
       verteilt – nicht nach der sozialen Lage der Kinder. Auch das ist ein Grund,
       warum das Programm bisher nicht wirklich geholfen hat, die Lernlücken zu
       schließen.
       
       17 Oct 2022
       
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