# taz.de -- Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts: Panzer darf vor russische Botschaft
       
       > Eine Stadträtin sperrte sich dagegen, dass Unter den Linden ein
       > Panzerwrack aufgestellt wird. Ein Gericht lehrt sie nun, was
       > Meinungsfreiheit ist.
       
 (IMG) Bild: Bald muss der russische Botschafter nicht nur auf Transparente schauen
       
       Natürlich ist Almut Neumann nicht für werteorientierte Außenpolitik
       zuständig. Als [1][Stadträtin im Bezirk Mitte] ist die Grünen-Politikerin
       für Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen zuständig. Gleichwohl
       hätte Neumann Geschichte schreiben können. Im August lag ein Antrag von
       Enno Lenze und Wieland Giebel vom [2][Museum Berlin Story Bunker] auf dem
       Tisch. Einen zerstörten russischen Panzer wollten die beiden gegenüber der
       Russischen Botschaft Unter den Linden aufstellen.
       
       Doch Almut Neumann lehnte den Antrag ab. Begründung: Bei der Aktion handle
       es sich „nicht um ein Vorhaben von Kunst im Stadtraum“, sondern „um ein
       dezidiert aktuell politisches Statement zum Angriffskrieg gegen die
       Ukraine“. Außerdem bedeute ein Panzerwrack Unter den Linden „eine
       erhebliche Beeinträchtigung des geschätzten Erscheinungsbildes“.
       
       Die Geschichte, die Neumann hätte schreiben können, hat nun das Berliner
       Verwaltungsgericht geschrieben. Es hat am Dienstag einem Eilantrag von
       Lenze und Giebel stattgegeben. Wenn der Bezirk keinen Widerspruch einlegt
       und vor das Oberverwaltungsgericht zieht, kann nun auch in Berlin – so wie
       zuvor in Prag oder Warschau – ein zerstörter russischer Panzer gezeigt
       werden.
       
       ## Kunst oder Politik? Meinungsfreiheit!
       
       Interessant an diesem Urteilsspruch ist, dass das Gericht gar nicht darüber
       urteilen wollte, ob der Panzer nun Kunst sei oder ein politisches
       Statement. In beiden Fällen, so heißt es in der Urteilsbegründung, sei die
       Aktion von der Meinungsfreiheit gedeckt. Heißt im Umkehrschluss: Das
       Bezirksamt wertete das Erscheinungsbild am Boulevard unter den Linden höher
       als die Meinungsfreiheit. Die musste erst vom Gericht in ihr Recht gesetzt
       werden.
       
       Nicht nur der Bezirk Mitte dürfte ob des Richterspruchs not amused sein,
       sondern auch der russische Botschafter. Manch einer mag [3][Sergei
       Netschajew], der fließend Deutsch spricht und als Feingeist gilt, noch
       einen Funken Anstand unterstellen. So hat der ehemalige deutsche
       Botschafter in Moskau, [4][Rüdiger von Fritsch], nach dem russischen
       Überfall auf die Ukraine an Netschajew appelliert: „Jetzt ist der Punkt, an
       dem du in die Öffentlichkeit gehen und dies öffentlich wiederholen
       solltest: Dies ist nicht mein Krieg. Dies ist nicht der Krieg der Russen.
       Wenn du das tust, wenn das viele deiner Kollegen weltweit tun würden, wäre
       das ein ungeheuer starkes Signal. Weil dieser Präsident führt euch ins
       Verderben.“
       
       Doch der Botschafter dachte nicht daran. Stattdessen bezeichnete er das
       Massaker in Butscha als „Inszenierung“ der Ukraine. Nun muss er selbst mit
       einer Inszenierung klarkommen. Allerdings wird es noch eine Weile dauern,
       bis der Schrottpanzer kommt. Er muss erst noch besorgt werden. Aufgestellt
       wird er auch nicht Unter den Linden, weil der Boulevard für eine 40 Tonnen
       schwere Last nicht ausgelegt sei, heißt es im Richterspruch. Stattdessen
       soll der Panzer in der Schadowstraße aufgestellt werden – allerdings in
       Sichtachse der russischen Botschaft.
       
       Im Gegensatz zu Almut Neumann und Sergei Netschajew dürfte sich zumindest
       Burkhard Kieker von Visit Berlin freuen. Wieder ein Bild von Berlin, das um
       die Welt geht. Auch wenn sich die Ukraine lieber deutsche Leopard wünscht.
       In Prag wurde freilich deutlich, dass beides kein Widerspruch sein muss.
       Vor kurzem erst wurden [5][in Tschechien 1,2 Millionen Euro gesammel]t um
       einen renovierten T-72 an die ukrainische Armee zu übergeben. Die Sammlung
       lief unter dem Hashtag „Ein Geschenk für Putin“.
       
       Das zumindest war eindeutig keine Kunst, sondern ein politisches Statement.
       
       15 Oct 2022
       
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