# taz.de -- Neue Serie „The Bear“ auf Disney+: Sandwich vs. Haute-Cuisine
       
       > In „The Bear“ übernimmt ein Gourmetkoch das Imbissrestaurant seines
       > Bruders und dessen miese Finanzen. Inclusive Fett, Schweiß und
       > Gesundheitsamt.
       
 (IMG) Bild: Stress in der Küche: Carmy, Marcus und Richie in „The Bear“
       
       Das Interesse am professionellen Kochen ist dieser Tage riesig. Überall
       kann man Menschen am Herd über die Schulter schauen, in Competition-Shows à
       la „Masterchef“ genauso wie in betulichen Kochsendungen der Dritten
       Programme, in Dokumentarfilmen über [1][Julia Child] oder Wolfgang Puck
       ebenso wie in französischen Spielfilmen wie [2][„À la carte – Freiheit geht
       durch den Magen“] oder aktuell „Die Küchenbrigade“. Doch ein echtes Gespür
       dafür, wie es tagtäglich wirklich zugeht in Profiküchen, bekommt man bei
       all dem kaum. Das führt ausgerechnet die fiktionale Serie „The Bear“ (zu
       sehen bei Disney+) eindrücklich vor Augen.
       
       Das Setting ist dabei kein Restaurant mit Michelin-Sternen, anspruchsvoller
       Kundschaft und unbedingtem Willen zur Perfektion. Im leicht
       heruntergekommenen Schuppen namens The Original Beef Of Chicagoland mitten
       in Chicago bestellen die Leute am Tresen vor allem Sandwiches und Hot Dogs,
       aber es gibt auch Spaghetti mit Tomatensauce. Bislang zumindest. Denn nach
       dem Suizid des bisherigen Besitzers Michael übernimmt dessen jüngerer
       Bruder Carmy (Jeremy Allen White) den Laden. Carmy hatte Chicago und seine
       italienischstämmige Familie eigentlich hinter sich gelassen und es in New
       York als Küchenchef zu viel Ehre und Preisen gebracht.
       
       Die Rückkehr in den Familienbetrieb ist deswegen nicht nur Trauerarbeit,
       sondern auch eine Flucht aus der Gourmetwelt, deren Dauerstress erkennbar
       Spuren hinterlassen hat. Die eigenen Ansprüche zurückschrauben will Carmy
       allerdings auch nicht. Und Veränderungen im Original Beef sind auch
       deswegen dringend notwendig, weil Michael (in kurzen Rückblenden verkörpert
       vom dieser Tage omnipräsenten Jon Bernthal) auch jede Menge finanzieller
       Ungereimtheiten hinterlassen hat.
       
       ## Küchenalltag ist stressig anzusehen
       
       Quasi-Restaurantleiter Richie (Ebon Moss-Bachrach), hat allerdings null
       Verständnis dafür, dass an der bewährten Speisekarte gerüttelt werden soll,
       und die meisten Mitarbeiter*innen sind von Carmys Küchen-Vokabular
       genauso irritiert wie von der Tatsache, dass er alle als „Chef“ anspricht.
       Dass er obendrein die junge, ebenfalls Haute-Cuisine-gestählte Sydney (Ayo
       Edebiri) anheuert, erleichtert die Situation zunächst ebenso wenig wie die
       Tatsache, dass sowohl Gläubiger als auch das Gesundheitsamt bald auf der
       Matte stehen.
       
       Selten war eine Serie so stressig anzusehen wie „The Bear“, eine Schöpfung
       von Christopher Storer, der viel mit Komikern wie [3][Bo Burnham] und
       [4][Hasan Minhaj] zusammengearbeitet hat und hier als Autor und Regisseur
       gemeinsam mit Joanna Calo verantwortlich zeichnet. Das Tempo und der Lärm,
       die Hitze und die Angespanntheit, dazu überall Fett und Schweiß – so
       mittendrin im Küchenalltag ist man als Zuschauer*in selten gewesen. Den
       Druck, unter dem hier alle Figuren permanent stehen, übertragen Storer und
       sein Team in Bild, Ton und Atmosphäre derart glaubwürdig, dass sich selbst
       vorm Bildschirm der Puls erhöht.
       
       Dass ein Restaurant wie das Original Beef mutmaßlich in Echt – zumal in den
       Pandemie-Nachwehen – nicht ganz so viele Mitarbeiter*innen hätte?
       Geschenkt. Davon abgesehen wirkt die Serie, von der eine zweite Staffel
       schon bestellt ist, enorm authentisch, was auch daran liegen könnte, dass
       Storers Schwester Köchin ist und hier als Beraterin tätig war. Zudem wurde
       in einer Original-Location gedreht und die Schauspieler*innen mussten
       in diversen Küchen hospitieren.
       
       Das großartige Ensemble trägt wesentlich dazu bei, dass man den
       größtenteils nur bedingt sympathischen Figuren gerne durch die acht meist
       halbstündigen Episoden folgt. Mindestens genauso bemerkenswert ist
       allerdings, dass „The Bear“ obendrein fernab aller Food-Porn-Klischees
       tatsächlich ein Gefühl von leckerem Essen vermittelt – und ganz ohne
       Sitcom-Konventionen ziemlich oft auch ziemlich witzig ist. Was den Stress
       dann wieder einigermaßen aufwiegt.
       
       7 Oct 2022
       
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