# taz.de -- Energieknappheit in Berlin: Am Ende motiviert nur Geld
       
       > Der Senat macht Privathaushalten keine Vorgaben zum Sparen. Das ist
       > realistisch, weil eine Kontrolle kaum machbar wäre. Ein Wochenkommentar.
       
 (IMG) Bild: Strom sparen – wieso? Kam doch immer günstig aus der Steckdose
       
       Berlin taz | Sicher, es gibt sie. Jene Menschen, die sich wirklich
       mitverantwortlich für die Gemeinschaft fühlen, für das große Ganze und die
       Zukunft des Planeten. Die die Heizung runter drehen werden und nicht acht
       Minuten unter der heißen Dusche stehen, wie es angeblich zwei von drei
       Deutschen täglich durchschnittlich tun. Und weil Berlin fast vier Millionen
       Einwohner hat, werden in der Hauptstadt sogar einige zehntausend so bewusst
       handeln.
       
       Aber ob auch der der große Rest tatsächlich [1][jene Achtsamkeit]
       entwickelt, die Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag nach
       der Senatssitzung erneut einforderte, so wie sie es seit Wochen tut?
       Achtsamkeit im Sinne von: Sich immer bewusst sein, was man oder frau da
       gerade macht und was das für Umweltfolgen für sich und – noch wichtiger –
       andere hat?
       
       Abstrakt betrachtet ist das Kants kategorischer Imperativ, konkret sind das
       Fragen wie: Muss das Licht in der Küche brennen, wenn ich die ganze Zeit im
       Wohnzimmer in? Bin ich jetzt unter der Dusche nicht auch nach zwei, drei
       Minuten sauber und aufgewärmt? Und schon immer: Muss ich mit dem Auto zum
       Brötchenholen fahren?
       
       Giffey ist jemand, der nach eigenem Bekunden das [2][Glas immer für halb
       voll] statt halb leer hält. Doch ein Blick auf das bisherige Verhalten der
       großen Mehrheit macht es schwer, die Dinge ähnlich optimistisch zu
       betrachten wie die Regierungschefin. Die hat vor einiger Zeit auf eine
       taz-Frage dazu mal sinngemäß gesagt, ohne diese Haltung könnte sie ihren
       Job gar nicht machen. Denn das, was nun allenthalben als schier
       bahnbrechende Energiespartipps zu lesen oder hören ist, ist uralt. Dass es
       überhaupt Zeilen- und Sendeplatz findet, deutet nicht darauf hin, dass es
       bislang sonderlich beherzigt wurde.
       
       ## Energiesparmöglichkeiten sind lange bekannt
       
       Schon in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte beispielsweise
       das Wuppertaler Klimainstitut von [3][Ernst Ulrich von Weizsäcker]
       vorgerechnet, wie viel Strom sich ohne sonderliche Einschränkungen, sondern
       lediglich durch bewussten Umgang mit Beleuchtung, Heizung und
       Elektrogeräten sparen lässt. Mit jener Achtsamkeit also, die heute Giffey
       einfordert.
       
       Hat es was gebracht? Leider nicht oder zumindest nicht genug. Gas und Strom
       waren ja ausreichend verfügbar und für die meisten auch so gut bezahlbar,
       dass der Blick auf die Abrechnung oft bloß deshalb passierte, um zu einem
       noch günstigeren Anbieter zu wechseln. Das fügte sich ein in das allgemeine
       Umweltverhalten, unterbrochen bloß durch die Corona-Pandemie: [4][Immer
       mehr Passagiere] an den Berliner Flughäfen und anderswo, immer mehr
       spritfressende SUVs auf den Straßen, [5][kaum gesunkener privater
       Energieverbrauch].
       
       Das mag nun eine äußerst pessimistische Betrachtung sein. Eine, die zur
       Frage führt: Was bleibt dann noch, wenn staatliche Reglementierung
       wünschenswert, aber kaum zu kontrollieren wäre und zugleich Spareffekte
       durch persönliche Achtsamkeit nicht massenhaft zu erwarten sind?
       Verzweifeln?
       
       Nein. Denn das Sparen wird auf dem Wege kommen, der immer für Motivation
       sorgt: übers Geld. Wenn das bislang so reichlich verfügbare Gut Energie
       über Knappheit deutlich mehr als bisher kostet, ergibt sich zwangsläufig
       ein sorgsamerer Umgang. Staatliche Hilfsprogramme, ob von der
       Bundesregierung oder vom Senat, werden sich auf die konzentrieren müssen,
       die grundsätzlich zu wenig im Portemonnaie haben. Alle anderen werden
       selbst sehen müssen, dass sie ihre Energiekosten verringern, egal ob Öko
       oder Umweltsau. Das ist traurig, aber wohl wahr.
       
       20 Aug 2022
       
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 (DIR) Stefan Alberti
       
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