# taz.de -- Abschiebung eines Mädchens in Österreich: Das Kindeswohl hat Vorrang
       
       > Die Abschiebung einer 12-jährigen Georgierin war rechtswidrig. Laut
       > Urteil geht das Wohl Minderjähriger vor, auch wenn Eltern falsch handeln.
       
 (IMG) Bild: Irmgard Griss, Vorsitzende der österreichischen Kindeswohlkommission
       
       Wien taz | Die Abschiebung einer jugendlichen Georgierin war rechtswidrig.
       Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) am Dienstag in Wien
       letztinstanzlich entschieden. Gegen ein gleichlautendes Urteil des
       Bundesverwaltungsgerichts war das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in
       Revision gegangen. Der Spruch könnte Auswirkungen auf künftige
       Abschiebungen gut integrierter Minderjähriger haben.
       
       Der Fall der damals zwölfjährigen Tina, die wie ihre jüngere Schwester in
       Österreich geboren wurde, hatte Anfang letzten Jahres Schlagzeilen gemacht
       und die [1][ÖVP-Grünen-Koalition auf eine Belastungsprobe gestellt]. Unter
       Einsatz von Spezialtruppen und Kampfhunden waren Tina, ihre Schwester und
       ihre Mutter in einer frostigen Nacht zum Flughafen verfrachtet und nach
       Georgien abgeschoben worden.
       
       Das Mädchen, das weder die georgische Sprache beherrschte noch über ein
       soziales Netz in Tiflis verfügte, verbrachte die folgenden Monate am Laptop
       in Kommunikation mit seiner österreichischen Wahlheimat. Monate später
       konnte Anwalt Wilfried Embacher ein Schülervisum erwirken und sie legal
       zurückbringen.
       
       Bei der Nacht-und-Nebel-Aktion, die von Protesten empörter Mitschülerinnen
       und Menschenrechtsaktivisten begleitet war, konnte man auch Abgeordnete der
       Grünen beobachten, die den Koalitionsfrieden mit der ÖVP aufs Spiel
       setzten. [2][Karl Nehammer], damals Innenminister, beteuerte, der Fall gehe
       ihm menschlich nahe, doch das Gesetz hätte ihm keine andere Wahl gelassen.
       Sämtliche Asylanträge der Mutter seien abschlägig beschieden worden. Mit
       aussichtslosen Neuanträgen habe sie das Verfahren in die Länge gezogen.
       
       ## Innenministerium sieht keinen Handlungsbedarf
       
       Nicht zuletzt, um die eigene Basis zu beschwichtigen, setzte Vizekanzler
       Werner Kogler (Grüne) die Gründung einer Kindeswohlkommission unter dem
       Vorsitz der pensionierten Höchstrichterin Irmgard Griss durch. Die anfangs
       als Alibigremium belächelte Kommission meldete sich immer wieder zu Wort
       und machte der Politik klar, dass das Kindeswohl immer vorrangig zu
       berücksichtigen sei. Wenn ein Kind aus seinem sozialen und schulischen
       Umfeld herausgerissen wird, würden die Kinderrechte verletzt.
       
       Griss fühlte sich am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal durch den VwGH bestätigt:
       „Das Kindeswohl ist stärker als das Fehlverhalten dieser Eltern.“ Man müsse
       künftig vor jeder Abschiebung prüfen, ob das Kindeswohl gewahrt sei: „Eine
       rein formelhafte Prüfung, es bestehe keine Gefahr im Land, wohin
       abgeschoben wird, genügt nicht.“ Anwalt Embacher strebt nun eine
       Amtshaftungsklage gegen die Republik an und fordert, dass auch Mutter und
       Schwester eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen sollen.
       
       In einer knappen Presseaussendung des Innenministeriums, nun von Gerhard
       Karner (ÖVP) geleitet, ist nur zu lesen, dass der Spruch „keine
       unmittelbaren Auswirkungen“ habe. Der VwGH habe zur Rückkehrentscheidung
       „eine rein verfahrensrechtliche, keine inhaltliche Entscheidung getroffen“.
       
       17 Aug 2022
       
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