# taz.de -- Vorwürfe gegen Hamburger Polizei: Staat ließ Waffendealer gewähren
       
       > Guido W. hat Kriminelle mit Maschinenpistolen versorgt. Ein Journalist
       > wirft der Polizei vor, ihn jahrelang geschützt zu haben.
       
 (IMG) Bild: Ist die Polizei daran Schuld, dass Maschinenpistolen in Hamburg illegal verkauft wurden?
       
       Bremen taz | 10 „Uzis“, 30 „Skorpione“, Schalldämpfer – dass diese scharfen
       Maschinenpistolen und dazu eine ungezählte Anzahl weiterer Waffen seit 2019
       offenbar in Hamburg auf dem Schwarzmarkt an Kriminelle verkauft werden
       konnten, wirft der Journalist Lars Winkelsdorf aktuell in einem Offenen
       Brief der [1][Polizei Hamburg] vor. Denn dass der Verkäufer als illegaler
       Waffenhändler tätig sei, das habe die heutige Polizeiführung schon vor 14
       Jahren wissen können – oder wissen müssen, meint er.
       
       Wo setzt man an mit dieser Geschichte? Vielleicht im November 2021, als das
       Landgericht Hamburgein klares Urteil fällt: Guido W. ist Waffenhändler.
       Gemeinsam mit einem Kumpanen hat er illegal Waffen und Munition,
       Schalldämpfer und anderes Waffenzubehör ausgeliefert. Fünf Jahre und neun
       Monate muss er in Haft.
       
       Vier einzelne Verkaufsaktionen zwischen 2019 und 2021 kann das Gericht im
       Detail nachvollziehen, gegeben hat es vermutlich mehr. Die genannten „Uzis“
       und „Skorpione“, Maschinenpistolen also, die unters
       Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, hat der verurteilte Waffenhändler W.
       zwar offenbar zwischendurch besessen – bei der Durchsuchung seiner Lager im
       Frühjahr 2021 wurden sie aber nicht gefunden; sie waren offenbar schon
       verkauft. „So weit hätte es nie kommen müssen“, meint Winkelsdorf, „wenn
       man den Fall einfach von Anfang an ordentlich bearbeitet hätte.“
       
       Denn der Anfang, so wie Winkelsdorf das sieht, der steht viel früher – es
       lohnt ein Blick in die Archive: W. stand schon oft vor Gericht, ein paar
       Mal wegen Führerscheindelikten, einmal wegen eines gefälschten Ausweises,
       einmal aber auch wegen Waffenhandels – 2010 war das.
       
       ## Indizien werden vor Gericht vernachlässigt
       
       60 illegale Schusswaffen hatte das Hamburger Landeskriminalamt damals bei
       ihm und zwei weiteren Mitgliedern des Schützenvereins Kaltenkirchen
       beschlagnahmt; es gab abgehörte Telefonate mit Rockern des Rotlichtmilieus;
       und Terminhinweise auf Partys beim Hells Angels Charter Northend Alveslohe.
       Es bestehe der „dringende Tatverdacht“ der illegalen Herstellung von und
       des Handels mit Waffen, heißt es in einem LKA-Vermerk aus jener Zeit,
       [2][den die taz später zitiert.]
       
       Doch bei der Hauptverhandlung gegen die drei beschuldigten Schütz*innen
       2010 ziehen Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt den Vorwurf des
       Waffenhandels überraschend zurück. Auch von Verbindungen ins Rotlichtmilieu
       will man plötzlich keine Kenntnisse mehr haben, trotz der Telefonate, trotz
       der Terminkalender. Die Angeklagten seien nur „Waffennarren“ und hätten
       eben illegal Waffen gesammelt – ein minder schweres Verbrechen, es folgt
       eine Bewährungsstrafe.
       
       Ins Rollen gebracht hatte den Fall 2007 Lars Winkelsdorf selbst mit einer
       Anzeige bei der Polizei: Der Hauptbeschuldigte W. hatte ihm gegenüber
       gesagt, er liefere Waffen an Bandidos und Hells Angels. Doch statt nur als
       Zeuge geladen zu sein, landet Winkelsdorf selbst mit auf der Anklagebank.
       
       In einem Fernsehinterview hatte W. diverse Waffen vorgezeigt und auch vor
       der Kamera gesagt, er sei Waffenhändler. Zu der neuen Überzeugung von LKA
       und Staatsanwaltschaft, dass W. nur Waffennarr sei, passte das nicht. Das
       Interview, so der Vorwurf, sei gefälscht – der Journalist habe den Schützen
       zur Falschaussage gedrängt. In zweiter Instanz wurde Winkelsdorf dafür
       tatsächlich verurteilt. Dabei, so sagt er heute, war er für den fraglichen
       Fernsehbeitrag nicht einmal verantwortlich; ein Gerichtsverfahren soll in
       dieser Frage bald für Klarheit sorgen.
       
       ## Winkelsdorf vermutet in W. einen V-Mann
       
       So richtig los lässt Winkelsdorf die Geschichte seitdem nicht mehr:
       Mehrfach versucht er den Fall neu aufzurollen und stellt außerdem
       Strafanzeigen gegen die Beamt*innen von LKA und Staatsanwaltschaft wegen
       „Strafvereitelung im Amt“.
       
       Aber als 2014 zumindest die Ermittlungen gegen die Mitglieder des
       Schützenvereins nach mehreren Fehlversuchen wieder aufgenommen wurden,
       zieht Winkeldorfs Zeuge die Aussage zurück, die er zuvor eidesstattlich
       versichert hatte – das Dokument liegt der taz vor. „Die Polizei kam bei ihm
       vorbei und hat ihn dazu gedrängt“, sagt Winkelsdorf; sein Zeuge habe ihm
       das so weitergegeben.
       
       „Warum schlachtet die Polizei Hamburg einen Journalisten mit einer
       Verschwörungstheorie, statt einen Waffenhändler zu verfolgen?“ fragt
       Winkelsdorf heute. „Ich habe bis heute nur die Erklärung, dass W. ein
       V-Mann war und geschützt werden musste.“ Echte Beweise dazu fehlen; das
       Urteil erwähnt immerhin, dass W. 2013 mit einem gefälschten Pass ins
       Ausland reisen wollte; sein sonstiger Lebenslauf legt nicht nahe, warum
       oder wie er das getan haben sollte.
       
       ## Polizei äußert sich zu den Vorwürfen nicht
       
       Verbindungen sieht der Journalist heute überall; er zählt auf, für welche
       spektakulären Mordfälle der jüngeren Vergangenheit modellgleiche Waffen wie
       die verschwundenen Maschinenpistolen verwendet worden sind und erklärt,
       welche Rockergrößen seiner Erkenntnis nach bei W. eingekauft haben.
       
       In den nächsten Tagen möchte er über seinen Twitter-Account Stück für Stück
       immer mehr Vorwürfe veröffentlichen. Misstrauisch macht ihn, dass er seine
       eigene Akte bei der Polizei nicht mehr einsehen konnte: Die sei verloren
       gegangen, teilte man ihm zu Prozessbeginn gegen W. mit, nachdem man seine
       Anfrage zuvor lange Zeit komplett ignoriert hatte.
       
       Die Polizei will sich dazu nicht äußern. Auch nicht zu der Frage, ob man W.
       damals nicht ernst genug genommen habe; nicht zu der Frage, ob man
       mittlerweile wisse, wo die verlorenen Maschinenpistolen abgeblieben sind.
       All dies sei „Gegenstand von Ermittlungen, zu deren Ausgang sich eine
       Aussage durch die Polizei verbietet“, heißt es auf Nachfrage. Der Offene
       Brief sei an [3][das Dezernat Interne Ermittlungen] weitergeleitet.
       
       ## Offener Brief sieht Verantwortung beim Polizeipräsidenten
       
       Dass Winkelsdorf sich erst jetzt, viele Monate nach der Verurteilung W.s,
       noch einmal mit seinem Verdacht an die Öffentlichkeit wendet, erklärt der
       Journalist und Waffenexperte damit, dass er durch den Ukrainekrieg zuvor
       keine Zeit gefunden habe. Auch hatte er mit weiteren Prozessen gegen sich
       selbst zu tun: Nachdem er ehemals eingezogene Waffen aus dem Prozess gegen
       W. wieder im freien Verkauf entdeckt hatte, brachte er diese
       öffentlichkeitswirksam zur Justizministerin – und wurde [4][prompt wegen
       des Waffentransports angeklagt.] Erst vor wenigen Monaten folgte der
       Freispruch und eine Entschuldigung der Staatsanwaltschaft.
       
       Von der Polizei erhofft er sich eine derartige Entschuldigung wohl auch.
       Seinen [5][Offenen Brief mit den Anschuldigungen] richtet er denn auch
       direkt an den Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Meier und
       Vize-Polizeipräsident Mirko Streiber – beide waren während des Prozesses
       gegen W. und Winkelsdorf für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
       zuständig und hätten ihn „als Journalisten unterstützen müssen“, findet
       Winkelsdorf.
       
       „Jedenfalls können sie sich heute nicht rausreden: Die beiden sind direkt
       verantwortlich und wussten von Anfang an Bescheid“, sagt er. „Dass Ralf
       Meier hier noch ehrenhaft aus dem Dienst entlassen wird, das kann nicht
       sein.“
       
       23 Jul 2022
       
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       ## AUTOREN
       
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       nicht gehört.