# taz.de -- G7 und der globale Süden: Wieder nur Versprechungen?
       
       > Die Nord-Süd-Beziehungen sind von gegenseitiger Ignoranz geprägt. Auf der
       > einen Seite herrscht Arroganz vor, auf der anderen großes Misstrauen.
       
 (IMG) Bild: Chinas Präsident Xi Jinping beim Beginn des virutellen BRICS-Gipfels
       
       Das Thema des [1][G7-Gipfels] klang wieder nur gut: „Fortschritt für eine
       gerechte Welt“. Aber die Präsidenten der Länder Argentiniens, Indiens,
       Indonesiens, des Senegal und Südafrikas, die aus dem globalen Süden am
       zweiten Tag nach Elmau eingeladen waren, sind bei aller lächelnden Präsenz
       eher müde von Versprechungen der wohlhabenden Länder, die dann doch nicht
       gehalten werden.
       
       So zuletzt die vom G7-Gipfel im Juni 2021 zugesagten Coronahilfen für die
       weltweit ärmsten Länder in Höhe von 100 Millliarden US-Dollar, die bis
       heute nicht ausgezahlt wurden. Trotzdem sollten sie jetzt gewonnen werden
       als Bündnispartner gegen Russlands Putin: Einmal beim Arbeitsmittagessen
       „In die Zukunft investieren“, wo es um Klima, alternative Energien und
       Gesundheit ging und danach bei der Arbeitsgruppe „Gemeinsam stärker“, wo
       die Themen Hungerbekämpfung und Geschlechtergerechtigkeit zusammengepackt
       waren.
       
       Am Ende verkündeten die G7 den angereisten Gästen aus dem globalen Süden
       ein neues Versprechen: Dass sie nun sogar 600 Milliarden Euro für „globale
       Infrastruktur“ bis 2027 erhalten sollen. Natürlich nur, wenn sie sich
       deutlich [2][von Russland distanzieren], am liebsten gleich auch von China.
       
       Bei allen angekündigten „globalen Finanzhilfen“ und „weltweiten
       Klima-Initiativen“ fällt zunächst auf, wie wenig der Norden und Westen vom
       Süden wissen und umgekehrt. Ja schlimmer noch, dass die gegenseitige
       Ignoranz Teil der Rechtfertigungen zu sein scheint, jeweils auf der
       richtigen Seite zu sein.
       
       Direkt vor dem G7-Gipfel fand am 24. Juni eine [3][Online-Konferenz von
       BRICS] unter dem Vorsitz Chinas statt – seit 2009 sind hier die
       aufstrebenden Länder Brasilien, Russland, Indien, China und seit 2010
       Südafrika zusammengeschlossen. Während die G7 nur 10 Prozent der
       Weltbevölkerung repräsentieren, sind es bei BRICS immerhin 40 Prozent, bis
       2030 wird es etwa die Hälfte der Menschheit sein.
       
       ## Westliche Medien erwähnen BRICS-Treffen kaum
       
       Gleichwohl waren westlichen Medien die Ergebnisse des virtuellen
       BRICS-Treffens kaum eine Zeile wert, so wie umgekehrt Russland das
       G7-Treffen in den eigenen Nachrichten weitgehend ignorierte. Dabei gehörten
       zu den 75 Punkten, auf die sich die BRICS-Länder einigten, nicht nur
       solche, die als Putins Propaganda abgetan werden können, sondern auch
       Punkte, die signalisieren, dass die Besuche von UN-Generalsekretär António
       Guterres in Kiew und Moskau vielleicht doch nicht umsonst waren.
       
       Unter Punkt 22 wird ausdrücklich die Unterstützung von Gesprächen zwischen
       der Ukraine und Russland bekräftigt, wie auch die wichtige Rolle der UNO
       bei humanitärer Not wie Hunger und extremer Armut. Bei der Vorstellung der
       G7-Gäste aus dem globalen Süden wurde demgegenüber von mehreren Leitmedien,
       so auch der deutschen Tagesschau, berichtet, dass Südafrikas Präsident
       Cyril Ramaphosa „schwer angeschlagen“ wegen Korruptionsvorwürfen daheim
       nach Elmau gekommen sei.
       
       Das passt eher in westliche Stereotypen von afrikanischen Regierungen, ohne
       dass ausreichend Hintergrundinformationen geliefert werden. Angezeigt hatte
       Ramaphosa nämlich der frühere Geheimdienstchef Arthur Fraser, der auch als
       Freund des wegen tatsächlicher Korruption aus dem Amt gejagten Vorgängers
       Jacob Zuma bekannt ist. Ramaphosa hat seit dem Vorwurf, er habe sich
       „illegale Geld-Geschäfte auf seiner Rinderfarm“ zu Schulden kommen lassen,
       mehrfach bekräftigt, gegenüber ermittelnden Behörden alles offenzulegen.
       Der Verdacht allein reichte jedoch, ihn als „schwer angeschlagen“
       darzustellen.
       
       ## Sanktionen treffen Russland weniger als gedacht
       
       Es sollte endlich zur Kenntnis genommen werden, dass die armen und
       aufstrebenden Länder dieser Welt nicht mehr einfach käuflich sind, sondern
       mühsam lernen mussten, sich bei Abstimmungen zu enthalten und erst
       abzuwarten, welche Versprechungen der reichen und mächtigen Länder
       tatsächlich gehalten werden.
       
       Der indische Schriftsteller Pankaj Mishrah mahnt: „Das antiquierte
       Denkmodell des Westens des Kalten Krieges ist irreführend… In Wahrheit ist
       die Welt zutiefst vernetzt. Indem ihr Russland bestraft, bestraft ihr
       unbeabsichtigt viele andere und ärmere Länder. Ihr fördert die Paranoia und
       Autokraten. Habt ihr das alles bis zum Ende durchdacht?“
       
       Hinzu kommt eine weitere Ernüchterung: Russland treffen viele Sanktionen
       weniger als beabsichtigt, da China und Indien bereits Öl und Gas zu
       gestiegenen Weltmarktpreisen kaufen, das nun nicht nur in Deutschland in
       Kürze spürbar fehlen wird. Nach G7 wird es planmäßig den nächsten
       G20-Gipfel, dem bislang auch Russland angehört, Mitte November auf Bali in
       Indonesien geben. Indonesiens Präsident Joko Widoda gab schon jetzt
       bekannt, dass er auch die Ukraine einladen wird, die eigentlich nicht zu
       den G20 gehört. Den Vorsitz von BRICS wird 2023 Südafrika innehaben.
       
       29 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /G7-Gipfel-in-Elmau/!5860824
 (DIR) [2] /China-und-Indien-versus-G7/!5860823
 (DIR) [3] https://www.stern.de/news/chinas-staatschef-xi-richtet-virtuellen-gipfel-der-brics-staaten-aus-31975042.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lutz van Dijk
       
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