# taz.de -- Die FDP und die Verbrennungsmotoren: Abschied vom Fortschritt
       
       > Ausgerechnet die FDP kämpft für den Verbrennungsmotor – und macht sich
       > damit zum Sprachrohr derjenigen, die Veränderungen fürchten.
       
 (IMG) Bild: Populistischer Einsatz für eine inffiziente Technik: Berufsverkehr in Berlin
       
       Kurz nachdem die neue Ampelkoalition ihre Arbeit aufgenommen hatte, wirkte
       es so, als habe auch die FDP verstanden, wie die Zukunft des Automobilis
       aussieht. Es sei klar, „dass die Entscheidung für die E-Mobilität längst
       gefallen ist“, sagte der neue Verkehrsminister Volker Wissing Mitte Januar
       im Tagesspiegel. „Wir müssen die verschiedenen Energieträger dort
       einsetzen, wo sie am effizientesten sind. Das ist beim Pkw der E-Antrieb.“
       Völlig korrekt stellte der FDP-Mann fest, was Expert*innen schon lange
       sagen: „Auf absehbare Zeit werden wir nicht genug E-Fuels haben, um die
       jetzt zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor damit zu betreiben.“
       
       Nachdem sie sich im Wahlkampf noch lautstark für den Verbrennungsmotor
       eingesetzt hatte, schien die FDP nicht nur in der Regierung angekommen zu
       sein, sondern auch in der Realität.
       
       Doch ein halbes Jahr später ist es damit schon wieder vorbei. Als in dieser
       Woche nach der EU-Kommission und dem Europaparlament auch die
       EU-Umweltminister beschließen sollten, dass in der EU ab dem Jahr 2035
       keine Pkws mit klassischem Antrieb mehr zugelassen werden, ging Parteichef
       Christian Lindner auf die Barrikaden. „Verbrennungsmotoren mit CO2-freien
       Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen
       möglich sein“, forderte er ultimativ und drohte damit, dass Deutschland
       anderenfalls dem gesamten EU-Klimaschutzplan „Fit for 55“ nicht zustimmen
       werde.
       
       Auch Verkehrsminister Wissing will plötzlich nichts mehr davon wissen, dass
       E-Fuels im Pkw keinen Sinn ergeben: „Klar ist, dass Fahrzeuge mit
       Verbrennungsmotor, die nachweislich nur mit E-Fuels betrieben werden,
       ebenso klimaneutral sind wie andere Fahrzeuge, und deswegen brauchen wir
       Technologieoffenheit“, sagt er nun.
       
       [1][Ob die EU-Kommission tatsächlich ein kleines Schlupfloch für solche
       Verbrenner schaffen wird], wie es die Umweltminister aufgrund des deutschen
       Drucks gefordert haben, ist unklar. Mindestens genauso unklar, ist, was die
       FDP zu dieser Forderung bewogen hat. Denn die deutsche Automobilindustrie
       hat sich – mit Ausnahme von BMW – längst auf das Ende des
       Verbrennungsmotors eingestellt. „Es kann kommen – wir sind am besten
       vorbereitet“, sagt Volkswagen-Chef Herbert Diess. Mercedes-Benz sieht sich
       sogar schon ab dem Jahr 2030 bereit, „überall dort vollelektrisch zu
       werden, wo es die Marktbedingungen zulassen“.
       
       Schneller und wartungsärmer 
       
       Auch aus Kund*innensicht bietet der Umstieg auf Elektromobilität
       praktisch nur Vorteile: Bei den aktuellen Benzin- und Dieselpreisen, so hat
       es der ADAC kürzlich berechnet, ist ein Elektroauto trotz der höheren
       Anschaffungskosten in den meisten Fällen insgesamt deutlich günstiger als
       ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Auch die Wartung ist
       viel weniger aufwendig – Öl und Kühlwasser, das gewechselt werden muss,
       braucht ein E-Motor ebenso wenig wie Zündkerzen oder ein kompliziertes
       Mehrganggetriebe.
       
       Wer Wert auf starke Beschleunigung legt, wird merken, dass selbst kleine
       Elektroautos viele Verbrenner abhängen können. Und seit die Reichweite
       vieler Modelle deutlich gestiegen und die Ladezeiten an Schnellladesäulen
       auf etwa eine halbe Stunde geschrumpft sind, sind auch Langstreckenfahrten
       kein Problem mehr.
       
       [2][Am Markt ist die Entwicklung darum klar]: Die Zahl der in Deutschland
       insgesamt zugelassenen reinen E-Autos hat sich im letzten Jahr auf 620.000
       verdoppelt; im Dezember lag ihr Anteil an allen Neuzulassungen bei über 20
       Prozent. Dass die Werte zuletzt wieder zurückgegangen sind, liegt vor allem
       daran, dass es bei vielen Modellen derzeit lange Wartezeiten gibt.
       
       Doch die selbst ernannte Fortschrittspartei FDP stellt sich nicht an die
       Spitze dieser Entwicklung, sondern schreibt sich stattdessen die Rettung
       des technisch überholten Verbrennungsmotors auf die Fahnen. Das überrascht
       durchaus. Zwar lautete das erste Wort, das Parteichef Christian Lindner
       nach eigenen Angaben gesagt hat, „Auto“ – doch über die Motorisierung ist
       damit ja noch nichts gesagt.
       
       Argumente? Naja 
       
       Die Argumente, die Lindner gegen das Verbrennerverbot nennt, überzeugen
       kaum: Zum einen führt er an, dass Verbrennungsmotoren in anderen Teilen der
       Welt noch länger benötigt werden; deshalb sollten deutsche Konzerne nicht
       aus der Produktion aussteigen. Doch selbst wenn in Ländern ohne gute
       Lade-Infrastruktur tatsächlich noch nach 2035 eine Nachfrage nach
       Verbrennern bestehen sollte, ist unklar, warum diese nicht bedient werden
       könnte, ohne dass auch in der EU noch ein paar von ihnen verkauft werden
       dürfen.
       
       Und was ist mit dem Argument, dass Verbrenner genauso klimafreundlich seien
       wie E-Autos, wenn sie ausschließlich mit sogenannten E-Fuels betankt würden
       – synthetischen Kraftstoffen, die aus Ökostrom hergestellt werden? Auch
       dieses sticht bei näherer Betrachtung nicht wirklich. Zwar wäre ein solches
       Fahrzeug tatsächlich klimaneutral.
       
       Doch abgesehen davon, dass E-Fuels ein Vielfaches von fossilem Benzin
       kosten und damit im Verkehrsbereich ohne massive Subventionen niemals
       wirtschaftlich sein dürften, bedeutet diese Technik eine riesige
       Verschwendung des immer noch knappen Ökostroms. Denn um die gleiche Strecke
       zu fahren, benötigt ein Verbrenner mit E-Fuel mehr als 6-mal so viel Strom
       wie ein vergleichbares E-Auto. Für die Gesamt-Klimabilanz des Landes wäre
       eine so ineffiziente Technik damit schädlich, auch wenn ein einzelnes Auto
       tatsächlich klimaneutral angetrieben würde. Selbst der ADAC räumt ein:
       „Experten sehen das Einsatzgebiet von E-Fuels aufgrund des schlechten
       Wirkungsgrads nicht im Pkw.“
       
       Diese Fakten, das zeigen Wissings Äußerungen aus dem Januar, sind im
       Verkehrsministerium und an der FDP-Spitze natürlich bekannt. Dass
       Verbrennungsmotoren mit E-Fuels eine Zukunft haben, dürfte darum auch dort
       niemand ernsthaft erwarten. Der Grund, dass die Partei sich trotzdem dafür
       einsetzt, ist wohl ein anderer: Bei großen Teilen der Bevölkerung haben
       sich die Vorteile der Elektromobilität noch nicht herumgesprochen. In
       Umfragen lehnt mehr als die Hälfte der Deutschen das von der EU geplante
       Verbrennerverbot ab.
       
       Dies mag zum Teil daran liegen, dass in der öffentlichen Debatte bisweilen
       untergeht, dass ein Verbot nicht für bestehende, sondern nur für neue
       Verbrennerfahrzeuge gelten soll. Manche lehnen Elektroautos allein
       deswegen ab, weil sie es für eine Idee der Grünen halten, andere, weil sie
       um Jobs bei Zulieferbetrieben fürchten, die auf Verbrennerkomponenten
       spezialisiert sind. Wieder andere glauben nicht daran, dass das Ladenetz
       bis zum Jahr 2035 ausreichend ausgebaut sein wird.
       
       Alle diese Menschen, die den Status quo jeder noch so positiven Veränderung
       vorziehen, will die FDP offenbar nicht allein der Union und der AfD
       überlassen. Kurzfristig dürfte ihr das sogar nutzen. Aber ob sich der
       populistische Einsatz für eine inffiziente Technik langfristig auszahlt für
       eine Partei, die mal mit Sprüchen wie „Bedenken second“ und „Wie es ist,
       darf es nicht bleiben“ in den Wahlkampf gezogen ist, scheint dagegen
       fraglich.
       
       2 Jul 2022
       
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