# taz.de -- Verschärfte Maßnahmen der Taliban: Kein weibliches Gesicht mehr im TV
       
       > Afghanistans Taliban-Regierung schränkt Frauen- und andere Bürgerrechte
       > weiter ein. Die Unabhängige Menschenrechtskomission wird aufgelöst.
       
 (IMG) Bild: Fernsehmoderatorin Kahatereh Ahmadi darf ihr Gesicht bei Tolo TV nicht mehr zeigen
       
       Berlin taz | Die in Afghanistan regierenden [1][Taliban] haben neue
       Anordnungen erlassen, die Frauenrechte weiter einschränken. Seit dem
       Wochenende setzten sie durch Besuch bei den Redaktionen durch, dass auch
       die Sprecherinnen der trotz Einschränkungen auch im Land weiter arbeitenden
       und sendenden nichtstaatlichen Fernsehsender ihr jüngstes
       Verschleierungsdekret einhalten. Sie hatten bisher zwar Kopftuch getragen,
       müssen nun aber auch ihr Gesicht verdecken.
       
       Beim größten privaten Fernsehsender Tolo TV solidarisierten sich am
       Wochenende männliche Mitarbeiter mit ihren Kolleginnen, in dem sie mit
       schwarzen Masken auftraten. Darunter war auch Nachrichtenchef Chpelwak
       Sapai, der im März selbst mehrere Nächte in Taliban-Haft verbringen musste,
       weil Tolo TV über das Verbot der Ausstrahlung der in der Bevölkerung
       beliebten indischen und türkischen Seifenopern berichtet hatte. Safai
       erklärte jüngst, der Sender operiere „bisher“ weiterhin unabhängig, „wir
       machen täglich unser eigenes Programm und produzieren sehr unabhängig
       unsere Stories.“
       
       Taliban-Sicherheitskräfte blockierten Anfang der Woche auch den Zugang von
       Frauen zu Sporteinrichtungen, selbst wenn sie ausschließlich für weibliches
       Publikum beschränkt waren. Im vergangenen Herbst hatten die Taliban
       Berichte bestritten, dass sie Frauensport generell verboten hätten. In
       einer privaten Kabuler Hochschule sollen sie Studentinnen geschlagen haben,
       die ihrer Ansicht nach nicht korrekt verschleiert gewesen seien.
       
       Darüber hinaus lösten die Taliban Ende voriger Woche eine Reihe von
       Regierungs- und regierungsnahen Institutionen auf, die unter der vom Westen
       gestützten Vorgängerregierung eingerichtet worden waren. Für sie wurden im
       neuen Jahresbudget der Taliban-Regierung keine Mittel mehr eingestellt.
       
       ## Menschenrechtskommission für die Taliban „nicht notwendig“
       
       Die Maßnahme betrifft neben den Sekretariaten beider Häuser des ohnehin
       auseinander gelaufenen Parlaments und dem Nationalen Versöhnungsrat vor
       allem die Unabhängige Menschenrechtskommission (AIHRC). In den Augen der
       Taliban waren diese Institutionen Ausdruck unter der westlichen
       „Okkupation“. Ihr Vizesprecher Enamullah Samangani bezeichnete sie deshalb
       als “nicht notwendig“. Der Schritt ist insofern von symbolischer Bedeutung,
       als er kurz vor dem ersten Besuch des neuen
       Afghanistan-Menschenrechtsberichterstatters verkündet wurde, des
       Neuseeländers Richard Bennett.
       
       Die Menschenrechtskommission war im Ergebnis der Bonner
       Afghanistan-Konferenz von 2001 entstanden. Sie sollte
       Menschenrechtsverletzungen der vorangegangen Phasen des Afghanistan-Krieges
       dokumentieren, für öffentliches Gedenken sorgen und damit die beabsichtigte
       Demokratisierung fördern.
       
       Allerdings war sie nur dem Namen nach unabhängig, denn ihre Mittel kamen
       vor allem aus dem Ausland und ihre Mitglieder wurden durch den Präsidenten
       ernannt – wenn auch auf der Grundlage von Vorschlagslisten, zu denen auch
       die Zivilgesellschaft beitrug.
       
       Aber vor allem den bis zur Taliban-Machtübernahme mitregierenden Warlords
       war sie ein Dorn im Auge. Selbst westliche Regierungen trugen dazu bei,
       dass ihre kritischsten Berichte [2][nicht öffentlich erscheinen konnten].
       Sie befürchteten, dass die AIHRC-Kritik an Kriegsverbrechen der mit dem
       Westen gegen die Taliban verbündeten Warlords das politische System
       destabilisieren könnte.
       
       ## Kommission will aus dem Exil weiterarbeiten
       
       Bereits im September 2021 hatten die Taliban Büros der Kommission besetzt,
       einige sogar geplündert. “ Damals erklärten sie zwar, die Arbeit der
       Kommission könne unter Umständen weitergeführt werden. Auch das ist jetzt
       vorbei. Sprecher Samangani erklärt jetzt, man habe „andere Organisationen,
       die menschenrechtsbezogene Arbeit leisten, etwa bei der Gerichtsbarkeit“.
       
       Heather Barr von Human Rights Watch schrieb auf Twitter, die Kommission sei
       zwar „nicht perfekt“ gewesen, aber es war „doch enorm von Bedeutung, dass
       es einen Ort gab, zu dem Menschen gehen konnten, um Hilfe zu erbitten und
       Gerechtigkeit zu verlangen.“
       
       Die Kommission [3][meldete] sich darauf am Sonnabend aus dem Exil. Sie ließ
       wissen, dass sie von dort aus, nun völlig „unabhängig und fern aller
       politisierten Herangehensweisen“ weiterarbeiten wolle, auch wenn ihre
       Strukturen im Land weitgehend zusammengebrochen seien und es ihr auch an
       Mitteln fehle. Vor allem wolle sie die „Menschenrechtssituation der
       Menschen“ in Afghanistan beobachten und Beschwerden entgegennehmen.
       
       Eine ähnliche Absicht hatte die zurückgetretene AIHRC-Chefin [4][Shaharzad
       Akbar] geäußert, die im Exil eine unabhängige Stiftung einrichten möchte.
       Man muss hoffen, dass sich die afghanische Menschenrechtsszene im Exil
       nicht zersplittert, sondern koordiniert und an einem Strang zieht.
       
       23 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Taliban-in-Afghanistan/!5852530
 (DIR) [2] /Afghanistan-Bericht-unterdrueckt/!5088298
 (DIR) [3] https://www.aihrc.org.af/home/press_release/1854448
 (DIR) [4] /Afghanische-Menschenrechtskommission/!5827107
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Ruttig
       
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       auszusterben. Reporter ohne Grenzen bekommt fast täglich Hilferufe.