# taz.de -- Polit-Dynastien in den Philippinen: Family first!
       
       > Mit Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. kehrt ein mächtiger Familienclan in
       > den philippinischen Präsidentenpalast zurück – einer von vielen im
       > Inselstaat.
       
 (IMG) Bild: Diktatorensohn Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. feiert seinen Sieg
       
       Als ihr Sohn Bongbong drei Jahre alt war, soll Imelda Marcos schon gesagt
       haben, dass er Präsident werde. Die Legende illustriert den Machtanspruch
       des Marcos-Clans und die Erwartung an den Sohn. Und tatsächlich: Am Montag
       wurde der wenig charismatische Ferdinand Marcos Jr. [1][zum Präsidenten
       gewählt]. Am 30. Juni tritt er das Amt an, 36 Jahre nach dem Sturz des
       diktatorischen und kleptokratischen regierenden Vaters Ferdinand Marcos Sr.
       
       Damit erlebt die Familie nach ihrer Flucht 1986 ein erstaunliches Comeback,
       das auf politischen Netzwerken, Reichtum und einer geschichtsverfälschenden
       Kampagne in den sozialen Medien basiert. Dass der Marcos-Clan schon zum
       zweiten Mal den Präsidenten stellen wird, ist aber kein
       Alleinstellungsmerkmal. Auch die konkurrierenden Aquinos saßen mit Corazon
       und Benigno III schon zweimal in Manilas Präsidentenpalast.
       
       60 bis 70 Familien dominieren seit vielen Jahrzehnten Politik und
       Wirtschaft der Philippinen. In der Elite des Landes mit heute 110 Millionen
       Einwohnern ist der Familienname wichtiger als die Parteizugehörigkeit, die
       nach Belieben gewechselt wird.
       
       Viele Dynastien gehen auf die Zeit um 1900 zurück, als Spanien die Macht im
       Archipel verlor und lokale Eliten das Vakuum füllten. Die arrangierten sich
       bald mit den neuen amerikanischen Herren und bauten ihre Macht nach der
       Unabhängigkeit 1946 aus. Dabei war es ausgerechnet Ferdinand Marcos Sr.,
       der 1972 per Kriegsrecht jene Dynastien schwächte, die sich seiner Macht
       nicht fügen wollten.
       
       ## Wahlen ändern wenig
       
       Nach seinem Sturz kehrte mit der Dezentralisierung das alte System zurück.
       Wahlen änderten daran nichts: Untersuchungen zufolge gehen stets ein
       Viertel bis zwei Drittel der Mandate an Personen, deren Verwandte schon
       zuvor diese Ämter hatten. Die Macht der Clans basiert dabei auf der
       Dominanz einer Provinz, manchmal in Konkurrenz zu einem weiteren Clan wie
       bei der Familie Marcos, die in Ilocos Norte ihre Bastion hat.
       
       Bei den Wahlen wurden jetzt [2][acht Verwandte von Bongbong Marcos
       gewählt], darunter sechs mit dem Namen Marcos aus Ilocos Norte und zwei
       namens Romualdez. Das ist der Geburtsname von Imelda Marcos, deren
       elterlicher Clan auf der südlichen Insel Leyte seine Machtbasis hat.
       Bongbong Marcos’ Schwester Imee ist bereits Senatorin.
       
       Strebt eine Familie nach nationaler Macht, muss sie sich mit Clans in
       anderen Regionen verbünden. Die Hochzeit von Marcos Senior mit Imelda
       Romualdez, die er nur elf Tage nach ihrem ersten Treffen ehelichte, war ein
       solcher Zug. Sohn Bongbong ist heute mit einer Tochter des Aranetas liiert,
       einer alten baskischen Familie, die zu den reichsten der Philippinen zählt.
       Auch seine jüngere Schwester Irene hat einen Araneta geheiratet.
       
       Politisch hat sich Bongbong Marcos mit Sara Duterte-Carpio verbündet. Der
       Duterte-Clan der künftigen Vizepräsidentin dominiert die südliche Großstadt
       Davao. Von Durtete-Carpio erwartet ihr Vater, der aus dem Amt scheidende
       Präsident Rodrigo Duterte, dass sie eine Anklage gegen ihn vor dem
       Internationalen Strafgericht wegen seiner Verantwortung für den
       Antidrogenkrieg mit Tausenden Toten verhindert.
       
       ## Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption
       
       Der künftige Präsident Marcos muss für seinen Clan vereiteln, dass die
       Justiz von seiner Familie unrechtmäßig erworbenen Besitz während der
       Diktatur seines Vaters zurückverlangt. Da ihm als Präsident die zuständige
       Kommission unterstehen wird, dürfte das gelingen. Zweifellos fördert das
       System politischer Dynastien Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und
       Korruption, in dem es Familienbande über Fachkompetenz stellt. Für
       ausländische Investoren sind die Clans als Partner sehr attraktiv, weil sie
       großen Einfluss auf Entscheidungsträger haben.
       
       Eine philippinische Kernfamilie mit durchschnittlich vier Kindern hat bei
       mehreren Generationen Dutzende Verwandte. Eine solche Großfamilie hat das
       Interesse, Angehörige in unterschiedlichen Bereichen zu platzieren: im
       Staatsdienst, bei den Sicherheitsorganen, in der Geschäftswelt, der Kirche,
       als Arbeitsmigrant*in im Ausland oder gar bei einer Guerillagruppe. So
       hat immer jemand Beziehungen und Einfluss, um der Familie zu helfen.
       
       Wahlen bevorteilen Kandidat*innen mit bekannten Familiennamen, nach
       denen in ihren Hochburgen zahlreiche öffentliche Gebäude benannt sind, in
       Ilocos Norte ist gar der Geburtstag von Ferdinand Marcos seit 2019 ein
       Feiertag. Die Clan-Namen sind allen geläufiger als Parteikürzel. Wie
       Joseph Estrada zeigte, der es vom Schauspieler zum Präsidenten brachte,
       begründen inzwischen Celebritys neue Dynastien. Jetzt wurden gleich zwei
       von Estradas Söhnen in den Senat gewählt, in dem drei Familien ein Viertel
       der Sitze halten.
       
       Um das System politischer Clans zu brechen, müsste es verboten werden, dass
       Personen die öffentlichen Ämter bekleiden, die zuletzt Verwandte
       innehatten. Längst gibt es solche Vorschläge. Doch das müsste ausgerechnet
       das Parlament voller Clan-Vertreter beschließen. Unter Marcos wird das
       nicht passieren.
       
       14 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Praesidentschaftswahl-auf-den-Philippinen/!5850840
 (DIR) [2] https://www.gmanetwork.com/news/topstories/nation/831387/8-marcos-kin-win-local-posts-in-ilocos-norte-leyte/story/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
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       Diktators Ferdinand Marcos Sr., Vize die Tochter des amtierenden Rodrigo
       Duterte.