# taz.de -- Deutsche Unternehmen in Russland: Quadratisch, praktisch, Wut
       
       > Noch immer sind deutsche Unternehmen wie Ritter Sport im kriegsführenden
       > Russland aktiv. Die Gründe dafür sind vielfältig.
       
 (IMG) Bild: Ritter Sport will alle Gewinne, die das Familienunternehmen in Russland macht, spenden
       
       Berlin taz | Seit Wochen werden Unternehmen, die weiterhin in Russland
       Geschäfte machen, hart angegangen. Der ukrainische Botschafter in
       Deutschland, Andrij Melnyk, teilte auf Twitter ein Bild einer Tafel Ritter
       Sport-Schokolade und einer Abwandlung von dessen Slogan – „Quadratisch.
       Praktisch. Blut.“ -, weil das Unternehmen weiterhin Schokolade in
       russischen Supermärkten verkauft. Zwar hatten in den Wochen nach dem
       russischen Einmarsch in die Ukraine einige Unternehmen ihren Betrieb
       eingestellt, darunter VW, Continental und Obi. Zahlreiche Unternehmen haben
       sich aber entschieden, bis auf Weiteres in Russland zu bleiben.
       
       Wie viele der zu Kriegsbeginn noch etwa 3.500 deutschen Unternehmen
       [1][inzwischen ihre Produktion eingefroren oder sich ganz aus dem Land
       verabschiedet haben], ist nicht bekannt. Geblieben sind sowohl große
       Unternehmen als auch Mittelständler, für die Russland ein großer
       Absatzmarkt ist, wie die Maschinenhersteller Liebherr und Grimme, die
       Supermarktkette Globus und eben Ritter Sport.
       
       Der Schokoladenhersteller begründet seinen Verbleib auf seinem
       zweitwichtigsten Markt vor allem damit, dass er seine Produktion in
       Deutschland und Österreich sowie die Kooperation mit Kakaobauern und deren
       Kollektiven teilweise einstellen müssten, wenn sie sich zurückzögen. Sie
       versprechen, ihre gesamten Gewinne aus Russland an Hilfsorganisationen zu
       spenden, und haben bereits alle Investitionen und Werbemaßnahmen gestoppt.
       Ob das Unternehmen Gewinne transparent macht und an welche Organisationen
       gespendet wird, wollte man der taz nicht mitteilen.
       
       Auch die Firma Henkel gab an, alle Investitions-, Sponsoring- und
       Werbeausgaben eingestellt zu haben und nur „Waren des täglichen Bedarfs“
       wie Reinigungsmittel herzustellen und zu liefern. Wie die meisten
       Unternehmen verteidigt Henkel seine Entscheidung damit, eine Verantwortung
       gegenüber seinen Mitarbeiter*innen zu haben. Die russische Regierung
       hatte leitenden Angestellten von abwandernden Unternehmen mit rechtlichen
       Konsequenzen gedroht. Entsprechende Fälle sind bislang aber noch nicht
       bekannt.
       
       ## Firmen fürchten, enteignet zu werden
       
       Das Zögern der Firmen hängt auch damit zusammen, dass in Russland ein
       Gesetz vorbereitet wird, [2][mithilfe dessen ausländische Unternehmen
       enteignet werden können], sollten sie sich aus dem russischen Markt auch
       nur vorübergehend zurückziehen. Das Gesetz soll Arbeitsplätze und
       Produktionskapazitäten sichern. Dadurch würde eine Wiederkehr nach dem
       Krieg mindestens sehr teuer.
       
       Vor allem die Pharmaunternehmen wie Bayer und Fresenius argumentieren
       außerdem, dass sie überlebenswichtige Medikamente und Dienstleistungen
       verkaufen. Fresenius betreibt über 100 Dialysezentren, auf die Nierenkranke
       angewiesen sind. Bayer schreibt auf Anfrage der taz, nur „unverzichtbare“
       Produkte weiter zu vertreiben, wollte sich aber nicht dazu äußern, nach
       welchen Kriterien sie diese auswählen und ob beispielsweise auch die
       Kopfschmerztablette Aspirin gemeint ist.
       
       Bayer liefert neben den medizinischen Produkten auch Saatgut an russische
       Bauern. „Der Zivilbevölkerung wesentliche Gesundheits- und
       Landwirtschaftsprodukte vorzuenthalten, würde die Zahl an Menschenleben,
       die dieser Krieg fordert, nur vervielfachen“, schreiben sie in einer
       Stellungnahme. Mit der Versorgung der russischen Bevölkerung argumentiert
       auch der Lebensmittelgroßhändler Metro, der 240 Millionen Euro, also zehn
       Prozent seines Umsatzes in Russland erwirtschaftet. Er beliefert nach
       eigenen Angaben vor allem Restaurants, Zwischenhändler und Caterer – ob ein
       Wegfall ihrer 93 Märkte also die Lebensmittelversorgung gefährden würde,
       ist fraglich.
       
       Abgesehen von ihrem symbolischen Wert wären die finanziellen Konsequenzen
       einer Abwanderung deutscher Unternehmen für die russische Staatskasse in
       den meisten Fällen überschaubar. Die Umsatz-, Einkommen- und
       Kapitalertragsteuern aller russischen Unternehmen und Personen machen
       weniger als 10 Prozent der jährlichen Einnahmen aus. [3][Den Großteil
       seines Geldes verdient Russland bekanntlich mit dem Export von Rohstoffen.]
       
       7 Apr 2022
       
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