# taz.de -- Wahlumfrage in Schleswig-Holstein: Grüner Drops schon gelutscht?
       
       > Vor der Kieler Landtagswahl am 8. Mai schmieren die Grünen in den
       > Umfragen ab. Dabei sind dort ur-grüne Themen besonders wichtig.
       
 (IMG) Bild: Mit Schokoherzen zum Sieg: Daniel Günther (CDU) hat gute Umfragewerte
       
       Rendsburg taz | Die Grünen in Schleswig-Holstein waren angetreten, um ihre
       Spitzenkandidatin Monika Heinold zur Ministerpräsidentin zu machen. Eine
       neue Umfrage zeigt, dass sie vielleicht nicht einmal mehr für eine
       Regierungsbildung gebraucht werden. Was ist schiefgelaufen? Oder besser:
       Wer ist ihnen in die Quere gekommen?
       
       Klar ist, wen die Schleswig-Holsteiner*innen als Ministerpräsidenten
       wollen: [1][Mehr als drei Viertel würden Daniel Günther (CDU)] direkt
       wählen, ergab [2][eine aktuelle Umfrage von Infratest Dimap]. Seine Partei
       landet demnach bei 38 Prozent und baut ihren Vorsprung weiter aus. Passiert
       nicht etwas Unabsehbares, dürfte der 48-jährige Blondschopf aus Eckernförde
       nach der Wahl am 8. Mai erneut eine Regierung bilden.
       
       Wenn die FDP, die jetzt bei neun Prozent steht, den Aufwärtstrend
       fortsetzt, könnte es sogar für Schwarz-Gelb reichen. Die Grünen, die auf 16
       Prozent abgestürzt sind, wären nicht mehr Teil der Koalition.
       
       Dabei schien ihr Sieg vor einem Jahr gar nicht so unrealistisch: Damals
       standen die Grünen bei 27 Prozent, vor der CDU mit 25 und der SPD mit 21
       Prozent. Bereits bei der Europawahl 2019 hatten die Grünen die CDU als
       stärkste Kraft abgelöst. Dadurch beflügelt, trat die Partei im Herbst 2021
       selbstbewusst mit einer weiblichen Doppelspitze aus Heinold und Aminata
       Touré an. Doch seit einigen Wochen sinken die Werte. Zwischenzeitlich lagen
       die Grünen gleichauf mit der SPD. Inzwischen haben sich die
       Sozialdemokrat*innen bei 20 Prozent eingependelt und wären zweite
       Kraft im Land.
       
       ## Grüne blieben lange im Aufwind
       
       Dabei schien wirklich was zu gehen zwischen den Grünen und
       Schleswig-Holstein. Auch wenn der populäre Frontmann Robert Habeck 2018 als
       Bundesvorsitzender nach Berlin wechselte und seinen Posten als Umwelt- und
       Energiewendeminister an Jan Philipp Albrecht abgab, blieb die Partei im
       Aufwind und strafte die alte Idee Lügen, auf dem platten Land würde auf
       jeden Fall die C-Partei gewinnen, während Grüne das SPD-Klientel in den
       Ballungsräumen abgreifen könnten.
       
       Dass es kaum mehr Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt, zeigt die
       Studie [3][„Ticken Städter anders?“] der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung
       aus dem Jahr 2020. Die Autorin Sabine Pokorny spricht, für Westdeutschland,
       vom „Verschwinden des Stadt-Land-Unterschieds“. Nicht einmal ein
       „spezifisch urbanes Lebensgefühl, das sich grundlegend von den
       Einstellungen der Landbevölkerung unterscheidet“, kann die Forscherin
       ausmachen.
       
       Dass auf dem Land mehr Menschen CDU wählen, habe mehr mit Alter und
       Bildungsgrad zu tun als mit einem Stadt-Land-Gefälle, so die Studie. Denn
       unter den Grün-Wählenden sind überproportional viele Jüngere mit
       akademischem Grad, und deren Zahl ist in Kiel oder Flensburg größer als in
       Rabenkirchen-Faulück.
       
       Gerade [4][die ur-grünen Themen Klimawandel und Energiewende] ziehen im
       Norden: Schleswig-Holstein rühmt sich als Windkraft-Land Nummer eins,
       zahlreiche Mühlen drehen sich bereits zwischen Nord- und Ostsee, bringen
       Arbeitsplätze und Geld ins Land. Und wie sich der Klimawandel bereits
       auswirkt, merken die Landwirt*innen deutlicher als die Menschen in der
       Stadt. So wuchs die Zahl der Parteimitglieder in den vergangenen Jahren
       auch in den ländlichen Regionen auf landesweit über 5.000.
       
       Allerdings freute sich auch die FDP über mehr Anhänger*innen. Beiden
       kleineren Parteien, darauf deuteten Umfragen im vergangenen Jahr hin,
       schien das Jamaika-Bündnis mit der CDU gut zu bekommen. An der großen
       Zustimmung zur aktuellen Regierung hat sich laut Umfragen wenig geändert:
       Das Kieler Kabinett ist die bundesweit beliebteste Regierung. Selbst
       Wähler*innen der SPD mögen die Jamaika-Runde, die trotz ideologischer
       Unterschiede fünf Jahre lang pragmatisch und ohne Streit die anstehenden
       Probleme gelöst hat.
       
       ## Monika Heinold ist im Land bekannt
       
       Vielleicht strafen die Wähler*innen ab, dass die Grünen sich zu sicher
       schienen, zum dritten Mal in Folge mitregieren zu können. Denn noch vor
       wenigen Wochen schien eine Koalition ohne sie kaum denkbar. Auch ist Monika
       Heinold zwar landesweit bekannt, ein Vorteil gegenüber dem SPD-Spitzenmann
       Thomas Losse-Müller, aber die pragmatische Reala ist keine Rednerin, die
       große Säle rockt, und ihr Thema – Finanzen – nicht eben sexy.
       
       [5][Und ihre Doppelspitzenpartnerin] Touré wird zwar als politisches
       Ausnahmetalent gehandelt, könnte aber als zu jung für ein Spitzenamt
       gelten. Auch inhaltlich knirscht es gerade. Die Bevölkerung in den
       kleineren Orten, in denen das Mantra „Ohne Auto geht es nicht“ noch weit
       verbreitet ist, leidet unter den hohen Spritpreisen.
       
       Gleichzeitig hat die Partei viele enttäuscht, die sich eine schnellere
       Energiewende wünschen. Aktuell zeigt sich das am Streit um den Ausbau des
       LNG-Terminals: Die Grünen-Basis hat sich dagegen ausgesprochen,
       Bundeswirtschaftsminister Habeck treibt das Projekt voran, die Landesspitze
       steht dazwischen. Ein undankbarer Platz.
       
       21 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Politiker-Daniel-Guenther-ueber-die-CDU/!5844734
 (DIR) [2] https://dawum.de/Schleswig-Holstein/Infratest_dimap/2022-04-21/
 (DIR) [3] https://www.kas.de/documents/252038/7995358/Politische+Einstellungen+in+urbanen+und+l%C3%A4ndlichen+Regionen.pdf/580b268c-35dc-ce2e-8dec-243961866f62?t=1602843820192
 (DIR) [4] /Wahlkampf-in-Schleswig-Holstein/!5838270
 (DIR) [5] /Landtagswahl-in-Schleswig-Holstein/!5819350
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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