# taz.de -- Hässliche Seiten von Atlético Madrid: Vollkommene Düsternis
       
       > Atlético Madrid wird vor dem Champions League Rückspiel für seine eklige
       > Spielweise gegeißelt. Hitlergrüße der Fans runden das miese Image ab.
       
 (IMG) Bild: Pep Guardiola (r.) ist empört über den rustikalen Einsatz eines Atlético-Spielers
       
       Und, wie fühlt man sich so als Ekel des europäischen Fußballs? Das war mehr
       oder weniger die Frage, die Diego Pablo Simeone vor dem
       Viertelfinalrückspiel gegen Manchester City am Mittwochabend in allen
       erdenklichen Varianten gestellt bekam. [1][Der Trainer von Atlético Madrid]
       blieb ruhig und höflich. Er selbst rede ja nie schlecht über andere, so
       Simeone, denn von seinem kürzlich verstorbenen Vater habe er gelernt: „Der
       Fisch stirbt im Maul.“
       
       So viel zu den Kritiken am Mauerfußball seiner Mannschaft. Darüber hinaus
       musste sich Simeone diesmal aber mit der Uefa-Rechtssprechung beschäftigen.
       Im Publikum befinden sich nämlich einige Gesellen vom ganz rechten Rand.
       Beim Hinspiel in Manchester stellten sie den Hitlergruß zur Schau. Die Uefa
       verdonnerte Atlético daher am Montag dazu, mindestens 5.000 Plätze in
       Madrid unbesetzt zu lassen. „Disproportional“, findet das der Klub und
       versuchte am Montagabend noch, eine einstweilige Verfügung vor dem
       Internationalen Sportgerichtshof zu erwirken. Schließlich seien alle Karten
       verkauft, eine so kurzfristige Aussperrung könnte zu Chaos führen.
       
       Der Verein zieht sich immer arg leicht auf Einzeltätertheorie und
       Opferrolle zurück, wenn es um die aggressiv-nationalistischen Ultras vom
       Frente Atlético geht. Dabei sind sie für zwei der vier letzten Toten unter
       spanischen Fans verantwortlich. Zuletzt missbrauchten sie sogar eine Partie
       der Youth League, um Real Madrids dunkelhäutigen Jungprofi Peter González
       zu verunglimpfen. Im Uefa-Nachwuchswettbewerb muss Atlético sein nächstes
       Heimspiel daher vor leeren Rängen austragen. Für diesen wie für heute wurde
       dem Klub zudem aufgetragen, das „#No-to-Racism“-Transparent des Verbandes
       herzuzeigen.
       
       Hässlich auf der Tribüne, hässlich auf dem Platz? Für manche mag sich da
       fast so etwas wie ein Gesamtwerk der Düsternis ergeben, nachdem Atlético
       mit einem 5-5-0-System im Hinspiel die Fußballästheten schockierte.
       „Catenaccio wie aus den 1960er Jahren“ diagnostizierte Italiens einstiger
       Innovator Arrigo Sacchi. Stürmerlegende und Ex-Fifa-Reformbeauftragter
       Marco van Basten will sogar die Regeln ändern, um den Fußball vor Atlético
       zu retten. Ansonsten sei es „sinnvoller, auf Netflix umzuschalten“. Und der
       ehemalige englische Profi Robbie Fowler weiß: „Simeone existiert, um andere
       am Fußballspielen zu hindern.“
       
       ## Künste des Bösen
       
       Besonders in England wird der Argentinier schon seit Spielerzeiten – er
       provozierte bei der WM 1998 einen Platzverweis des jungen David Beckham –
       mit lustvollem Schaudern als Ritter der Dunkelheit charakterisiert.
       Gegnerische Trainer haben mit Anspielungen auf seine Künste des Bösen
       praktischerweise immer gleich eine Erklärung für Niederlagen parat.
       
       Um nicht von vornherein als Nörgler dazustehen, wies Citys Pep
       [2][Guardiola vor dem Hinspiel jeden Stilunterschied] noch weit von sich:
       „Dumme Debatten!“ Seine übertriebene Reaktion auf naheliegende Fragen
       verriet freilich, wie sehr ihm das Simeone-Gespenst wieder im Kopf
       rumspukte. City war dann kaum mal es selbst, nutzte aber immerhin den
       einzigen Fehler im Atlético-Bollwerk für einen minimalen 1:0-Ertrag. Danach
       interessierte Guardiola sein Geschwätz vom Vortag schon nicht mehr: „Ob in
       der Steinzeit, heute oder in 100.000 Jahren: Es ist sehr schwer gegen zwei
       Fünferreihen anzugreifen“, entschuldigte er sein Team. In Madrid nahmen sie
       es wie immer: mit Trotz. „Ich liebe deine Geschichte seit der Steinzeit,
       Atleti“, erklärte Kapitän Koke. „Leidenschaft, Lust und Kampfgeist: ich
       liebe, wie Atlético spielt.“
       
       Atléticos Fußball gedeiht besonders, wenn es sich von allen verteufelt
       sieht. Von der Uefa fühlt man sich gegängelt, seit man voriges Jahr wegen
       englischer Pandemieprobleme das Achtelfinale gegen Chelsea in Bukarest
       austragen musste und die einzige „Heim“-Niederlage in einem
       K.o.-Runden-Spiel unter Simeone kassierte. Hinzu kommen viele rote Karten
       mit langen Sperren, auch einen Platzverweis für Antoine Griezmann gegen
       Liverpool haben sie nicht vergessen. Der Schiedsrichter von damals wird mit
       Daniel Siebert auch der von heute sein. Mit ihm und wie vielen Zuschauern
       auch immer braucht Atlético etwas, über das bei all der Aufregung kaum
       geredet wurde. Etwas ganz Grundsätzliches: Tore.
       
       13 Apr 2022
       
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