# taz.de -- Belgiens Atomkraftwerke: Ausstieg um 10 Jahre verschoben
       
       > Aufgrund des Ukraine-Kriegs will Belgien die Atommeiler Doel und Tihange
       > länger Strom produzieren lassen als geplant. Der Betreiber ist jedoch
       > skeptisch.
       
 (IMG) Bild: Das AKW Tihange bei Lüttich in Belgien
       
       Brüssel afp | Belgien verschiebt wegen des drastischen Anstiegs der
       Energiepreise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg erneut seinen Ausstieg
       aus der Atomenergie. Zwei der sieben Atomreaktoren des Landes sollen zehn
       Jahre über das derzeit geplante Ausstiegsdatum 2025 hinaus betrieben
       werden, wie die Regierung in Brüssel am Freitagabend beschloss. Der
       Akw-Betreiber Engie äußerte allerdings Vorbehalte gegen den kurzfristigen
       Kurswechsel.
       
       Belgien betreibt zwei Atomkraftwerke mit insgesamt sieben Reaktoren. Die
       Laufzeitverlängerung betrifft die Reaktorblöcke Doel 4 bei Antwerpen und
       Tihange 3 bei Lüttich. „Diese Verlängerung wird die Unabhängigkeit unseres
       Landes von fossilen Brennstoffen in einem turbulenten geopolitischen Umfeld
       stärken“, erklärte Ministerpräsident Alexander De Croo nach einer
       mehrstündigen Kabinettssitzung.
       
       Die Regierung muss nun mit dem französischen Energiekonzern Engie, der die
       Atomkraftwerke in Belgien betreibt, über Kosten und Umsetzung des Vorhabens
       verhandeln. Dieser zeigte sich in einer Erklärung skeptisch: Engie werde
       gemeinsam mit der belgischen Regierung „Machbarkeit und
       Umsetzungsbedingungen der in diesem Stadium in Betracht gezogenen Lösungen
       untersuchen“.
       
       Das Unternehmen führte Sicherheitsbedenken wegen der kurzfristigen
       Entscheidung an. Insgesamt überstiegen „Unvorhersehbarkeit und Umfang“
       dieser Entscheidung die normale Tätigkeit eines privaten Betreibers. Der
       Konzern fordere daher aktualisierte „angemessene Aufteilung der Risiken und
       Chancen“.
       
       ## Zusätzliche Investitionen in regenerative Energien
       
       Gegen die als pannenanfällig geltenden belgischen Akw gibt es in den
       Nachbarländern und besonders in Deutschland seit Jahren Proteste. Der
       Widerstand richtet sich besonders gegen zwei ältere Reaktoren – Tihange 2
       und Doel 3, in denen Experten im Jahr 2012 [1][tausende Haarrisse in den
       Reaktordruckbehältern fanden]. Das Akw Tihange liegt etwa 60 Kilometer von
       der deutschen Grenze entfernt.
       
       Die Pläne für einen Atomausstieg waren erstmals 2003 gesetzlich
       festgeschrieben worden, die Abschaltung wurde dann aber immer wieder
       verschoben. Belgien deckt einen Großteil seines Energiebedarfs durch
       Importe. Die Atomkraftwerke sind die wichtigste heimische Energiequelle.
       
       Regierungschef De Croo kündigte mit der Laufzeitverlängerung für die beiden
       Reaktoren auch zusätzliche Investitionen in Offshore-Windkraft,
       Wasserstoff, Solarenergie und nachhaltige Mobilität an. „Viel zu lange hat
       es unserem Land an einer Vision gefehlt“, sagte er. „Das hat zu viel
       Unsicherheit geführt.“
       
       Im Nachbarland Niederlande kündigte die Regierung am Freitag an, die
       Produktion von Offshore-Windenergie weiter anzukurbeln. Sie verdoppelte ihr
       Ziel für das Jahr 2030 für die Gesamtproduktion von Windenergie, „um nicht
       mehr Kohle, Gas und Öl aus anderen Ländern wie Russland importieren zu
       müssen“, wie Klima- und Energieminister Rob Jetten dem Sender NOS sagte.
       
       Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und das drohende Szenario
       ausbleibender Gaslieferungen aus Russland hatten [2][auch in Deutschland
       die Debatte über den Atomausstieg neu angefacht.] Die Ampel-Koalition
       erteilte Forderungen nach längeren AKW-Laufzeiten aber eine Absage.
       
       19 Mar 2022
       
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