# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Russlands Schattenarmee
       
       > Die Wagner-Söldnerarmee war bisher vor allem Moskaus verlängerter Arm in
       > Afrika. Jetzt wird sie im Kampf gegen Kiew gebraucht.
       
 (IMG) Bild: Logo des privaten russischen Militärunternehmens „Wagner“
       
       Der Weg an die ehemalige Frontlinie in Ain Zara führt über Glassplitter,
       aus den Häusern geflogene Fensterrahmen und Patronenhülsen. Hier, am
       südlichen Stadtrand von Tripolis, tobten 18 Monate lang heftige Kämpfe
       zwischen den Milizen, die die Hauptstadt verteidgten, und den mit dem
       ostlibyschen General Khalifa Haftar verbündeten Paramilitärs der russischen
       Militär-Firma Wagner.
       
       „Die Wagner-Söldner haben rücksichtslos auf alles geschossen, was sich
       bewegt“, erinnert sich Mohammed al-Haddad, „auch fliehende Frauen, Kinder
       und Verletzte.“ Der einstige Ingenieur lag im Sommer 2019 hinter einem von
       Baggern aufgehäuften Sandwall, als die taz ihn zum ersten Mal traf. Im
       Herbst 2021 gab es ein zweites Treffen, außerdem beruht dieser Text unter
       anderem auch auf einem Besuch in Tripolis vor zwei Wochen.
       
       Im Sommer 2019 versuchten Haddad und andere Kämpfer, den nur wenige hundert
       Meter entfernten Scharfschützen und am Himmel brummenden Drohnen zu
       entgehen. Mittlerweile ist Haddad Chef der westlibyschen Armee und könnte
       bald wieder dem Feind von damals gegenüberstehen – denn wieder hat Libyen
       zwei rivalisierende Regierungen, wieder droht ein Machtkampf um die
       Hauptstadt.
       
       Wagner – eine Schattenarmee, die in den vergangenen Jahren in allen
       nennenswerten Kriegsgebieten Europas, des Nahen Ostens und Afrikas
       auftauchte: in Syrien, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik, Mosambik,
       zuletzt in Mali. Ihre Spuren sind diffus: geheime Verträge, geheime
       Stationierungen. Sichtbar wurden in Libyen modernste russische
       Panzir-Luftabwehrsysteme und MiG-29-Kampfjets. Russland bestreitet
       systematisch, mit Wagner etwas zu tun zu haben. Doch derartiges Kriegsgerät
       wäre niemals ohne grünes Licht vom Kreml in private Hände gelangt.
       
       Die Zahl der [1][Wagner-Söldner in Libyen] wird auf rund 2.000 geschätzt.
       Ihre Identität ist geheim. Es gibt nur wenige verschwommene Fotos, von
       Passanten bei ihrem Abzug gemacht.
       
       Ein Mitkämpfer von Haddad zeigt auf eine ehemalige Stellung von Wagner.
       Überall in Ain Zara lauern noch die Sprengfallen, die Wagner-Söldner und
       Haftar-Soldaten vor ihrem Abzug Mitte 2020 „zur Begrüßung der
       zurückkehrenden Familien vorbereitet haben“, sagt ein Leibwächter von
       Haddad, Ironie schwingt in seiner Stimme. „Hier in Tripolis war das Ziel
       die Vertreibung der Zivilbevölkerung, wie jetzt in der Ukraine“, erklärt
       Haddad den Einsatz der Russen. „Söldner aus Osteuropa waren dafür besonders
       gut geeignet. Haf-tars libysche Offiziere hatten eher Skrupel.“ Die
       russischen Wagner-Soldaten haben in Libyen eine eindeutige Handschrift
       hinterlassen.
       
       „Ich habe Selbstmordattentate und Artilleriebeschuss überlebt und viele
       Freunde dabei verloren“, erzählt Jamal Alaweeb der taz am Telefon. Der
       Ingenieur kämpfte 2011 gegen Gaddafi, 2015 in Sirte gegen den „Islamischen
       Staat“ und 2019 in Tripolis gegen Haftar. „Aber von der Brutalität der
       Wagner-Söldner war ich überrascht“, sagt er. „Sprengfallen in Kinderzimmern
       hat selbst der Islamische Staat nicht gelegt.“
       
       ## Das Wagner-Tablet
       
       Ein zwei Meter tiefer Graben war damals der letzte Vorposten Wagners, einen
       Steinwurf von der Front entfernt. Bei einem Gegenangriff floh wohl ein hier
       stationierter Wagner-Kämpfer überhastet. Nach Kriegsende fand ein
       Entminungsspezialist dort ein verstaubtes Samsung-Tablet. Zu Hause lud er
       die Batterie auf und wunderte sich über die kyrillische Schrift und die
       Landkarten auf dem Gerät. Über den libyschen Militärgeheimdienst landete
       das Tablet letztlich beim britischen Sender BBC und bei IT-Experten. Die
       Daten des Tablets verrieten erstmals die Identitäten von Kämpfern und die
       Kommandostruktur der Wagner-Truppe.
       
       „Man fand die Beweise für unsere Beobachtungen der Geisterarmee, die wir
       oft nur als Schatten an der Front sahen“, sagt einer der taz-Begleiter beim
       Besuch im Herbst 2021. „Ihre Ausrüstung ist das Modernste, was Moskau
       aufzubieten hat.“ Den Verteidigern der Zwei-Millionen-Metropole Tripolis
       steht der Überlebenskampf von 2019 bis 2020 bei diesem Treffen noch immer
       ins Gesicht geschrieben. Sie organisierten die Verteidigung mit
       Freiwilligenbrigaden, ähnlich wie es jetzt in der Ukraine geschieht.
       
       Bekannt waren die maskierten Wagner-Männer dafür, dass sie keine Gefangenen
       machten. „Scharfschützen erkannten wir daran, auf welche Körperteile sie
       zielten“, sagt Haddad und steigt auf einen Berg voller zerborstener
       Metallstreben. „Die Wagner-Leute hielten immer Abstand, den Nahkampf
       überließen sie ihren Schutztruppen: Islamisten und Söldnern aus Syrien oder
       Sudan.“ Diese hätten anders als die Wagner-Leute hohe Verluste erlitten, so
       Haddad. Er zeigt auf eine von Baggern zugeschüttete Grube. Dort sollen
       diese Kämpfer der Gegenseite begraben sein.
       
       Verbrannte Erde – das ist es, was Wagner hinterlässt. In den Straßenzügen
       rund um das Gefängnis von Ain Zara sind die Fassaden mit Einschusslöchern
       übersät. In der Dämmerung brennt nur in wenigen der mit Plastikfolie
       verklebten Fenster Licht. Vor allem die als Gefechtsstand genutzten Gebäude
       wurden von Drohnenangriffen fast völlig zerstört und damit für immer
       unbewohnbar.
       
       Ähnlich sieht es nun auch aus in den Städten der Ukraine oder [2][im
       syrischen Aleppo] – überall dort, wo Wagner nachweislich zum Einsatz kam.
       Die Bilder der Schutthaufen und Ruinen im ukrainischen Mariupol erinnern an
       die tschetschenische Hauptstadt Grosny nach der russischen Invasion, die
       2009 offiziell beendet wurde. Grosny galt damals als die durch Krieg am
       schwersten zerstörte Stadt weltweit.
       
       Zahlreiche Wagner-Söldner haben in Grosny gekämpft. Es war der Beginn der
       russischen Privatarmee, zusammengesetzt aus kampferfahrenen Russen, Serben,
       Tschetschenen, die zum Teil bereits in Jugoslawien gekämpft hatten und
       seitdem im Dienste Moskaus auf privaten Soldlisten stehen. „Mit Wagner
       entstand eine Hybridarmee aus russischen Streitkräften, lokalen Söldnern
       und osteuropäischen Militärexperten“, sagt Iliasse Sidiqui, ein Analyst für
       eine westeuropäische Sicherheitsfirma, der die Wagner-Aktivitäten seit
       Jahren beobachtet.
       
       In Kriegsgebieten wie Libyen tritt Wagner als „Ausbildungsteam“ auf, um
       lokale Truppen fit zu machen. Offiziell entsendet Moskau Militärausbilder,
       tatsächlich landen vollständig ausgerüstete Kampfeinheiten.
       
       ## Wo der Name „Wagner“ herkommt
       
       [3][Libyens General Haftar] bat im Sommer 2017 Russlands Außenminister
       Lawrow in Moskau um militärisches Gerät und Militärexperten. Im Dezember
       2017 empfing er in Bengasi Emissäre von Wagner. Damals kämpfte er gegen
       islamistische Milizen in Ostlibyen, wo der Großteil des libyschen Öls aus
       dem Boden gepumpt wird. So wurde Libyen für Wagner zur Goldgrube. In einem
       2018 im Internet veröffentlichten Video sitzt der libysche General an einem
       langen Tisch im Kreml zwischen dem russischen Verteidigungsminister Sergei
       Schoigu und dem Oligarchen Jewgeni Prigoschin, der Finanzmogul hinter
       Wagner.
       
       „Wagner“ – das war ursprünglich der Kriegsname von Oberstleutnant Utkin,
       ein Fallschirmspringer-Veteran der Spezialeinheiten des russischen
       Militärgeheimdienstes GRU. Nach seiner Pensionierung 2013 ließ er sich als
       Veteran von der russischen Sicherheitsfirma Slavonic Corps zuerst in den
       Irak, später in die Ostukraine und auf die Krim entsenden, wie so viele
       ehemalige russische Soldaten, deren staatliche Rente nicht ausreicht, um zu
       überleben.
       
       Im Donbass wurde Utkin mit einem Wehrmachtshelm an der Front gesichtet,
       seine beiden SS-Tatoos am Hals deutlich sichtbar. Utkin macht aus seiner
       Leidenschaft für das „Dritte Reich“ keinen Hehl. Als die Firma Slavonic
       Corps, die als Sicherheitsfirma im Irak und auf Handelsschiffen vor der
       Küste Somalias stationiert war, 2014 durch den russischen Staat aufgelöst
       wurde, präsentierte sich Utkin unter einem neuen Firmennamen: „Wagner“.
       
       Offiziell streitet Russlands Regierung alle Kontakte zu Wagner ab, private
       Militärfirmen sind in Russland illegal. Laut russischen Quellen traf sich
       Russlands Generalstabschef aber bereits 2010 mit Eeben Barlow, Gründer der
       südafrikanischen Sicherheitsfirma Executive Outcomes, die in den 1990er
       Jahren mit arbeitslosen weißen Spezialkräften von Südafrikas
       Apartheidregierung Kriege in Afrika führte.
       
       Die Direktoren von Utkins erstem Arbeitgeber Slavonic Corps wurden 2014 von
       einem russischen Gericht wegen Söldnertum in Syrien verurteilt. Das
       russische Parlament lehnte 2018 den Einsatz von Privatfirmen in
       Sicherheitsfragen ab. Laut israelischen Geheimdienstinformationen ist die
       Firma „Wagner Group“ nicht offiziell in Russland registriert, sondern in
       Argentinien.
       
       2015 expandierte Wagner nach Syrien, auf Einladung des dortigen Präsidenten
       Assad. Wagner-Söldner wurden laut Vertrag vom syrischen Energieministerium
       dafür bezahlt, Ölförderanlagen zu schützen. Gemeinsam mit Assads Soldaten
       lieferten sich Wagner-Kämpfer im Sommer 2015 eine wochenlange Schlacht mit
       kurdischen Truppen, die von den USA unterstützt wurden, und verloren fast
       100 Kämpfer. Die US-Geheimdienste verfügen über Telefonaufzeichnungen aus
       jenen Tagen zwischen Oligarch Prigoschin und dem Kreml in den Tagen der
       Palmyra-Schlacht. Prigoschin bat Putin, seine verletzten Kämpfer
       auszufliegen, der schickte Russlands Luftwaffe nach Syrien.
       
       Als Auszeichnung erhielt Utkin am 9. Dezember 2016, am „Tag der Helden des
       Vaterländischen Krieges“, von Putin eine Tapferkeitsmedaille. Ebenso wie
       Andrej Troschew, der spätere Chefleibwächter von Prigoschin. Die beiden
       kennen sich aus alten Kriegszeiten, sind quasi Waffenbrüder. Als Utkin im
       Donbass die Firma Wagner ins Leben rief, vermittelte Troschew ihn offenbar
       an seinen Oligarchenfreund Prigoschin. Utkin wurde daraufhin kurzzeitig
       Geschäftsführer von Prigoschins Firma Concord.
       
       Der russische Oligarch Prigoschin, dessen Privatvermögen auf über 200
       Millionen US-Dollar geschätzt wird, ist bekannt unter dem Spitznamen
       „Putins Koch“. Zu Sowjetzeiten war er in Leningrad, heute Sankt Petersburg,
       Chef eines kriminellen Netzwerks, kam neun Jahre ins Straflager und stieg
       zum Gangsterchef auf. Er wurde Teil jener „Diebe im Gesetz“ (wory w
       zakone), die nach dem Zerfall der Sowjetunion als Mafiaorganisation
       weltweit im Waffen-, Drogen- und Menschenhandel tätig wurden.
       
       Laut offizieller Geschichtsschreibung machte sich Prigoschin nach seiner
       Freilassung mit einem Hot-Dog-Stand in Moskau selbstständig, dann eröffnete
       er St. Petersburgs erstes Kasino, eine Geldwaschanlage für das organisierte
       Verbrechen. Als Putin 2000 Präsident wurde, wollte er die russische
       Gangsterwelt unter seine Kontrolle bekommen und wandte sich an seinen
       Freund Prigoschin, den er aus St. Petersburg kannte. So wurde Prigoschins
       Firma Concord zum Caterer für russische staatliche Schulen und die Armee –
       ein Milliardenauftrag. Prigoschin gilt auch als Hintermann hinter der
       Online-Troll-Agentur Internet Research Agency, die 2016 mutmaßlich
       versuchte, die US-Wahlen über Fake News zu beeinflussen. Mittlerweile steht
       Prigoschin auf internationalen Sanktionslisten.
       
       ## Drehkreuz Zentralafrika
       
       Nirgends auf der Welt ist Wagner heute so mächtig wie in der
       Zentralafrikanischen Republik, ein Land im Bürgerkrieg, dessen Bevölkerung
       in Armut lebt, das aber über Gold und Diamanten verfügt. Seit 2018
       trainiert Russland die zentralafrikanische Regierungsarmee, russische
       Kämpfer stellen die Leibgarde von Präsident Faustin Touadéra.
       
       Vor dessen Wiederwahl Ende 2020 teilte Russland dem für die Überwachung des
       Waffenembargos gegen das Land zuständigen UN-Sanktionskomitee mit, es
       seien „300 unbewaffnete Ausbilder“ entsandt worden, um die lokale Armee zu
       unterstützen. Im jüngsten UN-Expertenbericht von 2021 ist die Rede von 800
       bis 2.100 russischen „Ausbildern“ – alle bis an die Zähne bewaffnet.
       Kampfhubschrauber und Maschinengewehre seien von russischen und
       kasachischen Transportmaschinen ins Land gebracht worden.
       
       Zeugen, darunter Soldaten der zentralafrikanischen Armee, berichteten den
       UN-Experten in den vergangenen Jahren, dass die Russen in direkte
       Kampfhandlungen verwickelt seien. Ihnen werden auch schwere
       Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
       
       Laut UN-Expertenbericht wurden auch „russische Ausbilder“ gesichtet, die
       „sich selbst als Staatsangehörige Libyens, Syriens und anderer Länder
       auswiesen“. In einigen Gegenden außerhalb der Hauptstadt Bangui seien „von
       Dezember 2020 bis Anfang März 2021 etwa 60 ausschließlich arabischsprachige
       Ausbilder, die sich meist selbst als Syrer bezeichneten, im Rahmen eines
       Dreimonatsvertrags eingesetzt worden“. Die Flugrouten mehrerer russischer
       Militärflugzeuge, die zwischen Dezember 2020 und April 2021 diese Truppen
       absetzten, bestätigen: Auf dem Weg von Russland nach Zentralafrika machten
       sie Halt in Syrien, Libyen, Sudan und Südsudan.
       
       Umgekehrt sind auch Zentralafrikaner anscheinend bereit, für Russland in
       den Krieg zu ziehen. In einem Onlinevideo, das auf Twitter kursiert, stehen
       zehn zentralafrikanische Soldaten in Kampfausrüstung stramm. „Wir haben
       gehört, was in der Ukraine passiert“, sagt der Kommandeur in die Kamera:
       „Die russischen Soldaten führen eine Spezialoperation aus, um Frieden zu
       bringen. Wir afrikanischen Soldaten sind bereit, unsere russischen Brüder
       zu unterstützen.“
       
       ## Abzug aus Afrika – gen Ukraine
       
       Offenbar internationalisiert sich Wagner, um auch nichtrussische Kämpfer in
       die Ukraine zu bringen. Pauline Bax vom Thinktank International Grisis
       Group (ICG) bezweifelt, dass dies funktioniert: „Diese Männer müssen ja
       bezahlt werden“, so Bax. Die Firma zahle ihren Kämpfern Gehälter von
       mehreren Tausend Dollar pro Monat. Ob in Zentralafrika, Libyen, Syrien oder
       Mali – dieser Sold wird durch lukrative, meist geheime Verträge mit den
       Regierungen in den jeweiligen Ländern beglichen, so die Analystin.
       
       Doch überall in Afrika rüstet sich Putins Schattenarmee, um Russland in der
       Ukraine zu helfen, quer durch Afrika werden Wagner-Truppen verlegt.
       Kommandeure der westlibyschen Milizen bestätigen der taz die Verlegung der
       Wagner-Einheiten innerhalb Libyens. Eine von Panzir-Luftabwehr-Fahrzeugen
       begleitete Kolonne ist nun auf dem südlibyschen Flughafen Brak Shati
       stationiert. Eine unbekannte Zahl an MiG-29 Jets steht im zentrallibyschen
       Jufra zum Einsatz bereit, bewacht von sudanesischen und tschadischen
       Söldnern im Auftrag von Wagner.
       
       Mit dem ostlibyschen Flughafen Al Khadim, den regelmäßig russische
       Transportflieger aus Syrien anfliegen, haben die Paramilitärs von Wagner
       damit Zugriff auf drei Flughäfen in Afrikas ölreichstem Land. Über Libyen
       kann Wagner auch Energielieferungen aus Afrika nach Europa kontrollieren.
       Italiens Regierungschef Mario Draghi kündigte letzte Woche Verhandlungen
       mit der libyschen Regierung in Tripolis über die Ausweitung des Gas- und
       Ölexports über die „Greenstream“-Pipeline nach Europa an. Doch die
       Wagner-Einheiten könnten das zusammen mit Haftars Armee vereiteln. Die
       Besetzung libyscher Pipeline-Knotenpunkte hat schon in der Vergangenheit
       die Ölpreise in die Höhe schießen lassen.
       
       Mit Besorgnis sehen Experten die Stationierung von Wagner-Söldnern in der
       kleinen ostlibyschen Hafenstadt Bomba. Mit kleinen Kommandoaktionen hatten
       dort einst Kämpfer des IS Angriffe auf Handelsschiffe geplant. Der
       Flughafen von Bomba könnte nun zur Verlegung von Söldnern aus Libyen in die
       Ukraine dienen, so ein Offizier der ostlibyschen Armee, der zu Besuch in
       Tripolis ist. „Libyen ist Schauplatz eines kalten Krieges, der dann
       ausbrechen wird, wenn jemand in Moskau das für richtig hält“, sagt er.
       
       Während des Gesprächs in einem Café beobachtet er mit einer
       Flugüberwachungsapp auf seinem Smartphone alle Flugbewegungen von und nach
       Libyen. Gerade ist wieder eine russische Antonow-Transportmaschine in
       Richtung Syrien gestartet. „Uns war von Anfang an klar, dass der russische
       Einsatz in Afrika nur die Vorbereitung eines Angriffs auf die Ukraine ist.
       Das haben uns die Wagner-Leute sogar persönlich gesagt.“
       
       Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ließ Anfang März verlauten,
       dass Wagner-Söldner eine regelrechte Jagd auf ihn ausgerufen haben, um ihn
       zu ermorden. Laut dem Verteidigungsrat der Ukraine entkam Selenskyi bereits
       vier Angriffen von tschetschenischen Scharfschützen und Wagner-Truppen in
       Kiew. Am vergangenen Sonntag meldete das ukrainische
       Verteidigungsministerium, der libysche General Haftar sei bereit, Kämpfer
       zur Unterstützung der russischen Armee zu schicken.
       
       Bereits im Januar wurden die Wagner-Einheiten in der Zentralafrikanischen
       Republik „deutlich reduziert“, so die UN-Experten, die das Waffenembargo
       gegen das Bürgerkriegsland überwachen. Die Vermutung liege nahe, dass das
       Personal abgezogen worden sei, „um die russische Offensive in der Ukraine
       zu unterstützen“.
       
       Wagner-Söldner bestätigen das. Im BBC erklärte ein Wagner-Kämpfer in der
       Zentralafrikanischen Republik, man sei zu „einem Picknick in der Ukraine“
       eingeladen worden. Wagner habe vor dem Krieg dort einen internationalen
       Rekrutierungsaufruf gestartet. Dieser richte sich vor allem an „Personen
       mit Vorstrafen, Schulden, Ausgeschlossenen aus Söldnergruppen oder ohne
       fremden Pass“ – also Kriminelle, die in keiner regulären Armee mehr
       genommen werden.
       
       Mittlerweile ist eine Bewerbung bei Wagner online möglich. Über die im
       November 2021 in Bangui erstellte Internetseite „Join-Wagner.com“ kann man
       seine Personalien eingeben. Auf der Seite werben Bildergalerien mit schwer
       bewaffneten uniformierten Männern. Sie sind positioniert vor einer Wand aus
       Feuer, in der Mitte ein Adler, der einen Totenkopf an den Krallen hält.
       
       „Schließen Sie sich Wagner an“, lautet der Aufruf: „um den Frieden und die
       Ruhe der Zivilbevölkerung vor Banditen und Terroristen zu schützen!“
       Darunter eine Afrika-Karte, auf der Länder rot markiert sind, in denen
       Wagner-Söldner stehen: von Mauretanien bis Mosambik und Madagaskar.
       Insgesamt seien es „über 50.000“, dazu „über 200.000 in Reserve“.
       
       Ob das Rekrutierungsschema funktioniert, ist fraglich. Die taz sprach mit
       einem Ugander, der sich über diese Webseite beworben hat – zwei Wochen
       später hatte er noch keine Antwort erhalten.
       
       28 Mar 2022
       
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       Afrika. Der russische Einfluss geht weit über die Söldnertruppe Wagner
       hinaus.
       
 (DIR) Litauen fürchtet russischen Angriff: Auf dem Pulverfass
       
       Viele Litauer fürchten, dass Russland auch ihr Land bald angreifen könnte –
       über die Schließung der „Suwalki-Lücke“ zwischen Kaliningrad und Belarus.
       
 (DIR) Zerstörte ukrainische Stadt Mariupol: Die Stadt lebt im Keller
       
       Tausende versuchen aus der ukrainischen Stadt Mariupol zu fliehen. Auf
       ihrem Weg landen viele gegen ihren Willen in von Russland besetzten
       Gebieten.
       
 (DIR) Belagerte Stadt in der Ukraine: Der Diktator übernimmt
       
       Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow ist angeblich seit Montag in
       Mariupol. Doch ein Foto zeigt ihn in Russland.
       
 (DIR) Recherche zu Krieg in der Ukraine: Tausende Ehrenurkunden
       
       Eine ukrainische Rechercheplattform hat tausende Urkunden im Netz gefunden.
       Demnach sind in der ersten Kriegswoche fast 5.000 russische Soldat:innen
       gestorben.
       
 (DIR) Jahresbericht von Amnesty International: Der Horror ist überall
       
       Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist „nur die Spitze eines Eisbergs“,
       sagt die Organisation. Dass Putin straflos morden könne, ermutige andere.
       
 (DIR) US-Präsident in Polen: Biden zeigt die Zähne
       
       Der US-Präsident erinnert in Warschau daran, dass die Nato mit
       demokratischen Werten verbunden ist. Der Artikel 5 sei ihm „heilige
       Verpflichtung“.
       
 (DIR) Unterkunftssuche für Geflüchtete am ZOB: Auf der Suche nach „guten Händen“
       
       Am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) vermitteln Freiwillige mit viel Mühe
       Ukraine-Flüchtlinge an private Gastgeber*innen. Nicht immer klappt es.
       
 (DIR) Verteidigungsminister Sergei Schoigu: Vom Putin-Liebling zum Sündenbock
       
       Mehr als zwei Wochen lang gab es keine Spur von ihm, nun zeigen Videos den
       russischen Minister bei der Arbeit. Das heizt die Spekulationen weiter an.
       
 (DIR) Malis Putschregierung holt Verstärkung: Russische Söldner sollen nach Mali
       
       Malis Putschregierung schließt Vertrag mit privatem russischen
       Sicherheitsunternehmen „Wagner-Gruppe“. Frankreichs Regierung ist empört.
       
 (DIR) Krise der Zentralafrikanischen Republik: Russland schickt die Söldnerplage
       
       In der Zentralafrikanischen Republik schützen brutale russische Kämpfer die
       Regierung. Dabei legen sie sich mit Frankreichs Verbündetem Tschad an.