# taz.de -- Gerichtsverhandlung zu AfD-Einstufung: Eine Frage der Existenz
       
       > Vor dem Verwaltungsgericht Köln zeichnete sich am Dienstag ein Teilerfolg
       > für die AfD ab. Die Einstufung des „Flügels“ als rechtsextrem wackelt.
       
 (IMG) Bild: AfD-Chef Tino Chrupalla am Dienstag beim Prozess im sogenannten „Kristallsaal“ der Kölner Messe
       
       Köln taz | Der AfD-„Flügel“ um Björn Höcke darf vermutlich nicht vom
       Verfassungsschutz beobachtet werden. Das zeichnete sich bei der mündlichen
       Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln ab. Ob das auch für die
       Mutterpartei gilt, war bis zum späten Nachmittag noch unklar.
       
       Wegen des großen öffentlichen Interesses und wegen Corona fand die
       Verhandlung im gediegen-eleganten Kristallsaal der Kölner Messe statt.
       Konkret ging es um [1][vier Klagen der AfD gegen das Bundesamt für
       Verfassungsschutz (BfV)]. Die AfD will verhindern, dass der „Flügel“ als
       gesicherte rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird, dass ihm 7.000
       Mitglieder unterstellt werden und dass die AfD-Mutterpartei sowie die
       Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) als rechtsextremistische
       „Verdachtsfälle“ eingestuft werden.
       
       Scheitert die AfD mit ihren Klagen, können „Flügel“, JA und Mutterpartei
       mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden, insbesondere mit
       Telefonüberwachung und V-Leuten. Außerdem könnten die AfD oder die
       jeweiligen Gliederungen im Verfassungsschutzbericht auftauchen. „Das
       komplexeste Verfahren betrifft den ‚Flügel‘“, sagte der Vorsitzende Richter
       Michael Huschens, weshalb das Gericht sich zunächst ganz hierauf
       konzentrierte.
       
       Für den Verfassungsschutz argumentierte Anwalt Wolfgang Roth, dass der
       „Flügel“ ein ethnisch homogenes deutsches Volk anstrebe, das Migranten und
       eingebürgerten Deutschen von vornherein die Zugehörigkeit verwehre. „Das
       verstößt gegen die Menschenwürde“, erklärte Roth und berief sich auf das
       NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
       
       „Ich könnte hierzu Dutzende, ja Hunderte Zitate vorlegen“, betonte der
       Verfassungsschutzanwalt, doch Richter Huschens winkte ab. „Ich weiß, aber
       wir haben Ihre Schriftsätze gründlich gelesen“, sagte er. Das Gericht
       versuchte offensichtlich, das Verfahren noch am Dienstag abzuschließen.
       
       ## Islamfeindlichkeit als springender Punkt
       
       Für eine Einstufung des „Flügels“ als extremistische Bestrebung spricht für
       den Verfassungsschutz auch die Haltung zum Islam, der generell abgelehnt
       werde, indem ihm ohne Differenzierung der Terrorismus à la IS und al-Qaida
       zugerechnet wird. Völkisches Denken und Islamfeindlichkeit sind auch für
       das Gericht die entscheidenden Punkte. Antisemitismus und
       Demokratiefeindlichkeit des „Flügels“ sehen die Richter:innen wohl als
       weniger gut belegt an
       
       Für die AfD kritisierte Rechtsanwalt Christian Conrad, dass das BfV ganz
       überwiegend mit Zitaten von „Flügel“-Frontmann Björn Höcke argumentiere.
       „Es geht aber nicht um die Beobachtung von Herrn Höcke, sondern einer
       Bestrebung von angeblich 7.000 Personen“, so Conrad. Er wies außerdem
       darauf hin, dass es für manche „Flügel“-Äußerung zur Migrationspolitik auch
       ganz ähnliche Zitate von CSU-Politikern wie Ex-Innenminister Horst Seehofer
       gebe. „Es kann nicht sein, dass Äußerungen für den Verfassungsschutz nur
       relevant sind, wenn sie von AfD-Politikern kommen“, so Conrad.
       
       Das Gericht machte deutlich, dass eine Einstufung des „Flügels“ als
       extremistische Bestrebung derzeit wohl nicht möglich ist: Es sei nicht
       gesichert, dass er nach seiner Selbstauflösung im April 2020 überhaupt noch
       bestehe. Das Bundesamt sah hierfür zwar „tatsächliche Anhaltspunkte“, etwa
       Veranstaltungen, die innerparteilich als „Flügel“-Veranstaltungen
       wahrgenommen werden. Man prüfe die Fortexistenz aber noch. Das genügte den
       Richter:innen nicht.
       
       Ob damit auch die Beobachtung der Mutterpartei vom Tisch ist, weil ein
       nicht sicher existierender Flügel auch die AfD nicht prägen oder gar
       dominieren kann, war bis zum späten Nachmittag noch nicht geklärt.
       
       8 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verfassungsschutz-und-AfD-Einstufung/!5839455
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Verfassungsschutz
 (DIR) Björn Höcke
 (DIR) Verwaltungsgericht
 (DIR) Schwerpunkt Landtagswahl im Saarland
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Schwerpunkt AfD
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Landtagswahl im Saarland: Rechtsextrem? Na und!
       
       Trotz des Urteils, das die Einstufung als rechtsextremen Verdachtsfall
       bestätigt, kann die AfD auf Wiedereinzug in den Landtag hoffen.
       
 (DIR) AfD als Verdachtsfall bestätigt: Wahrhaft wehrhaft
       
       Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall
       überwachen. Dies stärkt die wehrhafte Demokratie.
       
 (DIR) Verwaltungsgericht Köln zur AfD: AfD darf überwacht werden
       
       Der Verfassungsschutz hat die AfD als extremistischen „Verdachtsfall“
       eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat das nun gebilligt.
       
 (DIR) Verfassungsschutz und AfD-Einstufung: Showdown in Köln
       
       Das Verwaltungsgericht verhandelt ab Dienstag die Einstufung der AfD als
       rechtsextremen Verdachtsfall. Die Partei inszeniert sich derweil als Opfer.
       
 (DIR) AfD-Stiftung scheitert im Streit mit EU: Erasmus bleibt Europäer
       
       Die Erasmus-Stiftung geht wegen Namensrechten gegen die EU vor – und
       unterliegt im Rechtsstreit. Das zeigen Dokumente von „Fragdenstaat“ und
       taz.
       
 (DIR) AfD nach Rücktritt von Meuthen: Feigenblatt weg, Einstufung kommt
       
       Die AfD will der Einstufung als Verdachtsfall noch entkommen. Die
       Distanzierung von den Freien Sachsen hilft dabei wenig – und schürt
       Konflikte.