# taz.de -- Gasgewinnung in den Niederlanden: Groninger Gretchenfrage
       
       > Weil die Förderung jahrelang Erdbeben verursachte, war in den
       > Niederlanden das Thema Erdgas eigentlich erledigt. Der Ukrainekrieg
       > stellt das infrage.
       
 (IMG) Bild: Durch häufige Erdbeben gefährdet: Häuser in der niederländischen Provinz Groningen
       
       Amsterdam taz | In Groningen, der nordöstlichsten Provinz der Niederlande,
       sorgt man sich derzeit besonders wegen des Ukrainekriegs. Der Grund: das
       Erdgasfeld unter der Provinz, das mit ursprünglich rund 2.800 Milliarden
       Kubikmetern eines der 20 größten der Welt ist. Eigentlich sollte die
       Produktion dort dieses Jahr auslaufen, doch der Krieg und die [1][Knappheit
       auf dem Gasmarkt] setzen nun ein Fragezeichen hinter den Plan der
       niederländischen Regierung. So stellte das regionale Leitmedium Dagblad van
       het Noorden am Donnerstag die Groninger Gretchenfrage: „Geht der Gashahn
       zu, oder bleibt er offen?“
       
       Der bange Unterton weist auf ein Thema hin, das sich in den letzten Jahren
       zu einem der heikelsten des Landes entwickelt hat: die Erdbeben, die als
       Konsequenz der Gasgewinnung die Menschen in der Provinz plagen. Denn die
       Bohrungen lassen Gesteinsschichten porös werden und ihre unterschiedliche
       Dichte den Boden erzittern.
       
       Die Gasförderung begann 1963, rund 30 Jahre später gab es erste Beben, ab
       2003 immer mehr. 2013 waren es mehr als 120. Meist, aber nicht immer,
       liegen sie unter 2 Punkten auf der Richterskala. Doch weil sogenannte
       induzierte Beben viel näher unter der Erdoberfläche liegen, droht Häusern
       auch bei relativ geringen Werten Gefahr.
       
       Mitte der Woche kamen im Groninger EnTranCe – Institut für
       Energie-Expertise – lokale Politiker*innen zusammen, um über die Lage
       zu diskutieren. Der sozialdemokratische Stadtrat Rik van Niejenhuis
       beschrieb diese so: „Was uns betrifft, stoppen wir so schnell es geht. Die
       Gründe sind deutlich. Ob es in zwei Jahren eine bezahlbare Alternative
       gibt, weiß ich nicht. Wenn die Preise noch höher werden, müssen wir
       wirklich schauen, wie wir das lösen.“ Dann hängte van Niejenhuis einen Satz
       an, der für Groninger Ohren alarmierend klingt: „Wenn wir dann doch nach
       Groningen schauen, müssen wir sehr stark verhandeln, was das Gebiet dafür
       zurückbekommt.“
       
       ## Energiepreise zum Teil fast nicht mehr bezahlbar
       
       Die geopolitische Lage hat im Frühjahr 2022 offensichtlich in Gefahr
       gebracht, wofür sich [2][lokale Aktivist*innen seit Jahren eingesetzt]
       haben und was 2019 vom damaligen Wirtschaftsminister Eric Wiebes verkündet
       wurde: ein Abschied vom Groninger Gas in diesem Jahr. Schon die [3][stark
       gestiegenen Energiepreise zu Beginn der Heizsaison] deuteten an, dass
       dieser Beschluss revidiert werden könnte.
       
       Laut einer Umfrage des naturwissenschaftlichen Forschungsinstituts TNO vom
       Oktober haben eine halbe Million niederländischer Haushalte Probleme, ihre
       Energierechnung zu bezahlen – vor allem im Norden des Landes. Gerade in der
       Provinz Groningen, trotz der jahrzehntelangen Erdgaserträge die ärmste des
       Landes, sind viele Menschen mit Niedrigeinkommen in schlecht isolierten
       Häusern von Energiearmut betroffen.
       
       Die Anzeichen, dass der Ausstieg aus dem Groninger Feld revidiert wird,
       mehrten sich Anfang des Jahres. Verantwortlich dafür war der gestiegene
       Bedarf Deutschlands an niederländischem Gas. Durch langjährige Kontakte
       sind die Niederlande an diese Lieferungen gebunden. Der damalige
       Wirtschaftsminister Stef Blok rief Deutschland auf, alle möglichen
       alternativen Maßnahmen zu ergreifen. Seine Nachfolgerin Micky Adriaansens
       soll noch im März eine Entscheidung treffen.
       
       ## Zahl der Erdbeben leicht gestiegen
       
       Seither mehren sich Stimmen in der niederländischen Politik, in einem
       solchen Fall sollten sämtliche Einkünfte nach Groningen gehen, wo
       zahlreiche Häuser von Erdbeben beschädigt sind. Pikanterweise stieg die
       Zahl der Beben zuletzt wieder leicht: von 69 im Jahr 2020 auf 72 in 2021,
       darunter eines im November mit einer Stärke von 3,2. Die staatliche
       Minenaufsichtsbehörde warnt, nach Einstellung der Bohrungen könne die Erde
       noch Jahre weiterbeben.
       
       Kurz nach der [4][russischen Invasion der Ukraine] startete die
       Nachrichtensendung „1 Vandaag“ eine Umfrage. 63 Prozent der Teilnehmenden
       stimmten darin zu, im Falle eines Stopps russischer Gaslieferungen auf das
       Groninger Feld zurückzugreifen.
       
       Diskutiert wird derzeit auch, die Bewohner*innen der Provinz mit einem
       milliardenschweren Gasfonds zu entschädigen. Merel Jonkheid, Sprecherin der
       Groninger Bodem Beweging (GBB), lehnt dies ab. In einem Beitrag für das NRC
       Handelsblad betonte sie diese Woche: „Das Gasgewinnungsproblem in Groningen
       lässt sich nicht mit mehr Geld lösen. Es ist ein Sicherheitsproblem.“
       
       7 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-dem-Stopp-von-Nord-Stream-2/!5833856
 (DIR) [2] /Erdgasfoerderung-in-Groningen/!5649973
 (DIR) [3] /Steigende-Preise-bei-Oel-und-Gas/!5804529
 (DIR) [4] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
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