# taz.de -- Pressefreiheit in der Ukraine: Sender verboten und verschwunden
       
       > Der Nationale Sicherheitsrat der Ukraine hat zwei oppositionelle
       > Fernsehkanäle mit Sendeverbot belegt: „Pershij Nesaleshniy“ und
       > „UkrLive“.
       
 (IMG) Bild: Wolodimir Selenski bei einem Gipfeltreffen in Brüssel im Dezember 2021
       
       Erneut wurden in der Ukraine zwei oppositionelle Fernsehkanäle vom
       Nationalen Sicherheitsrat mit einem Sendeverbot belegt. Am Dienstagabend
       unterzeichnete Präsident Wolodomir Selenski den Erlass mit der Nummer
       684/2021, mit dem die Fernsehkanäle „Pershij Nesaleshniy“ und „UkrLive“ für
       fünf Jahre mit Sanktionen belegt werden. Damit sind beide Kanäle aus dem
       Äther und dem Internet verschwunden, ihre Vermögen wurden eingefroren,
       sämtliche Aktivitäten wurden ihnen untersagt. Empfangen kann man sie nur
       noch per Youtube und VPN.
       
       In dem halbseitigen Erlass ist keine Begründung für das Sendeverbot zu
       finden. In einem fünfseitigen Anhang geht es ausschließlich darum, was den
       Betroffenen nun verboten ist.
       
       Mitbesitzer beider Kanäle ist der Abgeordnete der russlandfreundlichen
       Partei „Oppositionsplattform für das Leben“ Nestor Schufritsch. Der Kanal
       Pershij Nesaleshniy war von Journalisten der [1][im Februar vom Netz
       genommenen Kanäle] Newsone, 112 und ZIK gegründet worden. Im April hatte
       Youtube auf Betreiben der ukrainischen Regierung die Kanäle auf seiner
       Plattform gesperrt. Es ist zu erwarten, dass die ukrainische Regierung
       Youtube auch in den Fällen von UkrLife und Pershij Nesaleshniy um eine
       Sperrung ersuchen wird.
       
       „Heute haben die Behörden auf zynische Weise – außergerichtlich und unter
       Missachtung der geltenden Rechtsvorschriften – die Ausstrahlung der
       Fernsehsender UkrLive und Pershij Nesaleshniy eingestellt. Diese
       rechtswidrige Entscheidung wurde erneut vom Nationalen Sicherheits- und
       Verteidigungsrat getroffen, einem Gremium, das faktisch die Diktatur in der
       Ukraine verkörpert und faktisch oppositionelle Tätigkeiten verbietet“,
       protestieren die beiden Kanäle in einer gemeinsamen Erklärung. Man werde
       den Rechtsweg beschreiten, behalte sich auch einen Gang zum Europäischen
       Menschengerichtshof in Straßburg vor.
       
       ## Nicht nur prorussisch eingestufte Medien betroffen
       
       „Es gab keinen einzigen Grund, UkrLive zu schließen“ beschwert sich Nestor
       Schufritsch. „In der Zeit, in der der Sender auf Sendung war, war es
       einfach unmöglich, gegen das Gesetz zu verstoßen. Aber selbst wenn dies der
       Fall gewesen wäre, hätte es Monate gedauert, bis eine juristische Prüfung
       stattgefunden hätte, der Fall vor Gericht verhandelt und eine juristische
       Entscheidung getroffen worden wäre“, so Schufritsch, der die Schließung
       durch ein staatliches Gremium für rechtswidrig hält. Gleichzeitig betont
       er, weder Besitz in Russland zu haben noch dort in irgendeiner Weise
       geschäftlich tätig zu sein.
       
       Aber nicht nur Kräfte, die von ukrainischen Medien als prorussisch
       eingestuft werden, fürchten um die Meinungsfreiheit. Im November verkaufte
       Ex-Präsident Petro Poroschenko zwei Fernsehkanäle, den Kanal „Prjamij“ und
       den „5. Kanal“. Zuvor hatten Sprecher dieser Kanäle erklärt, [2][das
       Oligarchengesetz sei gegen unliebsame Medien] und die demokratische
       Opposition gerichtet. Das am 5. November von Präsident Selenski
       unterzeichnete Oligarchengesetz verbietet Personen, die Millionäre sind,
       Medien besitzen und auf dem Markt eine gewisse Monopolstellung haben,
       Parteien zu unterstützen und an Privatisierungen teilzunehmen.
       
       Diese Verbote sind, verbunden mit dem Imageschaden, den ein Eintrag in das
       Oligarchenregister bedeutet, für den wichtigsten innenpolitischen
       Gegenspieler Selenskis, Petro Poroschenko, eine beträchtliche
       Einschränkung. Bei dem Verkauf der beiden TV-Kanäle, so vermutet die
       Onlinezeitung Ukrajinska Prawda, dürfte auch Poroschenkos Furcht vor einer
       Eintragung ins Oligarchenregister eine Rolle gespielt haben.
       
       30 Dec 2021
       
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