# taz.de -- Punkband aus Nürnberg: Pickel-Punk gegen rechts
       
       > Akne Kid Joe versorgen die deutsche Punkszene mit neuem Blut. Ihre Texte
       > beschäftigen sich mit Rassismus, Verschwörungstheorien und Sexismus.
       
 (IMG) Bild: Die Jungs von Akne Kid Joe und ihre Sängerin Sarah
       
       „Die Arbeit ruft und ich muss heute wieder ran / In der Schlange vor dem
       Bus stell ich mich hinten an / Ich ess ein Brot, denn es ist ne lange Fahrt
       / Und hol mir eine Mate, denn es wird ein harter Tag […] Seit meinem Abitur
       steh ich im Schwarzen Block / Die Bezahlung ist okay und die Arbeit macht
       mir Bock.“ So abstrakt gereimt beginnt „What AfD thinks we do“, einer der
       bekanntesten Songs der Nürnberger Punkband Akne Kid Joe.
       
       Im Text geht es um jenes gezielt gestreute Gerücht, dass die Antifa,
       subventioniert vom deutschen Staat, Menschen gegen Bezahlung auf Demos
       schicke. Für satte 30 Euro die Stunde! Schön wär’s. Dass die Behauptung
       kompletter Unfug ist, daran lässt die Musik, die den eh schon absurd
       wirkenden Vorwurf aus dem Text bewusst überzeichnet, keinerlei Zweifel.
       Aber das Thema ist einfach zu gut, um es nicht in einem Song
       auszuschlachten.
       
       Daher singen Sängerin Sarah und Sänger Matthias im Brustton der
       Überzeugung unisono und lauthals im Refrain, dass sie einen
       Antifa-Tarifvertrag hätten und mit ihrer Jobauswahl als fest angestellte
       Linksextremist:innen mega happy seien. Akne Kid Joe hauen dafür
       fetzige Gitarrenriffs raus und mischen diese mit bollerndem Getrommel und
       dem langsam einsetzenden, herrlich matschigen Synthiebass.
       
       Auch wenn Stimmung und Melodie des Songs zunächst ansteckend heiter wirken,
       macht „What AfD thinks we do“ unmissverständlich klar, dass es sich bei dem
       Gerücht um dunkeldeutsche Propaganda handelt. Der Song ist vom zweiten
       Album der Band, das 2020 unter dem Namen „Die große Palmöllüge“ erschienen
       ist. Bei Konzerten gehört er längst zum Standardrepertoire und wird von den
       Fans frenetisch gefordert. Ein echter Hit also.
       
       ## Punk meets Neue Deutsche Welle
       
       Seit ihrer Gründung 2016 haben Akne Kid Joe bereits drei Alben und elf
       Singles herausgebracht. Alle Werke sind auf dem Label Kidnap Music
       erschienen, auch das diesjährige Album, „Die Jungs von AKJ“. Sänger
       Matthias erklärt: „Die Musik nehmen wir immer do-it-yourself-mäßig im
       eigenen Studio auf, auch wenn wir da mit der Zeit professioneller geworden
       sind.“
       
       Dass Akne Kid Joe auf Deutsch singen, verrät ihr Bandname nicht. Es handelt
       sich dabei um eine Verballhornung des Namens der US-Mainstream-Poppunkband
       Ugly Kid Joe. Irgendwo hat doch immer jemand unreine Haut: Pickel sind
       Punk.
       
       Die Musik der vier Künstler:innen aus Nürnberg verweist sofort auf den
       Textgestus der deutschen Punkszene und erinnert auch an das frische
       Selbstbewusstsein von Künstler:innen der Neuen Deutschen Welle Anfang
       der Achtzigerjahre. Das liegt vor allem an der Besetzung; Gitarre und Drums
       werden ergänzt von dem markanten Sound des Synthiebasses. Die meist recht
       schroffen Songs garniert ein ebenso schroffer Gesang.
       
       Das Düsseldorfer Duo DAF zählt zu einem der erklärten Vorbilder von AKJ.
       „Wir haben erkannt, dass unsere Texte zu progressiven musikalischen Ideen
       nicht so passen. Wir sind nun mal keine Virtuosen, als Musiker:innen
       haben wir unseren Sound gefunden und dem bleiben wir treu“, sagt Matthias.
       
       ## Ausgefuchst, aber gelassen
       
       Das Musizieren hätten sie im Jahr 2016 ohne große Mission begonnen. Dass
       sie seither viel herumgekommen sind, sei damals nicht geplant gewesen.
       „Über vier Jahre konstant Konzerte spielen hat uns sicherer gemacht und
       die musikalische Wahrnehmung entscheidend verändert. Wir sind
       anspruchsvoller geworden. Ausgefuchster, aber auch gelassener“, sagt
       Sängerin und Gitarristin Sarah.
       
       Gleichwohl lassen Wut und Unzufriedenheit nicht nach. Die Nürnberger
       treiben Themen wie Rassismus, Verschwörungstheorien und Sexismus um – und
       wie sich diese im Mainstream niederschlagen. Manches Übel nehmen sie
       durchaus auch in der eigenen Zielgruppe wahr.
       
       Hintersinnig ist darum der Titel des aktuellen Albums: „Die Jungs von AKJ“
       ist ein Verweis darauf, dass Sarah als einzige Frau in der Band oft
       übergangen wird. Etwa wenn die Band in einer anderen Stadt am Konzertort
       ankommt und es dort oft heißt, dass nun die Jungs von AKJ da seien.
       
       Die Songtexte handeln häufig von Stereotypen und Formen von
       Diskriminierung. Humorvoll, teils ironisch, bisweilen sarkastisch wird
       angeprangert und aufgespießt. Oft prägen die Songs regionale Bezüge, auch
       Utopien und Ideale spielen eine Rolle. „Die Stimmung schwankt. Gerade
       fühlen wir uns eher pessimistisch“, sagt Sarah.
       
       ## Liebeslied an einen Vierbeiner
       
       Generell benennt die Band am liebsten Missstände. Besonders die Mischpoke
       aus Coronaleugner:innen und Nazis wird immer wieder angegangen. Auf
       ihrer Facebook-Seite gehen Akne Kid Joe sehr offen mit dem Thema um und
       positionieren sich klar gegen rechts.
       
       Außergewöhnlich auf dem neuen Album ist das Liebeslied „Ein Lied für Dich“,
       das eine durchaus komplexe Beziehung zu einem Vierbeiner beschreibt.
       
       Verfasst ist der Text nämlich aus der Sicht einer Allergikerin. „Bevor du
       zu uns kamst / hatte ich furchtbar Angst / dass du ein Frühaufsteher bist /
       und wie passt das zu nem Punk? /Doch heute kann ich sagen / da hab ich mich
       getäuscht /und keinen Tag mit dir / hab ich bisher bereut.“ Dass Matthias
       den Song alleine singt, liege daran, dass sie den Song nicht gefühlt habe,
       sagt Sarah.
       
       Mitreißend ist auch der Beitrag von Akne Kid Joe zum Soli-Sampler „Occupy,
       Resist, Produce … Repeat!“, dessen Erlöse einer selbstverwalteten
       Seifenfabrik im griechischen Thessaloniki zugute kommen.
       
       In „Das schöne Leben“ besingt die Band vergangene Zeiten, die
       unwiederbringlich vorüber sind. Früher war aber nicht alles besser, darum
       endet der Songtext auch mit den Worten „Bitte halt dein Maul“. Auch in
       ihrer Heimat Nürnberg unterstützen die vier Bandmitglieder Projekte, wie
       das aktuell von der Räumung bedrohte autonome Zentrum P31.
       
       Zu hoffen bleibt, dass Akne Kid Joe kommenden April wie geplant ihr
       fünjähriges Jubiläum in der Berliner Konzertlocation SO36 feiern können.
       
       26 Dec 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Desiree Fischbach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Musik
 (DIR) Politische Musik
 (DIR) Punk
 (DIR) Antifaschismus
 (DIR) Rechtsrock
 (DIR) Musik
 (DIR) Gewalt
 (DIR) Subkultur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Buch über Rechtsrocklabel: Angenehme Unterhaltung mit Herbert
       
       Das Buch „Rock-O-Rama. Als die Deutschen kamen“ will das Rechtsrocklabel
       Rock-O-Rama näher beleuchten. Doch kritische Aufarbeitung sieht anders aus.
       
 (DIR) Japanische Musikerin Phew: Aunt Sally randalierte
       
       Punk, Krautrock, New-Wave: Die japanische Musikerin Phew rührt in vielen
       Töpfen. Zwei Alben dokumentieren ihre schon 40-jährige Lust am Experiment.
       
 (DIR) Debütalbum des Berliner Trios Gewalt: Zwischen Lust und Ekel
       
       Das Berliner Industrial-Krachrock-Trio Gewalt veröffentlicht sein
       Debütalbum „Paradies“. Die Platte zetert und bebt sich die Apokalypse
       herbei.
       
 (DIR) Westberliner Frauenbands: Der Durst nach Neuem
       
       Sie sorgten für Zoff und machten der Subkultur Ehre: Die Westberliner
       Frauenbands Mania D, Malaria! und Matador. Höchste Zeit für eine Werkschau.