# taz.de -- Psychische und körperliche Gesundheit: Wir reden psychische Symptome klein
       
       > Unsere Autorin hat eine Depression, bei der körperliche Symptome stark
       > sind. Mediziner*innen brauchen oft mehrere Anläufe, um das zu
       > erkennen.
       
 (IMG) Bild: Körper und Geist als Henne-Ei-Problem
       
       Wenn es am schlimmsten ist, wünscht du dir verzweifelt irgendein anderes
       Leiden, irgendwelche körperlichen Schmerzen“, schreibt der Autor Matt Haig
       in seinem Buch „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ über seine
       Depression. [1][Da körperliche Beschwerden immer noch viel eher anerkannt
       sind als psychische], hegt man als Betroffene*r schnell mal den Wunsch
       nach einer „richtigen“ Krankheit.
       
       Doch wie es heißt: Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst. Denn nicht
       selten treten zu den psychischen Symptomen einer Depression auch
       körperliche auf und das nervt. Meist ist es wie mit dem Huhn und dem Ei:
       Sagen, was zuerst da war und das jeweils andere bedingt, ist schwierig. Bei
       mir begann es mit starken Bauchschmerzen und dem Gefühl, etwas würde mich
       von innen auffressen. Ich war sicher, an etwas Schlimmen zu leiden, und
       enttäuscht, als erst eine Magen-, dann eine Darmspiegelung nichts
       Eindeutiges hervorbrachten.
       
       Sodbrennen, eines meiner Symptome, war etwas für alte Menschen oder
       Schwangere – so jedenfalls hatte es mir Werbung jahrelang suggeriert. Ich
       aber war Anfang zwanzig, schlank (Mehrgewicht kann wohl Sodbrennen
       begünstigen) und gefühlt unverwundbar. Denkste.
       
       Haig schreibt an anderer Stelle in seinem Buch, dass der Ausdruck
       „psychische Krankheit“ für ihn missverständlich sei, suggeriere er, „alle
       damit verbundenen Probleme [würden] oberhalb des Halses auftreten“.
       
       ## Wir haben gelernt, psychische Symptome kleinzureden
       
       Die gängigen Symptome, gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Gefühle von
       Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit, sind aber nur ein Teil dessen, was
       Depressionen ausmachen können. Dabei treten die körperlichen Symptome, wie
       bei mir, viel eher oder deutlicher zutage als die mentalen. Vielleicht
       auch, weil wir gelernt haben, psychische Symptome kleinzureden, sie mit der
       einhergehenden Scham tief in uns zu verschließen.
       
       Physische Symptome lassen sich zudem oft schwerer ignorieren: Dort zwickt’s
       im Magen, da muckt die Verdauung, hier schmerzt der Kopf oder Rücken, da
       fiept es im Ohr. Wer bereits länger mit physischen Schmerzen zu kämpfen
       hat, bei dem intensivieren sie sich auch schon mal im Zuge einer
       Depression.
       
       Mediziner*innen bringen physische Schmerzen nicht zwingend mit einer
       Störung der Psyche in Verbindung. Meist dauert es, werden zig
       Untersuchungen gemacht, bis anderes ausgeschlossen werden kann. Das kostet
       Zeit, Mühe und Geduld. Dabei ist das Zusammenspiel von Körper und Psyche
       nicht neu: Auch der Psychoanalytiker Sigmund Freud erkannte dies schon an.
       Ging Freud noch von einer bloßen Übertragung [2][psychischer Affekte auf
       den Körper aus], ist die sogenannte Psychosomatik heute bereits weiter und
       betrachtet den Menschen als geistig-seelisch-sozial-körperliche Einheit.
       
       Es hilft, auf seinen Körper zu hören. Sein (Auf-)Begehren zu kennen, ist
       besonders im Umgang mit [3][wiederkehrenden Depressionen essenziell.]
       
       15 Dec 2021
       
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